Hamburg. Noch müssen keine Geschäfte schließen, doch gut ausgebildete Mitarbeiter fehlen überall. Märkte und Läden reagieren nun.

In der Gastronomie ist die Lage schon jetzt äußerst angespannt. In Restaurants, Bars und Kneipen in Hamburg fehlen inzwischen mehrere Tausend Arbeitskräfte. Teilweise reduzieren Lokale die Öffnungszeiten oder die Serviceangebote, weil sie kein Personal finden. Auch im Einzelhandel wächst die Sorge, dass sich die Mitarbeiterengpässe in den nächsten Monaten ausweiten.

Schon jetzt hängen in vielen Schaufenstern wie vor Corona wieder Schilder mit Jobangeboten. „Personalmangel ist im gesamten Einzelhandel ein großes Thema“, sagt Brigitte Nolte, Hamburger Geschäftsführerin des Handelsverbands Nord. Dabei fehlten vor allem Fachkräfte, die in einem veränderten Handelsumfeld auch über Digitalqualifikationen verfügten.

Einzelhandel in Hamburg fehlen Mitarbeiter

Auch nach Angaben der Agentur für Arbeit ist im Hamburger Einzelhandel seit März ein deutlicher Anstieg der gemeldeten freien Stellen festzustellen. Nach dem Ende des Lockdowns bewege sich die Zahl auf anhaltend hohem Niveau und sei im September noch mal gestiegen – auf 339, heißt es. Die absolute Zahl erscheint erst mal nicht besonders dramatisch.

Zur Einordnung: Es handelt sich um einen Stichtagswert – und nur um die freien Jobs, die der Arbeitsagentur gemeldet wurden. Bei einer Suche im kommerziellen Stellenportal Stepstone am Mittwoch waren mehr als 2200 Stellenangebote für Verkäuferinnen oder Aushilfen geschaltet – von der Bäckerei bis zum Dessous-Geschäft. Teils werden neben dem Lohn leistungsabhängige Boni, Mitarbeiterrabatte sowie Gratisabgaben aus der Kollektion versprochen.

Bedarf und Verfügbarkeit gehen weit auseinander

„Es ist noch nicht so, dass Geschäfte früher schließen, weil Mitarbeiter fehlen“, sagt Handelsverbands-Geschäftsführerin Nolte. „Aber nach den langen Monaten des Lockdowns mit viel Kurzarbeit, sind nicht alle Beschäftigten zurückgekommen.“ Ein Teil habe sich inzwischen komplett umorientiert. Dabei ist die Zahl der in Hamburg arbeitslos gemeldeten Verkäuferinnen mit aktuell knapp 8000 nach wie vor hoch.

Brigitte Nolte ist Geschäftsführerin des Handelsverbands Nord in Hamburg.
Brigitte Nolte ist Geschäftsführerin des Handelsverbands Nord in Hamburg. © Andreas Laible

Das Problem: Der Handel sucht vor allem ausgebildete Fachkräfte (90 Prozent der freien Stellen), unter den Arbeitslosen sind dagegen 70 Prozent Hilfskräfte und Ungelernte. Im Lebensmitteleinzelhandel klafft die Lücke sogar noch deutlicher: Laut Arbeitsagentur richten sich 97 Prozent der Stellenangebote an Fachkräfte, das Fachkräfteniveau unter den Suchenden liegt nur bei 60 Prozent.

Besonders im Lebensmittelhandel wird es immer schwieriger, freie Stellen an Kassen, Regalen und Service-Theken zu besetzen. Während der Corona-Zeit hatten Mitarbeiter aus Gastronomie und Veranstaltungsbranche in den Läden angeheuert, die trotz des Lockdowns geöffnet waren.

Azubi-Flaute: Jugendliche wollen nicht in Einzelhandel

Doch diese Beschäftigten sind teilweise in ihre früheren Jobs zurückgekehrt. Auch wenn die großen Handelsketten sich mit konkreten Angaben zurückhalten, lassen immer dringlichere Offerten, etwa für Ausbildungsplätze, die Personalnot erahnen. Lange Arbeitszeiten auch am Wochenende, körperlicher Einsatz und die Gehaltsoptionen lassen Jugendliche offenbar zögern.

Auch Edeka-Kaufmann Jörg Meyer, der acht Supermärkte in und um Hamburg betreibt, kennt die Situation. „Es ist schwierig“, sagt er. Bislang habe er zumeist auf das selbst ausgebildete Personal zurückgreifen können. Aber in seinen beiden Märkten auf Sylt sei die Lage sehr angespannt.

Meyer überlegt nun, die Bedienzeiten an den Frische-Theken von der Ladenöffnung zu entkoppeln und auf Kernzeiten zwischen 8 und 20 Uhr zurückzufahren. In Pinneberg will er das in einem Markt ab Anfang 2022 testen. „Wenn abends früher Schluss ist, macht das den Job für viele attraktiver.“