Berlin/Rüsselsheim. Das Verbrenner-Aus kommt: Opel will als erste deutsche Marke nur noch Elektroautos bauen. Was hat Opel-Chef Michael Lohscheller vor?
Michael Lohscheller hat große Pläne. Nach der Sanierung des traditionsreichen Autobauers Opel will der Chef nun den Verbrennungsmotor schneller begraben als alle anderen deutschen Autohersteller. Und das, obwohl die Rüsselsheimer Stand heute bei der Elektromobilität kaum eine Rolle spielen. Die E-Versionen von Corsa und Mokka verkauften sich im ersten Halbjahr rund 7600-mal. Damit kommt in Deutschland gerade einmal jeder 20. neue Stromer von Opel.
„Opel wird 2028 in Europa rein elektrisch sein.“ So lautet das Ziel, das Lohscheller beim kürzlichen Elektromobilitätstag des Mutterkonzerns Stellantis ausgegeben hat. Schon das Logo der Marke, der seit 1963 verwendete Opel-Blitz, trage die Elektrifizierung quasi in sich. „Wir haben einen Blitz und ein Rad und bringen dies zusammen – den Opel-Blitz“, sagt Lohscheller.
Opel: Rückkehr nach China mit Elektroautos
Als Zwischenstation nennt er das Jahr 2024. Bis dahin werde die komplette Produktpalette unter Strom gesetzt – also mit reinem Batterieantrieb oder Plug-in-Hybrid, einer Kombination aus Verbrenner und Elektroantrieb. Es folgt die Wiedergeburt eines Kultobjekts. Lohscheller hat eine rein elektrische Neuauflage des Sportwagen-Klassikers Manta für die Mitte des Jahrzehnts angekündigt. Lesen Sie auch: Benzin, Fliegen: Was der Klimaschutz teurer machen wird
Und die Elektroautos will Opel auch wieder in China verkaufen – die frühere Konzernmutter General Motors (GM) hatte die deutsche Marke 2015 vom wichtigsten Automarkt der Welt genommen. Der neue Eigentümer Stellantis organisiert jetzt die Rückkehr.
Welche Auswirkungen hat der rasante Umbau von Opel?
Welche Auswirkungen der rasante Umbau des Herstellers zur Elektro-Marke auf die Werke und deren Belegschaften haben wird, ist bislang nicht bekannt. Dazu äußerte sich das Unternehmen auf Nachfrage nicht. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben in den vergangenen Jahren viel durchgemacht.
Lohscheller ist seit 2017 Chef von Opel. Nach dem Abschied von GM hat er die damals stark angeschlagene Marke stark saniert: Unrentable Modelle sind aus dem Sortiment geflogen, Tausende Mitarbeiter mussten gehen. 2019 schrieb der Hersteller erstmals seit 20 Jahren wieder schwarze Zahlen. Auch interessant: Klima: Deutsche Umwelthilfe zieht vors Bundesverfassungsgericht
Nun soll der Abschied von Benzin und Diesel bei Opel schneller gelingen als bei allen anderen deutschen Herstellern. Am weitreichendsten waren bislang die Pläne von VW. Volkswagen hatte kürzlich angekündigt, 2030 rund 60 Prozent der Fahrzeuge in Europa mit E-Antrieb zu verkaufen, ab 2035 nur noch elektrische.
EU will Autobranche strenge Klimaziele setzen
Damit hatte der zweitgrößte Autohersteller der Welt ein deutliches Zeichen in der Branche gesetzt, die gerade eine Abwehrschlacht gegen deutlich strengere Emissionsgrenzwerte für Neuwagen in Europa führt: Im Gespräch ist derzeit eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes um bis zu 60 Prozent gegenüber dem aktuellen Wert von maximal 95 Gramm Kohlendioxid je Kilometer. Die EU-Kommission will ihre mit Spannung erwarteten Vorschläge an diesem Mittwoch präsentieren.
Erfüllt Opel den selbst gesteckten Elektro-Plan, hätte diese Debatte für den Hersteller keine Konsequenzen mehr. Rund 30 Milliarden Euro steckt die Opel-Mutter Stellantis bis Mitte des Jahrzehnts nach eigenen Angaben in die Elektromobilität – das Geld fließt unter anderem in Standorte für die Batteriefertigung, etwa in Kaiserslautern, und gemeinsame Plattformen für unterschiedliche Modelle der Konzernmarken.
Stellantis ist zum Jahresanfang aus dem Zusammenschluss der französischen PSA-Gruppe um Peugeot, Citroen und Opel sowie Fiat-Chrysler (FCA) entstanden. Konzernchef Carlos Tavares will den Anteil emissionsarmer Fahrzeuge unter allen Marken bis zum Ende des Jahrzehnts von derzeit 14 auf 70 Prozent steigern. Lesen Sie auch: Klimaschutzgesetz: Warum die neue Zielsetzung nicht ausreicht
Bundesregierung fördert Kauf von E-Autos
Er kündigte an: Auch die US-Sportwagenmarke Dodge, bislang nicht gerade für Öko-Ambitionen bekannt, werde schon bald elektrische Muskelpakete und batteriegetriebene Pick-ups bauen.
Nach Tavares‘ Plänen sollen Elektroautos ab 2026 auch ohne staatliche Unterstützung nicht mehr teurer sein als herkömmliche Verbrenner. In Deutschland fördert die Bundesregierung den Kauf von Elektroautos mit bis zu 6000 Euro. Das milliardenschwere Programm wird in der Branche als Grund für den aktuellen E-Auto-Boom mit rasant steigenden Verkaufszahlen gesehen.
Im Juli waren erstmals mehr als eine Million E-Autos, also reine Elektroautos und Plug-in-Hybride, auf deutschen Straßen unterwegs. Weiterlesen: E-Autos: Wie Käufer von Rabatten und Prämien profitieren
Praxis-Test für Wasserstoff-Technik noch in diesem Jahr
Denkbar ist auch, dass Opel künftig nicht nur rein batterie-elektrische Autos baut. Noch in diesem Jahr soll eine Musterserie von 2000 Vivaro-Transportern mit Wasserstoff-Brennstoffzelle als Energiespender für den Elektromotor vom Band laufen. Wird der Wasserstoff mit Ökostrom erzeugt, ist auch dieser Antrieb emissionsfrei.
Bei dem Thema gibt Opel den Kurs für den ganzen Stellantis-Konzern an: In Rüsselsheim sitzt das Wasserstoff-Kompetenzzentrum. Kommen die Fahrzeuge gut an, könnten schnell Serienmodelle von Transportern und Kleinbussen folgen, sagte Lohscheller in einem Interview mit unserer Redaktion.
Selbst kritische Beobachter der Automobilindustrie können dem Strategie-Schwenk bei Opel etwas abgewinnen. „Mit einem Ausstieg aus dem Verbrenner in Europa im Jahr 2028 befindet sich Opel auf dem richtigen Weg, um die Erderhitzung auf 1,5 Grad zu begrenzen“, sagt etwa Greenpeace-Verkehrsexpertin Marion Tiemann. Sie betont jedoch, dass Verbrenner auch auf Märkten außerhalb des Heimatkontinents nicht mehr lange verkauft werden sollten.