Berlin. In Corona-Zeiten wird der Urlaub oft abgesagt. Doch die Veranstalter ignorieren häufig die Verbraucherrechte. Wie man sich wehren kann.

Auf die Kreuzfahrt rund um England und Irland hatte sich die Familie lange gefreut. Scones statt Franzbrötchen und sich an Bord den Salzduft der Nordsee um die Nase wehen lassen. Doch dann stiegen die Corona-Zahlen und die Reise wurde von Tui abgesagt. Nicht nur das: Anfang Juni hatte der Reiseveranstalter zugesagt, das Geld zu überweisen, doch die Familie aus Hamburg wartet bis heute auf die Erstattung.

Viele verhinderte Reisende stehen derzeit vor ähnlichen Problemen: Immer mehr Länder sind auf dem Höhepunkt der Urlaubssaison wieder zu Hochinzidenzgebieten geworden, und die Beschränkungen – hauptsächlich für Nichtgeimpfte – erschweren Ferienfreuden. Was sollten Kunden tun, die nicht reisen können oder wollen oder deren Buchung vom Veranstalter gekündigt wurde? Antworten auf wichtige Fragen:

Wann dürfen Urlauber Pauschalreisen kostenlos stornieren?

Grundsätzlich gilt: Eine kostenlose Stornierung von Pauschalreisen ist in der Regel möglich, wenn ein Land als Risikogebiet eingestuft wird. Verbraucher sollten sich dabei an den Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes orientieren, empfiehlt die Verbraucherzentrale Niedersachsen. Doch diese Einschätzung hat sich während der Pandemie verändert. Letztendlich ausschlaggebend für eine kostenlose Stornierung sei „die juristische Frage, ob außergewöhnliche, unvermeidbare Umstände vorliegen“, erklärt das Auswärtige Amt.

Mallorca ist bei deutschen Urlaubern beliebt, aber aufgrund der Corona-Pandemie bleiben bleiben aktuell viele Liegen leer.
Mallorca ist bei deutschen Urlaubern beliebt, aber aufgrund der Corona-Pandemie bleiben bleiben aktuell viele Liegen leer. © AFP | JAIME REINA

Wie ist diese Lage derzeit zu beurteilen?

Beispiel Spanien. In weiten Teilen gilt das Land Hochinzidenzgebiet, seit Sonntag sind lediglich Barcelona, Valencia, die Kanaren sowie die Regionen Kastilien-La Mancha und Asturien davon ausgenommen: Ergibt sich aus der Einstufung als Hochinzidenzgebiet das Recht, die Pauschalreise ohne Stornogebühren abzusagen? Das kann möglich sein.

Aber eine höchstrichterliche Entscheidung gibt es dazu noch nicht. Ob unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände vorliegen, wie es das Pauschalreiserecht vorsieht, ist umstritten. Eine Reisewarnung gilt als starkes Indiz für außergewöhnliche Umstände.

Vor der Pandemie bedeutete die Warnung de facto ein kostenloses Stornorecht. Als aber lange Zeit jedes Corona-Risikogebiet eine Reisewarnung bekam, änderte sich dieser Automatismus. Mittlerweile kommt es auch darauf an, ob die Warnung zum Zeitpunkt der Buchung bestand. Dann ergibt sich nach Ansicht mancher Gerichte nicht unbedingt ein kostenloses Rücktrittsrecht. Das Risiko war bekannt. Dieser Auffassung ist auch das Europäische Verbraucherzen­trum (EVZ) Deutschland.

Was heißt das konkret für Spanien?

Die Reisewarnung ist ein Indiz für außergewöhnliche Umstände, aber nicht das einzige. Die vom Gesetz geforderten unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstände müssen laut EVZ objektiv gegeben sein und auch zum Zeitpunkt der Reise bestehen. Entscheidend sei die Situation vor Ort.

Erster Faktor: Für Spanien wird nun formal erneut eine Reisewarnung ausgesprochen. Die Warnungen waren für einfache Risikogebiete aufgehoben worden, nicht aber für Hochinzidenzgebiete.

Zweiter Faktor: Ungeimpfte Urlauberinnen und Urlauber müssen laut der Einreiseverordnung der Bundesregierung mindestens fünf Tage in Quarantäne, wenn sie aus einem Hochrisikogebiet heimkehren. Die notwendige zweite Impfung, um diesem Szenario zu entgehen, lässt sich in der Regel auch nicht vorziehen. Und Kinder unter zwölf Jahren können sich ohnehin nicht impfen lassen.

Unterschied zwischen Risiko- und Hochinzidenzgebiet
Unterschied zwischen Risiko- und Hochinzidenzgebiet

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    Nach Ansicht des EVZ dürfte dieser Punkt aber nicht in die Beurteilung einfließen, weil die Quarantäne erst zu Hause ansteht. Es gibt aber auch Juristen, die in einer Quarantäne eine Störung der Geschäftsgrundlage nach Paragraf 313 BGB sehen. Hier bleibt abzuwarten, wie Gerichte das bewerten werden.

