Hamburg. Vegane Fast-Food-Kette expandiert in Hamburg und plant Franchisemodell. Wachstumsziele wurden durch Corona zunächst ausgebremst.
An der Westseite des Hamburger Hauptbahnhofes haben sich schon einige Gastronomiebetriebe angesiedelt. Gegenüber der Spitaler Straße gibt es Geschäfte des Kaffeeanbieters Starbucks, der Bäckerei Nur Hier, des Restaurants Havin Grill und der Frittenbude Pommes Freunde. In den Fenstern einer weiteren Ladenfläche kleben noch Hamburg-Motive und Sprüche wie „Herzlich willkommen in Hamburg“.
Topias Rohde weiß, wie es hinter den Scheiben aussieht. „Die Baustelle ist seit drei Wochen in Gange“, sagt der 38-Jährige. Nach der Übernahme eines veredelten Rohbaus kam ein Fettabscheider rein, der Fußboden und ein Teil der notwendigen Klempner- und Sanitärarbeiten wurden gemacht. Derzeit ziehen Trockenbauer Wände. Der große Tresen muss noch ein-, Lager und Kühlkette müssen aufgebaut werden. Es ist noch viel zu tun, aber Rohde und sein Geschäftspartner sind optimistisch. „Mitte September wollen wir unser fünftes Restaurant dort eröffnen“, sagt Kompagnon und Gründer Christian Kuper.
Gründer von Vincent Vegan verkauften zunächst aus einem Foodtruck
Als sich der Diplom-Kaufmann von seinem Job in einer Unternehmensberatung im Jahr 2013 ausgebrannt fühlte, schrieb er den Businessplan für eine vegane Burgerkette. Kuper nannte sie Vincent Vegan in Anlehnung an den Burger essenden Killer Vincent Vega aus dem Kultfilm „Pulp Fiction“. Zunächst verkauften sie aus einem Foodtruck heraus. Ende 2017 eröffneten sie ihr erstes stationäres Geschäft in der Europa Passage. Mittlerweile sind ein weiteres in Ottensen und zwei in Berlin hinzugekommen.
Lesen Sie auch:
- Hier leben Veganer am besten – Hamburg unter den Top Fünf
- Auch in Hamburg probieren immer mehr Menschen Veganismus aus
Mit der Filiale am Hauptbahnhof betreten sie nun Neuland. Erstmals liege das Geschäft nicht in einem Einkaufszentrum, sondern an einem Bahnhof mit einer Hochfrequenzlage, sagt Rohde. Für fünf Jahre habe man die 160 Quadratmeter große Fläche inklusive Küche, Lager-und Gastrofläche gemietet. Eine niedrige bis mittlere sechsstellige Summe investiere man.
Vertrag mit der Deutschen Bahn wurde im April geschlossen
Die Deutsche Bahn sei auf sie zugekommen, sagen die beiden Geschäftsführer der Hamburger Fast-FoodKette. Im April wurde der Vertrag geschlossen. Innen sollen 50 Gäste sitzen können – so viele wie in keinem anderen Restaurant von Vincent Vegan. Zudem könne man erstmals eine richtige Außenfläche bespielen. 25 bis 50 Sitzplätze sollen es auf dem breiten Bürgersteig des Steintorwalls sein. „Weil wir nicht mehr an die Öffnungszeiten eines Einkaufscenters gebunden sind, haben wir jetzt erstmals die Möglichkeit, in das Abendgeschäft hineinzugehen“, sagt Rohde. Wie lange geöffnet wird, ist noch offen.
„Das Team muss mindestens zehn bis zwölf Mitarbeiter haben“, sagt Rohde. Die Personalsuche läuft. Das Angebot bleibt wie gehabt. Auf der Karte stehen acht Burger sowie Nuggets und eine „Curry Vurst“ – natürlich alles vegan. Produziert werden die Brötchen, Patties und Soßen von Fremdfirmen nach Rezepten von Vincent Vegan. Zu den Verkaufsschlagern gehören der „Cheesy One“-Burger, „Kebab Fries“ und „Vish & Chips“. Zudem würden jetzt im Sommer Milchshakes und Softeis gut laufen, die aus Hafermilch hergestellt werden. Der Durchschnittsbon liege bei rund 11 Euro. „Zwei neue Produkte sind in der Pipeline“, sagt Rohde ohne konkret zu werden. Klar sei aber, dass künftig auch Kaffee angeboten werden soll.
Die wichtigsten Corona-Themen im Überblick
- Corona in Hamburg – die aktuelle Lage
- Die Corona-Lage für ganz Deutschland im Newsblog
- Interaktive Corona-Karte – von China bis Hamburg
- Überblick zum Fortschritt der Impfungen in Deutschland
- Interaktiver Klinik-Monitor: Wo noch Intensivbetten frei sind
- Abonnieren Sie hier kostenlos den täglichen Corona-Newsletter
- So wird in Deutschland gegen Corona geimpft
Die Pandemie stellte aber auch die beiden Gründer vor harte Herausforderungen. „Die vergangenen eineinhalb Jahre waren sehr schlauchend“, sagt Kuper. 2019 habe das Start-up einen Vorsteuergewinn ausgewiesen. Im Februar 2020 sei ein Rekordumsatz erzielt worden, den die beiden Unternehmer nicht beziffern wollen. Man befand sich nach eigener Auskunft in nahezu abgeschlossenen Gesprächen mit einem britischen Investor, durch den die weitere Expansion und der Einstieg in das Geschäft auf der britischen Insel gelingen sollte.
