Hamburg. Wer ins Umland ausweicht, zahlt weniger für Immobilien. Der Abendblatt-Check für Regionen mit bis zu einer Stunde Anfahrt.
Einen Arbeitsweg von einer Stunde oder gar mehr hat so mancher Hamburger, selbst wenn er innerhalb der Stadtgrenzen bleibt. Auf der anderen Seite ist es erstaunlich, wie weit nach draußen man bei günstigen Verkehrsverbindungen innerhalb einer Stunde kommt – und wie weit die Immobilienpreise dort unter denen in der Metropole Hamburg liegen.
Gerade angesichts einer deutlichen Zunahme der Homeoffice-Möglichkeiten machen sich mehr und mehr Städter ihre Gedanken dazu. Das Abendblatt hat daher für acht Umland-Orte, die per Bahn oder mit dem Auto innerhalb von höchstens rund 60 Minuten von Hamburg aus zu erreichen sind, das Einsparpotenzial beim Immobilienkauf im Vergleich zur Großstadt ermittelt.
Immobilien Hamburg: Im Umland weitaus günstiger
So kostet ein Einfamilienhaus aus dem Bestand in Boizenburg im Schnitt 380.000 Euro weniger als eines in Hamburg – man zahlt in der westlichsten Stadt Mecklenburgs nur gut ein Drittel. In Itzehoe sind Neubau-Eigentumswohnungen für weniger als ein Drittel des Hamburger Preises erhältlich. Und wer ein Grundstück in Uelzen kauft, muss dafür nur rund ein Zehntel des in der Metropole üblichen Betrages ansetzen.
„Vor allem seit Beginn des Jahres 2021 stellen wir fest, dass sich der Suchradius von Hamburger Immobilienkaufinteressenten erweitert“, sagt Lukas Trautmann, Marktexperte bei dem Maklerunternehmen Engel & Völkers: „Nachdem viele Arbeitgeber ihren Beschäftigten nun auch dauerhaft ermöglichen, mehr von zu Hause aus zu arbeiten, sind Kunden heute eher bereit, auch längere Arbeitswege von bis zu rund einer Stunde in Kauf zu nehmen, wenn sie die Strecke nicht jeden Tag zurücklegen müssen.“
Höhere Fahrtkosten durch größere Entfernung
Die Pandemie habe die Immobilienpräferenzen aber noch in anderer Hinsicht verändert, so Trautmann. „Wohnqualität hat an Stellenwert gewonnen“ – und mehr Fläche kann man sich eher im Umland leisten. Natürlich fallen durch die größere Entfernung zum Arbeitsort auch höhere Fahrtkosten an. Legt man zum Beispiel die 76 Straßenkilometer nach Soltau zugrunde, kommen jährlich selbst bei drei Homeoffice-Tagen pro Woche immerhin knapp 5000 Euro zusammen.
Dörte Nitt-Drießelmann, Wissenschaftlerin am Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut (HWWI), beschäftigt sich als leitende Autorin des „Postbank Wohnatlas“ immer wieder mit genau solchen Vorteilhaftigkeitsrechnungen. Sie gibt zu bedenken: „Familien sollten berücksichtigen, dass Kinder in der Kita möglicherweise länger betreut werden müssen, während Vater oder Mutter noch in der Bahn unterwegs sind oder im Stau stehen.“ Auch das koste Geld.
Hamburg und Schwarzenbek im Vergleich
Für eine Sonderauswertung des „Postbank Wohnatlas“ wird jeweils der Kaufpreisvorteil eines Immobilienerwerbs im Umland deutscher Metropolen mit den Pendelkosten verglichen. Bezogen auf die Region um Hamburg ist nach dieser Berechnung Schwarzenbek die erste Adresse: Nutzt man die öffentlichen Verkehrsmittel, wäre der Preisvorteil gegenüber Hamburg bei zwei Homeoffice-Tagen pro Woche erst nach fast 37 Jahren durch die höheren Pendelkosten aufgezehrt, selbst wenn man in Schwarzenbek eine Wohnung von 90 Quadratmetern kauft und für Hamburg nur eine von 70 Quadratmetern ansetzt.
