Hamburg. Bei der 2G-Regel ginge es nicht mehr vorrangig um Schutz – man wolle Ungeimpfte dazu bringen, sich impfen zu lassen, so Peter Maßmann.
Die Lage des Handels ist dramatisch – laut einer Studie der Commerzbank bangen 23 Prozent der Geschäftsleute um ihre Existenz, 71 Prozent fürchten eine verwaiste Innenstadt. Der Unternehmer Peter Maßmann, bis 2016 Mitglied des SPD-Landesvorstands, sieht hinter den Zahlen Schicksale: Die frühere Landesbank-Passage hat der Handelsexperte zur „Perle Hamburg“ aufgewertet.
Corona: Hamburger Geschäfte und Gastronomen leiden unter 2G
Seit Ausbruch der Corona-Pandemie leiden Geschäfte und Gastronomie massiv. Und Maßmann kritisiert, dass der Senat in Hamburg die Probleme zusätzlich verschärft.
Hamburger Abendblatt: Das zweite Jahr in Folge leidet das Weihnachtsgeschäft – 2020 durch den Lockdown, nun durch Zugangsbeschränkungen. Wer kommt da noch in die Innenstadt?
Peter Maßmann: Die Frequenzen in der Spitalerstraße oder der Perle sind nur noch halb so hoch wie 2019. Jeder Zweite bleibt der Innenstadt fern. Die Debatte hat die Menschen verunsichert, manche haben schon Angst, sich in eine Schlange zu stellen, und 2G schreckt zusätzlich ab.
Gibt es einen negativen 2G-Effekt? Die meisten Menschen sind doch geimpft …
Maßmann: Doch, wir spüren einen Rückgang. Zunächst sanken die Zahlen mit der Wiedereinführung des Homeoffice, der die City härter trifft. Durch 2G ist es noch schlimmer geworden. Der Senat spielt sich hier als Musterschüler auf und legt die Regelung besonders streng aus. Schon im Frühjahr ging es in Schleswig-Holstein laxer zu, da sind die Menschen dort zum Einkaufen hingefahren.
Nun gelten auf dem Papier bundesweit zwar einheitliche Regeln. Aber im Norden muss nicht der Händler die Impfausweise kontrollieren, das ist Aufgabe des Ordnungsdienstes oder der Polizei. In der Haftung stehen dann nicht wie in Hamburg die Einzelhändler, sondern die Kunden, die keinen Impfnachweis haben. In Hamburg müssen die Händler deshalb teure Einlasskontrollen organisieren und verlieren zusätzlich! Mit dieser Politik wird der Senat zum Totengräber der City.
Was bedeuten halbierte Besucherzahlen für den Umsatz?
Maßmann: Der liegt über 50 Prozent, weil die Menschen mehr kaufen, wenn sie in die Stadt kommen. Aber zweistellige Umsatzeinbußen beklagen fast alle. Wie lange lässt sich das durchhalten? Wir sehen doch schon die leeren Geschäfte, die Verödung der Innenstadt. Ich fürchte, am Ende werden nur die großen Filialisten die Pandemie überleben, und die wenigen Kleinen werden untergehen.
Deshalb ist es wichtig, nun neue Überbrückungshilfen auf den Weg zu bringen. Die jetzigen Programme reichen nicht aus. Das Überbrückungsgeld 3 etwa greift erst bei Umsatzeinbußen von 30 Prozent – wer sich also angestrengt und nur 20 Prozent verloren hat, geht leer aus. In dieser Logik fährt der, der seinen Laden schließt, besser als sein Mitbewerber, der kämpft.
Was müsste geschehen?
Maßmann: Zunächst einmal würde ich mir weniger Panikmache wünschen – manche Menschen glauben inzwischen, wenn sie heute einkaufen gehen, werden sie nächste Woche krank und sind übernächste Woche tot. Andere Länder gehen pragmatischer mit der Pandemie um, ohne dass Corona dort schlimmer wütet. In Schweden oder Großbritannien gibt es nicht einmal eine Maskenpflicht.
Wie geht es den Händlern psychisch, die die erste Krise überstanden glaubten und nun die zweite durchleiden?
Maßmann: Wir sehen das täglich, das sind wirkliche Dramen. Wer jahrzehntelang im Geschäft ist, mag Corona durchstehen. Aber was ist mit den Gründern, die sich vor zwei, drei Jahren mit einer neuen Idee selbstständig gemacht, sich Geld geliehen haben? Sie stehen mit dem Rücken zur Wand. Wir hatten vor gut drei Wochen in der „Perle“ einen Einsatz mit 30 Polizisten, die alle Betriebe kontrolliert und zwei Drittel von jetzt auf gleich stillgelegt haben. Der Grund: Die Geschäfte und Gastronomen hatten Abstände nicht ordnungsgemäß kontrolliert oder die Daten der Kunden nicht mit dem Ausweis abgeglichen.
Wir reden hier nicht über große Ketten, sondern kleine Unternehmer. Da war viel Willkür, viel Schikane dabei. Wenn Gastronomen mit vollen Kühlschränken eine Woche schließen müssen, ist das eine Katastrophe. Ich halte diese Einsätze wirklich für unverhältnismäßig. Gerade weil die Pandemie-Lage in Hamburg nicht dramatisch ist.
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Soll das im Umkehrschluss heißen: shoppen, bis die Intensivstationen überlaufen?
Maßmann: Nein, natürlich nicht. Aber dafür, dass die Politik ihre Hausaufgaben nicht gemacht und auch in Hamburg eine hohe Zahl an Intensivbetten in der Pandemie abgebaut hat, können die Einzelhändler jetzt nicht herhalten. Zudem belegen Studien und die Auswertungen der Luca-App, dass das Infektionsrisiko beim Einkaufen überschaubar ist.
Mir geht es aber um etwas anderes: In Hamburg stehen Gastronomen und Händler durch die Pandemie enorm unter Druck – und der Senat macht ihnen das Leben durch die 2G-Regel und deren Ausgestaltung ohne Not noch schwerer. Am vergangenen Freitagabend wurde die Eindämmungsverordnung veröffentlicht, die dann ab Sonnabend galt. Hamburg will überall Corona-Musterschüler sein. Dabei geht es bei der 2G-Regelung gar nicht mehr vorrangig um den Schutz vor einer Infektion – man will Ungeimpfte dazu bringen, sich impfen zu lassen. Es geht also nur um das Steigern der Impfquote. Und für dieses Ziel macht der Senat Händler und Gastronomen zu Bauernopfern.