Berlin. Deutschland mangelt es an Holz. Wirtschaftsminister Peter Altmaier will daher mehr Fichten fällen lassen – und sorgt für Irritationen.

Wer derzeit durch die deutschen Wälder streift, dem bietet sich vielerorts ein trostloses Bild. Abgestorbene Baumstümpfe säumen den Weg und geben den Blick frei auf riesige Schneisen, das Resultat von Dürren und der Borkenkäferplagen der vergangenen Jahre.

80,4 Millionen Kubikmeter Holz wurden im vergangenen Jahr in Deutschland geschlagen, so viel wie noch nie zuvor. Jeder zweite Baumstamm wies Schäden auf. Die rund 2000 Sägewerke in Deutschland laufen auf Hochtouren, um die Baumstämme zu verarbeiten.

Holzpreis ist in vergangenen Monaten explodiert

Bei einer solchen Menge an Holz könnte man davon ausgehen, dass der Rohstoff hierzulande billig sein müsste. Doch weit gefehlt. Der Holzpreis ist in den vergangenen Monaten regelrecht explodiert. Kostet der Meter Dachlatte normalerweise zwischen 50 und 80 Cent, sind derzeit drei- bis viermal so hohe Preise keine Seltenheit. Das kann beim Hausbau schnell einen Unterschied von mehreren Zehntausend Euro machen.

Ausgerechnet im so holzreichen Deutschland, wo ein Drittel der Gesamtfläche von Wäldern bedeckt ist, mangelt es an dem wichtigen Rohstoff. „Viele Bauunternehmen haben derzeit ernsthafte Beschaffungsprobleme auf dem Holzmarkt“, berichtet Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe (ZDB), unserer Redaktion.

Peter Altmaier will mehr Fichten fällen lassen

Erste Firmen müssen mittlerweile aufgrund des Materialmangels sogar Kurzarbeit anmelden – trotz voller Auftragsbücher.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) will nun gegensteuern. Im Wahljahr kann er es nicht gebrauchen, dass die gerade erst mit Milliardenhilfen wieder in Schwung gebrachte Wirtschaftsleistung erneut einbricht. Seine Idee: Es müssen mehr gesunde Fichten gefällt werden. Lesen Sie hier: Peter Altmaier im Interview: „Geimpfte werden mehr Freiheiten zurückerhalten“

Die Nachfrage nach Holz ist groß

Dass die Preise zuletzt derart explodierten, hat vielfältige Gründe. Zum einen ist die Nachfrage im Inland groß. Viele haben in der Corona-Krise den Heimwerker in sich entdeckt, die Schlangen vor den Baumärkten waren oft lang.

In den Klimaschutzplänen der Bundesregierung spielt die energetische Gebäudesanierung eine große Rolle, erste Bundesländer haben Förderprogramme für den Holzbau auf die Beine gestellt. Die Europäische Union dürfte mit ihrer geplanten Renovierungswelle die Nachfrage weiter anheizen.

USA und China kaufen auf dem europäischen Markt ein

Auch im nicht europäischen Ausland ist der Hunger nach dem Baustoff Holz groß. In den USA gibt derzeit einen regelrechten Hausbau- und Ausbauboom – und die Ein- und Zweifamilienhäuser bestehen in der Regel aus Holz. Allerdings ist der Rohstoff in den Staaten schwierig zu bekommen, insbesondere weil dem für die USA so wichtigen Importland Kanada in den vergangenen Jahren Waldbrände sowie eine Latschenkäferplage zugesetzt haben. Zudem hatte die Regierung von Donald Trump Strafzölle auf kanadische Holzeinfuhren verhängt. Deutlich günstiger kauft es sich in Europa ein.

