Hamburg. Das Zahlungsmittel droht zu einem Auslaufmodell zu werden. Bezahlen im Ausland bald nicht mehr möglich. Welche Alternativen es gibt.

Lange musste die Sparda-Bank Hamburg warten, bis sie Nachahmer fand. Die Genossenschaftsbank hatte schon vor mehreren Jahren ihre EC-Karte kostenpflichtig gemacht, obwohl sie bei regelmäßigem Gehalts- oder Renteneingang nach wie vor ein kostenloses Girokonto anbietet. Seitdem müssen die Kunden 10 Euro im Jahr für ihre EC-Karte bezahlen.

Jetzt folgen immer mehr Geldinstitute dem Beispiel der Genossenschaftsbank und versehen die beliebte EC-Karte, die auch „Girocard“ genannt wird, mit einem Preis. Was steckt dahinter? Müssen Kunden das akzeptieren? Wie beliebt ist das Zahlungsmittel? Wie sieht die Zukunft der EC-Karte aus? Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen.

Bei welchen Instituten kostet die Girocard extra?

Die mit rund 9,5 Millionen Kunden größte Direktbank in Deutschland, die ING, hat angekündigt, dass die EC-Karte ab 1. März 11,88 Euro im Jahr kosten wird. Das gilt sowohl für Neukunden als auch für Bestandskunden. Bei der Haspa kostet die SparkassenCard, sofern sie nicht in Kontomodelle integriert ist, für Neukunden 12 statt bisher 7,95 Euro. 1822direkt, die Direktbank der Sparkassen, verlangt künftig 6 Euro im Jahr für die Girocard. Bei der DKB müssen die Neukunden ebenfalls künftig für die Girocard extra bezahlen: 11,88 Euro im Jahr.

Rund 12 Euro für die EC-Karte pro Jahr, das scheint der Preis in der Branche zu sein, der sich abzeichnet. Denn das ist auch der Preis bei Consors, der für die optional hinzubuchbare Girocard für Neukunden gilt. Bei der Comdirect kostet die EC-Karte zwar nicht extra, aber es gibt sie nur auf ausdrücklichen Wunsch noch zum Konto hinzu. Außerdem gibt es eine Reihe von Banken, die überhaupt keine EC-Karte mehr anbieten.

Wird sich dieser Trend fortsetzen?

Die Entwicklung betrifft vorwiegend Direktbanken. Aber die Stiftung Warentest berichtet auch von regionalen Instituten, die den Preis für die EC-Karte anheben. „Die Girocard kostet dann beispielsweise nicht mehr 6 Euro im Jahr, sondern 7,50 Euro“, sagt Heike Nicodemus von der Stiftung Warentest. „Hinter der Girocard steht allerdings auch eine Serviceleistung. Das dichte Netz an Geldautomaten, das insbesondere Sparkassen und Volksbanken betreiben, kostet Geld.“

Nachdem sich bisher vor allem die Kontoführung verteuert hat, bietet sich mit der beliebten EC-Karte, von der mehr als 107 Millionen Exemplare im Einsatz sind, eine weitere Möglichkeit, die Kunden zusätzlich zur Kasse zu bitten.

Sind die Gebühren rechtens?

„Die Bank ist in ihren Entscheidungen, wofür sie Entgelte erhebt, völlig frei“, sagt Kerstin Föller, Rechtsexpertin der Verbraucherzentrale Hamburg. „Wir haben festgestellt, dass Preise von 10 bis 12 Euro im Jahr üblich sind, und dagegen kann man als Kunde auch nichts unternehmen, es sei denn, man verzichtet auf die Karte.“

So bietet die ING ihren Kunden an, die EC-Karte zu kündigen. Der neuen Gebühr müssen die Kunden aber ausdrücklich zustimmen. Das ergibt sich aus dem Urteil des Bundesgerichtshofes zur Gebührenerhöhung bei Geldinstituten.

Was sind die Gründe für den Trend?

Bei einigen Instituten, vor allem Direktbanken, sieht Nicodemus den Trend weg von der Girocard hin zu Zahlungskarten der US-Anbieter Master- oder Visacard. „Wir vermuten, dass die Institute die Girocard bepreisen, um ihren Kunden neue Verträge für Debitkarten von Master- oder Visacard anzubieten.“ Diese Entwicklung zeigt sich bei der Comdirect Bank. Die Direktbank bietet ihren Kunden vor allem eine kostenlose Visa-Debitkarte an. Das ist eine Art Kreditkarte light, bei der die Umsätze wie bei der Girocard sofort vom Konto abgebucht werden.