„Pendeln aber regelmäßig zwei Personen aus dem Haushalt, lohnt es sich fast nie, den längeren Weg hinzunehmen“, sagt Nitt-Drießelmann. Wenn der zusätzliche Zeitaufwand für die Arbeitswege gleich doppelt anfalle, werde er meist zu hoch.
Hamburger sollten nicht nur auf das Auto setzen
Die HWWI-Wissenschaftlerin warnt auch davor, bei längeren Anfahrtstrecken auf das Auto zu setzen: „Einen Umzug an einen weit von der Arbeit entfernten Ort ohne Schienenanbindung kann ich nicht empfehlen. Man sollte beim Immobilienerwerb immer auf 20 Jahre planen – und angesichts der Klima-Diskussion in der Politik glaube ich nicht, dass es die Pendlerpauschale noch 20 Jahre lang geben wird.“
Hingegen könne die geplante S-Bahn-Linie 4 zwischen Hamburg und Bad Oldesloe den Wert von Immobilien in den angeschlossenen Lagen steigern. Das sieht auch Trautmann so. Nach seiner Beobachtung sorgt in Umlandgemeinden eine Bahnanbindung generell für einen spürbaren Aufschlag auf die Immobilienpreise.
Entwicklung der Kaufpreise in Hamburg unklar
Schwer abzuschätzen ist, wie sich die Kaufpreise in Hamburg im Vergleich zu denen in entfernteren Orten in den nächsten Jahren weiterentwickeln. Zwar haben sich die Preise von Eigentumswohnungen und Häusern in der Hansestadt innerhalb der zurückliegenden zehn Jahre mehr als verdoppelt. Gegen Ende dieses Zeitraums verteuerten sich die Immobilien im Umland aber eher noch etwas kräftiger als die innerhalb der Stadtgrenzen.
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Tatsächlich gibt es in den kleineren Städten im Umfeld stellenweise erhebliches Steigerungspotenzial: Nach Angaben der Postbank zählt etwa Neumünster im Hinblick auf den Immobilienpreisanstieg 2020 zu den Top-10-Mittelstädten deutschlandweit – um inflationsbereinigt gut 13 Prozent hat sich dort der Quadratmeter Wohneigentum in nur zwölf Monaten verteuert.
Rückgänge bei Immobilienpreisen in Hamburg möglich
Allerdings mehren sich Warnungen, die lange Phase der Preiszuwächse am deutschen Immobilienmarkt könne bald zu Ende gehen, selbst Rückgänge seien möglich. Einer der Experten, die eine solche Auffassung vertreten, ist Jochen Möbert, Analyst bei der Deutschen Bank. In Hamburg könne der Preiszyklus sogar schon im kommenden Jahr enden, erwartet er, es könne dann zu Preisrückgängen von bis zu acht Prozent innerhalb weniger Quartale kommen.
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Damit stellt sich die Frage, ob unter solchen Bedingungen ein Immobilieninvestment in Hamburg besser abgesichert ist als eines im Umland – oder umgekehrt. Dies hänge davon ab, welcher Faktor letztlich das Zyklusende einläutet, sagt Möbert: „Ein Zinsschock dürfte tendenziell die Metropolen mehr treffen als die Metropolregionen. Sinkt aber die Nettozuwanderung nach Deutschland dauerhaft wie im Jahr 2020 und auch 2021, dann könnte die Preisdelle in den Metropolregionen stärker ausfallen als in den Metropolen.“
Immobilien Hamburg: Arbeitszimmer werden wichtiger
Eine solche Delle wird nach Einschätzung von Möbert allerdings nichts daran ändern, dass nicht jeder den Traum von deutlich mehr Wohnraum mit komfortablem Homeoffice verwirklichen kann: „Die Nachfrage nach Arbeitszimmern dürfte steigen, angesichts der Angebotsknappheit im Wohnungsmarkt dürften diese Wünsche aber oftmals unerfüllt bleiben.“