Auch chinesische Firmen sind gerngesehene Kunden in Deutschland, rund jeder zweite exportierte Baumstamm ging im vergangenen Jahr nach China. Vor allem mit dem sonst schwer zu vermarktenden Schadholz finden die deutschen Forstbetriebe in chinesischen Firmen beliebte Abnehmer. Lesen Sie hier: Wollseifer: Kunden warten neun Wochen auf Handwerker

Betriebe dürfen derzeit weniger gesunde Fichten schlagen

Hohe Nachfrage im Inland, hohe Nachfrage im Ausland – für deutsche Firmen bleibt oft kein Holz mehr übrig. Altmaier ist aber vor allem eine Regelung ein Dorn im Auge, die erst seit April in Kraft ist: Betriebe mit gesunden Bäumen sollen bis Oktober ihre Hiebe um 15 Prozent reduzieren. So soll sichergestellt werden, dass auch Forstbetriebe mit einem hohen Schadholzanteil eine Chance haben, ihr Holz an die Sägewerke verkaufen zu können.

Die Solidarmaßnahme wurde vom Bundeslandwirtschaftsministerium und den Bundesländern umgesetzt. Altmaier will sie wieder rückgängig machen – und zwar „schnellstmöglich“, wie er in einem Maßnahmenpapier schreibt, das unserer Redaktion vorliegt und über das zuerst die „Rheinische Post“ berichtete. Lesen Sie auch: Dürre und Hitze: Kommt die Rettung für den Wald zu spät?

Landwirtschaftsministerium reagiert irritiert auf den Plan

Beim zuständigen Bundeslandwirtschaftsministerium reagiert man irritiert auf den Altmaier-Vorstoß. Die steigenden Holzpreise lägen nicht daran, dass Deutschland zu wenig Rohholz hätte. Im Gegenteil. „Aufgrund der gestiegenen Nachfrage kommen die Sägewerke mit der Arbeit nicht mehr hinterher, ihre Kapazitäten sind ausgelastet“, sagte eine Sprecherin unserer Redaktion.

In dieselbe Kerbe schlägt der Waldeigentümer-Verband AGDW. „Nach drei Dürrejahren sind noch immer rund 30 Millionen Festmeter Holz in den Wäldern, die dem Markt zur Verfügung stehen“, sagte AGDW-Hauptgeschäftsführerin Irene Seling unserer Redaktion. Da sich der Borkenkäfer bereits wieder ausbreite, werde in den kommenden Monaten mit hoher Wahrscheinlichkeit weiteres Schadholz hinzukommen. Lesen Sie hier: Cajus Caesar: Krankenkassen sollen Wellness im Wald zahlen

Arbeitgeberverbände begrüßen Altmaiers Vorstoß

Doch es gibt auch Befürworter. Zu ihnen gehört Denny Ohnesorge, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbands der Deutschen Holzindustrie (HDH). „Gerade jetzt, wo die Nachfrage nach Schnittholz hoch ist, sollten die Waldbesitzer selbst entscheiden können, ob und an wen sie ihr Holz verkaufen“, sagte Ohnesorge unserer Redaktion.

Waldbesitzer vor Ort könnten am besten entscheiden, was gut für den Wald sei. Gesunde Fichten zu ernten, könne zudem die Verjüngung der Wälder einleiten. Um dem Klimawandel begegnen zu können, brauche man beständige Baumarten.

Altmaiers Forderung könnte an einem technischen Detail scheitern

Die Bauwirtschaft geht mit dem Vorstoß pragmatisch um. „Es ist richtig, sich bei der Rohstoffversorgung wieder stärker auf den heimischen Markt zu konzentrieren und so die Abhängigkeit von globalen Lieferketten zu reduzieren“, sagte ZDB-Chef Pakleppa.

Am Ende aber könnte Altmaiers Vorstoß an einer technischen Hürde scheitern. Um die Maßnahme zurückzuziehen, müsste der Bundesrat zustimmen. Der nächstmögliche Termin wäre dafür der 17. September. 13 Tage später läuft die umstrittene Verordnung ohnehin aus.