Berlin. Die Bürokratie hat in der Corona-Pandemie zugenommen. Die Wirtschaft ächzt unter den Kosten. Die Bürgerinnen und Bürger profitieren.
Einst wurden die Preußen für ihre Bürokratie und ihre Effizienz bewundert. Heutzutage dagegen beeindruckt die deutsche Bürokratie dagegen wenige. Im Gegenteil.
Tesla-Chef Elon Musk wetterte jüngst gegen das dicke deutsche Regelwerk und langwierige Genehmigungsprozesse, die den Bau seiner geplanten E-Auto-Fabrik in Grünheide ausbremsen. Er ist damit nicht alleine. Vielen Unternehmen und Bürgern raubt die Bürokratie den letzten Nerv.
Corona-Krise verursacht mehr Kosten für Bürokratie
Und nicht nur das: Sie kostet Zeit und Geld. Die Corona-Pandemie hat den bürokratischen Aufwand noch einmal verschärft: Faxende Gesundheitsämter, überforderte Verwaltungen, Antragsberge für Hilfszahlungen.
5,8 Milliarden Euro hat der einmalige Aufwand während der Pandemie die deutsche Wirtschaft gekostet – so viel wie noch nie. Das geht aus dem Jahresbericht des Normenkontrollrats (NKR) hervor, den das Beratergremium der Bundesregierung zum Bürokratieabbau am Donnerstag Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) übergab.
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Regelmäßige Belastungen nehmen weiter zu
Zwei Drittel der Kosten gehen laut des Berichts auf die Pandemie zurück, etwa für Arbeitsschutzmaßnahmen wie Masken und Testangebote, aber auch das Beantragen von Hilfen.
Immer teurer wird es auch bei den Belastungen, die regelmäßig anfallen. Sie sind laut des Berichts in den vergangenen zehn Jahren um rund 4,1 Milliarden Euro gestiegen. Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Rate mit rund 37 Millionen aber nur noch leicht an. Hierbei unterscheiden sich allerdings die neuen nationalen Gesetze und die Umsetzung der EU-Richtlinien.
In Deutschland gilt der Grundsatz, dass eine zusätzliche Belastung an anderer Stelle ausgeglichen werden muss (das sogenannte „one in one out“-Prinzip). Eine Ausnahme stellt aber die Umsetzung von EU-Vorgaben dar. So wäre die Belastung durch nationale Regelungen im vergangenen Jahr um mehr als eine halbe Milliarde zurückgegangen – tatsächlich stieg sie aber leicht um 37 Millionen Euro an. Das sorgt beim NKR für Kritik, das Gremium fordert, die sich auftuende „Realitätslücke“ zu schließen.
Verwaltung am stärksten von Bürokratie betroffen
War zuletzt vor allem die Wirtschaft hauptsächlich von den Kosten von neuen Regelungen betroffen, kehrt sich nun die Situation um. Die Kosten der Verwaltung explodierten regelrecht und schossen um rund 5,1 Milliarden Euro für regelmäßige Leistungen in die Höhe – fast eine Verdopplung im Vergleich zum Vorjahr.
Als Gründe nennt der NKR unter anderem das Gesetz zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung und die Grundrente. Aber auch die einmaligen Kosten sind so hoch wie seit zehn Jahren nicht mehr: Rund 10 Milliarden Euro kostete laut des NKR-Berichts die Bürokratie.
Allerdings ist das laut NKR weniger der Pandemie, als viel mehr der nun beginnenden Umstellung durch den neuen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter geschuldet. Hier schätzt der NKR die einmaligen Kosten auf 5,8 Milliarden Euro.
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Deutschland hinkt bei Digitalisierung hinterher
Entlastet werden könnte die Verwaltung durch einen höheren Digitalisierungsgrad. Doch hier hinkt Deutschland weiter hinterher. NKR-Vorsitzender Johannes Ludewig kritisierte vor allem die sperrigen Strukturen in der deutschen Konsensfindung. „Die Welt wartet nicht auf Deutschland, nur weil wir hier den Föderalismus haben“, sagte Ludewig.
Man sei im Entscheidungstempo und der Standardisierung nicht auf der Höhe der Zeit. „Deutschland, ist, denkt und handelt zu kompliziert“, fasste der NKR-Chef zusammen. Lesen Sie hier: Verwaltungsamt-Chef fordert Milliarden für IT-Fachkräfte
NKR-Chef hält Digitalministerium nicht für geeignete Lösung
Ein Digitalministerium, wie es viele Wirtschaftsverbände, aber auch Parteien fordern, hält Ludewig nicht für den entscheidenden Weg, um die Digitalisierung voranzubringen.
„Mehr Tempo in den Abstimmungsmechanismen zwischen Bund, Ländern und Kommunen sind wichtiger als die Frage, ob wir ein Digitalministerium bekommen“, sagte Ludewig. „Es ist eine Illusion zu glauben, dass ein Digitalministerium die Probleme lösen wird.“
Mehr Zeitaufwand, weniger Kosten für Bürger
Trotz aller Kritik kann das Beratergremium aber auch positive Nachrichten vermelden: Der bürokratische Aufwand der Bürgerinnen und Bürger ist in den vergangenen zehn Jahren laut des Berichts um rund 647 Millionen Euro zurückgegangen. Damit sind die Verbraucher die einzige Adressatengruppe, die tatsächlich entlastet wurde. Auch im vergangenen Jahr gingen demnach die Belastungen zurück – um 83 Millionen Euro.
Doch auch hier gibt es eine Einschränkung: Zwar wurden die Bürgerinnen und Bürger finanziell entlastet. Sie hatten aber einen größeren Zeitaufwand, um die gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen. Insgesamt seien 656.000 Stunden mehr als noch im Vorjahr zusammengekommen, schreibt das Gremium – das entspricht fast 75 Jahren. Lesen Sie hier: Warum das Digital-Dilemma der Polizei den Kriminellen hilft
Günstigerer TV-Anschluss und transparente Mobilfunkpreise
Dass die Bürgerinnen und Bürger finanziell trotzdem besser dastehen, verdanken sie laut dem NKR vor allem dem Telekommunikationsmodernisierungsgesetz.
Das neue Gesetz stärkt unter anderem Mieterinnen und Mieter. Häufig werden den Mieterinnen und Mietern Grundgebühren für Breitbandanschlüsse monatlich in Rechnung gestellt, unabhängig davon, ob sie diese überhaupt nutzen. Diese Vorgehensweise soll künftig verboten werden. Auch Mobilfunkpreise sollen transparenter werden. In Summe dürfte das Gesetz die Bürger pro Jahr um rund 148,8 Millionen Euro entlasten, schreibt der NKR.
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