Hamburg. Nils Glagau wollte bei Joybräu einsteigen, doch dann platzte der Deal. Die Hintergründe – und wie es für die Hamburger nun weitergeht.
Beim Hamburger Start-up Joybräu gab es am Montagabend Freibier. Im Büro am Doormannsweg in Eimsbüttel stehen ohnehin immer ein paar Paletten bereit. „Das ist der große Vorteil, wenn man hier arbeitet“, sagt Tristan Brümmer und grinst. Er ist einer der Gründer der Firma, die mit sehr speziellem alkoholfreiem Bier Geld verdient.
Er und Co-Gründer Erik Dimter hatten ihr Team zum gemeinsamen TV-Abend geladen: „Die Höhle der Löwen“ auf Vox. Mal gucken, wie die Chefs so rüberkommen beim Auftritt vor Ralf Dümmel, Carsten Maschmeyer, Dagmar Wöhrl und Co. Dass Brümmer und Dimter bei der Aufzeichnung im März mit einem Deal aus dem Studio gegangen waren, wussten sie bei Joybräu ja längst.
Höhle der Löwen: Deal für Joybräu platzte nach der Show
Und noch etwas wussten alle, die da gemeinsam vor dem Bildschirm saßen: Diesen Deal gab es nur in der Show, im wirklichen Leben gibt es ihn nicht. Die Geschichte von Joybräu beginnt vor gut sechs Jahren in Südostasien. Die beiden heute 27-Jährigen sind während ihres dualen Studiums bei einer großen Hamburger Reederei für einige Monate dort eingesetzt. Nach Feierabend gehen sie ins Fitnessstudio. Gewichte stemmen. Damit es besser klappt mit dem Muskelaufbau, rühren sie sich Proteindrinks an.
Nach dem Sport gibt es zudem ein, zwei Feierabend-Bierchen. „Irgendwann entstand dann die Idee, die süßen, klebrigen Drinks aus Pulver wegzulassen und stattdessen ein Bier mit viel Protein zu entwickeln“, sagen die beiden. Doch bis das weltweit erste Proteinbier im Frühjahr 2018 auf den Markt kommt, vergehen noch mehr als zwei Jahre. Natürliches Protein und Aminosäuren in ein alkoholfreies Bier zu bringen, das dann immer noch so schmeckt wie Bier, erweist sich als kompliziert. Es gelingt erst in einer Kooperation mit den Wissenschaftlern vom Studiengang Brauerei- und Getränketechnologie der Technischen Universität Berlin. Eine 0,33-Liter-Flasche der in einer Lohnbrauerei hergestellten ersten Joybräusorte enthält 21 Gramm Protein.
Fitnesswelt von Proteinbier Joybräu begeistert
Es ist ein Getränk, das polarisiert. Als das Abendblatt Joybräu im Frühjahr 2018 testet, ist der Geschmack der größte Kritikpunkt. Die Fachwelt dagegen ist begeistert: Bei der Fitnessmesse Fibo bekommen die Hamburger den Innovationspreis. Das Ziel der Gründer: Joybräu soll zum Standardgetränk an den Theken von Fitnessstudios werden und einen festen Platz in den Sportlernahrungs-Regalen von Edeka, Rewe, Famila bekommen.
Doch dafür ist das Proteinbier wohl nicht massentauglich genug. Erst wird es mit einem Schuss Grapefruit aufgepeppt, dann kommen drei ganz neue Sorten auf den Markt: ein Vitaminbier, eine Light-Version mit sieben Gramm Protein sowie eine mit 15 Gramm und Zitronensaft. Unverbindliche Preisempfehlung: zwischen 1,29 und 1,99 Euro. 2020 soll für Joybräu das Jahr des Vorstoßes in den Handel werden.
Joybräu-Gründer: „Wir haben Fehler gemacht“
Doch dann kommt Corona. Die Fitnessstudios sind geschlossen, die für die Handelsoffensive eigens eingestellten Vertriebler werden nicht mehr in die Supermärkte gelassen. Am Ende des ersten Corona-Jahres stehen gerade einmal 325.000 Euro Umsatz und fast doppelt so hohe Kosten allein für das Personal. „Wir haben Fehler gemacht“, räumen die Gründer freimütig ein, als sie im Frühjahr 2021 bei der Aufzeichnung den DHDL-Investoren gegenüberstehen. Das Ziel von Brümmer und Dimter ist es, einen Partner zu finden, der ihren Getränken mit seinen Kontakten den Weg in den Handel ebnet. Für 300.000 Euro wollen sie zehn Prozent der Firmenanteile abgeben.
Die erste Hürde ist noch einfach: Den meisten Löwen schmecken diese Biere mit Zusatznutzen. Doch als es vom Geschmacklichen auf das Geschäftliche kommt, wird es schwierig. „Mir ist nicht klar, wo diese Firmenbewertung herkommt“, sagt Dümmel. Auch Wöhrl und Judith Williams sagen ab. Maschmeyer mäkelt gar: „Ich werde das Gefühl nicht los, dass ihr hier nur Marketing machen wollt.“
Höhle der Löwen: Orthomol-Chef Nils Glagau will einsteigen
Was die Löwen zu diesem Zeitpunkt offenbar nicht wissen: Wenige Monate zuvor sind Hamburgs Investitions- und Förderbank sowie zwei Investoren mit einer siebenstelligen Summe bei Joybräu eingestiegen. Die Firma wurde damals mit sechs Millionen Euro bewertet. „300.000 Euro für zehn Prozent waren im Grunde ein Sonderangebot“, sagt Dimter heute.