Bei einer echten Kreditkarte werden die Umsätze einen Monat gesammelt und dann abgebucht, möglicherweise auch nur Teilbeträge davon. Die Visa-Debitkarte könne sowohl fürs Onlineshopping als auch kontaktlos an der Ladenkasse oder mobil mit Apple Pay und Google Pay genutzt werden, argumentiert die Commerzbank-Tochter. Möglicherweise sei das für die Institute kostengünstiger, vermutet Nicodemus. In der Corona-Krise hat das kontaktlose und bargeldlose Bezahlen an Bedeutung gewonnen. Selbst beim Bäcker können wenige Brötchen jetzt mit Karte bezahlt werden. Vor allem die 50- bis 59-Jährigen haben auf Barzahlung verzichtet.

Komme ich ohne EC-Karte aus?

Längst nicht alle Händler akzeptieren Kreditkarten, weil sie beim Bezahlen höhere Kosten verursachen. „Mit der Girocard kann man im Einzelhandel und in Restaurants in Deutschland garantiert überall zahlen, mit Kreditkarten oder dem Smartgerät nicht“, sagt Ania Scholz-Orfanidis von der FMH-Finanzberatung. Nach einer Studie der Bundesbank werden 48 Prozent der Umsätze im stationären Handel mit einer Girocard beglichen, 38 Prozent bar und nur sieben Prozent mit einer Kreditkarte. Zunächst sind die Kunden also noch auf die EC-Karte angewiesen.

Allerdings hat die Girocard auch einige Nachteile. Sie funktioniert nicht beim Onlinehandel. Zwar wird sie von den Deutschen auch gern im Ausland zum Bezahlen eingesetzt, aber dafür braucht es eine Mastercard- oder Visa-Schnittstelle. Bankkunden erkennen das an den Labels „Maestro“ oder „V-Pay“ auf ihren Karten. Bisher hat das gut funktioniert, aber es zeichnen sich Änderungen ab.

Worum geht es dabei?

Mastercard hat angekündigt, die Maes­tro-Funktion im Sommer 2023 ganz abzuschalten. Dann wären Zahlungen im Ausland mit der Girocard nicht mehr möglich. Geldinstitute können keine neuen Maestro-Karten mehr herausgeben. „Mastercard hat kein Interesse daran, das Maestro-System aufrechtzuerhalten“, sagt Orfanidis. Die Zukunft sei digital, das gelte auch für Bezahlsysteme.

EC-Karte: Vom Magnetstreifen zum Chip

Im Januar 1968 begannen die Banken mit der Ausgabe der ersten EC-Karten. Sie dienten zunächst als reine Zahlungsgarantiekarten zusammen mit einem Scheck. Aber damit wurde der Grundstein für das elektronische Bezahlen gelegt. Seit 1972 konnte damit auch im Ausland bezahlt werden.

Als Ende der 1970er immer mehr Geldautomaten verfügbar waren, konnte die Karte dank eines schwarzen Magnetstreifens auch zum Geldabheben genutzt werden. Mit der Geheimzahl (PIN) war es ab 1991 möglich, in Supermärkten, Tankstellen und anderen Geschäften bezahlen.

Seit 2007 trägt die EC-Karte den Namen „Girocard“, weil Zahlungssysteme umgestellt wurden. Die Chiptechnologie ersetzte den Magnetstreifen, und seit 2017 ist kontaktloses Bezahlen möglich.

„Einerseits hat Mastercard die eigene Debit-Kreditkarte am Start – und bei vielen Banken in Deutschland bereits etabliert. Andererseits wurde im vergangenen Jahr in Zusammenarbeit mit der Sparkassen-Finanzgruppe eine neue Sparkassen-Card in Kooperation mit Mastercard eingeführt, die die Funktionen der Girocard mit denen einer Mastercard-Debit-Kreditkarte kombiniert.“

Gibt es für das Ausland Alternativen außer der Kreditkarte?

Es wird nicht so sein, dass Verbraucher vom Sommer 2023 an ohne Bezahlmöglichkeiten im Ausland dastehen. Einige Institute wie die Postbank oder Targobank haben ihre Girocard mit V-Pay ausgestattet, dem Konkurrenzsystem von Maestro. Das wäre eine Alternative, wenn Visa dem Schritt von Maestro nicht noch folgt. Eine weitere Alternative sind die kostenlosen Debit-Kreditkarten, die vor allem Direktbanken zu ihren Girokonten ausgeben.

Allerdings wird sich der Verbraucher zunächst auf zwei Karten einstellen müssen. „Das ist auf Dauer weder komfortabel für den Verbraucher noch besonders lukrativ für Banken – denn doppelte Karten bedeuten doppelte Kosten“, sagt Orfanidis. „Deshalb versuchen immer mehr Banken, ihre Kunden weg von der Girocard hin zur Debitkarte zu erziehen.“