    Dritter Faktor: Angesichts der hohen Fallzahlen in Spanien besteht ein höheres Infektionsrisiko. Zudem führen die Behörden wieder strengere Maßnahmen ein. „Das sind alles Faktoren, mit denen Urlauber bei der Buchung ihrer Spanien-Reise noch nicht rechnen mussten“, sagt der Reiserechtler Paul Degott aus Hannover. Sich als Reiseveranstalter auf die bekannte Gefahr zu berufen, reicht seiner Ansicht nach nicht.

    Degotts Einschätzung: „Pauschalurlauber haben eher gute Chancen, kostenlos von ihrer Reise zurücktreten zu können.“ Das EVZ sieht das ähnlich: „Reisende können aus unserer Sicht kurz bevorstehende Pauschalreisen in Länder, für die eine Reisewarnung ausgesprochen wird, grundsätzlich unter Berufung auf außergewöhnliche Umstände kostenlos stornieren.“

    Anders beurteilt das der Deutsche Reiseverband: „Die Hochstufung eines Zielgebietes in ein Hochinzidenzgebiet begründet aus Sicht des Deutschen Reiseverbands nicht automatisch das Recht auf eine kostenlose Stornierung“, erklärt eine Sprecherin und verweist auf das Ausstehen eines höchstrichterlichen Urteils.

    Was passiert, wenn der Veranstalter die Reise absagt?

    Kann ein Veranstalter die Reise nicht wie geplant stattfinden lassen, muss er laut Verbraucherzentrale Niedersachsen die Kosten komplett zurückerstatten.

    Und wenn die Erstattung nicht kommt?

    Normalerweise muss das Geld innerhalb von 14 Tagen zurückgezahlt werden, sagt Thomas Laske, Jurist bei der Verbraucherzentrale Hamburg. Doch teilweise dauere es derzeit bis zu sechs Monate. Dabei helfe nur, den Veranstalter immer wieder auf die eigenen Rechte hinzuweisen, rät Laske. „Beharrlichkeit zahlt sich aus.“ Dafür gibt es Musterbriefe, die etwa der Automobilclub ADAC und die Verbraucherzentralen auf ihren Internetseiten zur Verfügung stellen.

    Wie sieht es mit Gutscheinen aus?

    Viele Reiseveranstalter und Fluggesellschaften vermittelten den Eindruck, als hätten Kunden nur die Wahl zwischen einem Gutschein und einer Umbuchung. Das ist laut Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) aber Verbrauchertäuschung. Tatsächlich sei der Erstattungsanspruch nach dem Gesetz vorrangig.

    Wie reagieren die Veranstalter?

    „Im Falle von Hochinzidenzgebieten bieten wir die Reisen weiter an und der Gast entscheidet, ob er reisen möchte oder das Angebot einer kostenlosen Umbuchung bzw. Stornierung nutzt und sich das Geld zurückerstatten lässt“, so Tui. Automatische Reiseabsagen erfolgten nur bei Virusvariantengebieten.

    Was sagen die Airlines?

    Ryanair versichert, sich an EU-Gesetze zu halten, wonach bei ausgefallenen Flügen je nach Wunsch der Passagiere eine Rückerstattung, Umbuchung oder ein Gutschein anfalle.

    „Wir erstatten die Flugtickets in der Regel innerhalb von sieben Tagen“, heißt es bei Easyjet: „Die überwiegende Mehrheit der Kunden kann ihre Buchungen online selbst verwalten und dort eine Umbuchung, einen Gutschein oder eine Rückerstattung beantragen.“ Alle Kunden, die aufgrund von Reisebeschränkungen nicht fliegen können – egal, ob Flüge gestrichen wurden oder weiter stattfinden –, könnten ihre Flüge umbuchen, einen Gutschein oder eine Rückerstattung erhalten.

    Bei Eurowings können Passagiere ihren Flug bis 40 Minuten vor Abflug umbuchen oder für Flüge mit Abflugdatum vor dem 31. August mit sieben Tagen Vorlauf einen Voucher anfordern.

    Wie läuft es bei Kreuzfahrten?

    „Wenn eine Reise aufgrund von Corona abgesagt werden muss, erhalten unsere Gäste den gezahlten Reisepreis zurück oder können auf eine spätere Reise umbuchen“, heißt es bei Hurtigruten. Die Rückerstattung erfolge in der Regel innerhalb weniger Wochen.

    Was gilt bei Individualreisen?

    Können Urlauber ihr Ziel wegen Reisebeschränkungen nicht erreichen, können sie nach deutschem Recht ihre Unterkunft stornieren und ihr Geld zurückverlangen. Eine Reisewarnung führt laut Verbraucherzentrale Niedersachsen aber nicht automatisch dazu, dass eine Unterkunft nicht erreichbar ist. Wurde bei ausländischen Anbietern gebucht, gilt in der Regel dortiges Recht.

    Hilft eine Reiserücktrittsversicherung?

    Die Versicherung schützt Reisende, die ihren Urlaub überraschend nicht antreten können, vor hohen Stornierungsgebühren. Allerdings kommt es auf den Grund an. Die Versicherung zahlt nicht, wenn etwa kurzfristig eine Reisewarnung für das Urlaubsziel ausgesprochen wird oder dort ein Lockdown inklusive Ausgangssperre angeordnet wird. Wer dennoch eine Versicherung abschließen möchte, sollte darauf achten, dass diese die Folgen einer Pandemie absichert.