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In der Show hängt alles an Nils Glagau. Der Chef des HSV-Hauptsponsors Orthomol kennt sich aus in der Branche der Nahrungsergänzungsmittel und der Getränke mit Zusatznutzen. Er verhandelt hart. Erst will Glagau 25 Prozent der Anteile, schließlich einigt man sich auf 18 Prozent und die Option auf weitere sieben Prozent, wenn der Investor bestimmte Ziele erreicht. „Wehe, wenn es da noch Leichen im Keller gibt“, sagt Glagau zum Schluss noch.
Neue Pläne nach geplatztem Deal bei Höhle der Löwen
Waren die anderen Investoren bei Joybräu diese Leiche? Nein, sagt Brümmer. „Auch wenn es in der Show nicht zu sehen ist, er wusste davon.“ Und auch die gemeinsame Erklärung von Glagau und den Joybräu-Chefs zu dem geplatzten Deal klingt nach Eintracht: In den strategischen Verhandlungen nach der Aufzeichnung habe sich „leider herausgestellt, dass mein Mehrwert über das reine Investment hinaus nicht von allen anerkannt wurde“, erklärt Glagau. „So haben wir zusammen entschieden, keinen gemeinsamen Weg zu gehen.“ Und Dimter sagt: „Wir haben gemeinsam mit Nils festgestellt, dass wir auf geschäftlicher Ebene doch nicht so gut zusammenpassen. Also haben wir entschieden, dass der richtige Weg für uns beide ist, getrennte Wege zu gehen.“
Bei Joybräu versuchen sie jetzt mit Hilfe von Beratern, den Weg in den Handel zu finden. Anfang August wurden zwei der Biersorten während einer Aktionswoche in allen 2200 Filialen von Aldi Süd verkauft. Abgefüllt wird nur noch in 0,33-Liter-Dosen. In einigen Monaten soll die vierte Sorte kommen, eine Art Energybier. Und auch beim Umsatz läuft es im zweiten Coronajahr. „Wir gehen von 400 Prozent mehr als 2020 aus“, sagt Tristan Brümmer.
Das sind die Start-ups aus Hamburg und Umgebung, die in der Löwenhöhle punkten konnten:
- „Kleine Prints“ – Deal mit Investorin Lencke Steiner: 40.000 Euro für 30 Prozent der Firmenanteile;
- „CoffeeBags“ – Deal mit Vural Öger: 150.000 Euro für 33 Prozent;
- „Heimatgut“ – Deal mit Jochen Schweizer: 125.000 Euro für 15 Prozent;
- „Sugar Shape“ – Deal mit Judith Williams und Frank Thelen: 500.000 Euro für 20 Prozent;
- „Towell“ – Deal mit Ralf Dümmel und Jochen Schweizer: 100.000 Euro für 20 Prozent;
- „Ankerkraut“ – Deal mit Frank Thelen: 300.000 Euro für 20 Prozent;
- „Limberry“ – Deal mit Judith Williams und Carsten Maschmeyer: 250.000 Euro für 20 Prozent;
- „Chef.One“ – Deal mit Frank Thelen und Judith Williams: 150.000 Euro für 25 Prozent;
- „Tastillery“ – Deal mit Dagmar Wöhrl: 100.000 Euro für 20 Prozent;
- „Foodguide“ – Carsten Maschmeyer: 450.000 Euro für 31,6 Prozent;
- „Veluvia“ – Carsten Maschmeyer und Ralf Dümmel: 300.000 Euro für 25,1 Prozent;
- „Kajnok“ – Deal mit Georg Kofler: 400.000 Euro für 26 Prozent;
- „Luicella’s Eismix“ – Frank Thelen: 120.000 Euro für 20 Prozent;
- „Caps Air“ – Ralf Dümmel: 200.000 für 30 Prozent;
- „Trockenfix“ – Ralf Dümmel: 200.000 Euro / 49 Prozent;
- „sleeperoo“ – Dagmar Wöhrl: 250.000 Euro für 25,1 Prozent;
- „WeeDo“ – Georg Kofler: 100.000 Euro / 30 Prozent;
- „Easy Pan“ – Deal mit Ralf Dümmel: 25.000 Euro für 20 Prozent;
- „Soummé“ – Ralf Dümmel: 150.000 Euro für 20 Prozent;
- „Jagua for Xou“ – Judith Williams und Nils Glagau: 150.000 Euro für 30 Prozent;
- „drinkbetter“ – Ralf Dümmel und Carsten Maschmeyer: 300.000 für 30 Prozent;
- „YAB Fitness“ – Georg Kofler: 200.000 für 25 Prozent;
- „flexylot“ – Deal mit Ralf Dümmel: 125.000 Euro für 30 Prozent.