Auch große Burgerketten bieten vegane Produkte an
Doch dann kam Corona und der erste Lockdown. Das Geschäft platzte, weil die Investoren einen Einstieg in die Gastroszene scheuten. Anträge auf Kurzarbeitergeld und andere staatliche Hilfsgelder bestimmten das Geschehen. Nur die kaum von Touristen lebenden Geschäfte in Ottensen und an der Schönhausener Allee in Berlin, das während der Krise neu eröffnet wurde, waren auf.
„Die Leute, die vor Ort wohnten, haben bestellt und sind uns treu geblieben“, sagt Kuper. Lieferdienste stellten die Speisen und Getränke zu. Immerhin rund 70 Prozent des normalen oder geplanten Umsatzes sei dort erzielt worden. Nach der Wiedereröffnung stabilisierte sich der Erlös bis Oktober 2020 – ehe der zweite Lockdown kam. In diesen Monaten fehle zum Rekordumsatz vom Februar 2020 immer noch etwa zehn Prozent – obwohl man ein Geschäft mehr als damals habe.
Ermutigende Entwicklung
Die Entwicklung sei aber ermutigend. „Wir hoffen, dass es sich jetzt wieder belebt“, sagt Kuper: „Der Verlust im Jahr 2020 war immens. Auch 2021 wird ein sehr schweres Jahr werden.“ Mitgesellschafter Carsten Gerlach – Gründer von Joey’s Pizza Service (heute Domino’s) – habe das rund 35 Mitarbeiter große Unternehmen aufgefangen.
Jammern wollen die beiden Chefs nicht. „Im Prinzip geht es uns gut. Wir kennen Kollegen, die ihr Geschäft nicht mehr haben“, sagt Rohde. Und: Die Pandemie habe bei vielen Menschen das Nachdenken über Nachhaltigkeit und Ernährung verstärkt.
Neue Konkurrenz
„Wir haben viele neue Gäste, die bisher keine Veganer sind, sich nun aber mit dem Thema auseinandersetzen und wissen wollen, was es bei uns gibt. Das ist fantastisch“, sagt Rohde. Allerdings sind auch große Burgerketten auf den Zug aufgesprungen und bieten verstärkt Gerichte ohne tierische Produkte an. „Das ist für uns natürlich auf lange Sicht eine Konkurrenz“, sagt Kuper: „Aber im Moment positiv zu sehen, weil das Thema gehypt wird.“
Die aktuellen Corona-Fallzahlen aus ganz Norddeutschland:
- Hamburg: 2311 neue Corona-Fälle (gesamt seit Pandemie-Beginn: 430.228), 465 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (davon auf Intensivstationen: 44), 2373 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1435,3 (Stand: Sonntag).
- Schleswig-Holstein: 1362 Corona-Fälle (477.682), 623 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 39). 2263 Todesfälle (+5). Sieben-Tage-Wert: 1453,0; Hospitalisierungsinzidenz: 7,32 (Stand: Sonntag).
- Niedersachsen: 12.208 neue Corona-Fälle (1.594.135), 168 Covid-19-Patienten auf Intensivstationen, 7952 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1977,6; Hospitalisierungsinzidenz: 16,3 (Stand: Sonntag).
- Mecklenburg-Vorpommern: 700 neue Corona-Fälle (381.843), 768 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 76), 1957 Todesfälle (+2), Sieben-Tage-Wert: 2366,5; Hospitalisierungsinzidenz: 11,9 (Stand: Sonntag).
- Bremen: 1107 neue Corona-Fälle (145.481), 172 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 14), 704 Todesfälle (+0). Sieben-Tage-Wert Stadt Bremen: 1422,6; Bremerhaven: 2146,1; Hospitalisierungsinzidenz (wegen Corona) Bremen: 3,88; Bremerhaven: 7,04 (Stand: Sonntag; Bremen gibt die Inzidenzen getrennt nach beiden Städten an).
Mindestens 20 Filialen bis Mitte 2023 war einst die Zielmarke. Es hätte einige unterschriftsreife Verträge gegeben, auch Personal sei schon ausgewählt worden. Durch den geplatzten Einstieg des Investors und die Corona-Krise ist die geplante Expansion zunächst nach hinten verschoben worden – aber nicht ad acta gelegt.
„Auch der eine oder andere Flughafen wäre interessant“
„Wir wollen in Zukunft wachsen. Das wollen wir unter anderem mit Franchisepartnern schaffen, die zu uns passen und unsere Einstellung zum veganen Leben und Unternehmertum teilen“, sagt Kuper. Der 40-Jährige würde sich freuen, wenn Eigengewächse den Sprung zu neuen Ufern wagen – so wie es Kuper und Rohde mit dem neuen Restaurant gemacht haben.
„Mit dem Hauptbahnhof Hamburg hoffen wir, eine Tür geöffnet zu haben, um noch mehr mit der Bahn zu machen und weitere Geschäfte an Fernbahnhöfen eröffnen zu können“, sagt Kuper. Es gebe gute Gespräche. „Auch der eine oder andere Flughafen wäre interessant – aber das ist noch etwas weiter weg.“