Berlin/Brüssel. Beim Klimaschutz bei Gebäuden geht es in der EU nur langsam voran. Eine Studie zeigt nun Potenziale für eine Renovierungswelle auf.

Will Europa sein selbstgestecktes Ziel, bis 2050 klimaneutral zu werden, erreichen, dann muss sich einiges verändern, darin sind sich in Brüssel viele einig. Wo aber setzt man den Hebel an?

Die Autoindustrie hat sich bereits vorsorglich gegen zu strenge Vorschriften für Autos mit Verbrennungsmotoren positioniert, auch die Bauindustrie blickt mit Argusaugen nach Brüssel.

Einsparmöglichkeiten sieht die Europäische Union vor allem im Gebäudesektor. Die Kommission kündigte im vergangenen Oktober an, eine „Renovierungswelle“ starten zu wollen.

Klimapolitik der EU: 36 Prozent der Treibhausgase entfallen auf Gebäude

Immerhin entfallen 36 Prozent der Treibhausgasemissionen EU-weit auf Gebäude. Über 40 Prozent der Gebäude wurden vor 1960 gebaut, drei Viertel von ihnen gelten nach heutigen Standards nicht als energieeffizient. Bisher werden pro Jahr nur rund ein Prozent der Gebäude energetisch saniert – Potenzial ist also gegeben.

Im Gegensatz zu Deutschland, wo in diesem Jahr ein nationaler Emissionshandel mit einem Preis von 25 Euro pro ausgestoßener Tonne CO2 auf Gebäude eingeführt wurde, gibt es EU-weit keinen Emissionshandel für Gebäude.

Studie sieht im Emissionshandel große Potenziale

Dabei würde gerade eine solche Maßnahme helfen, die Klimaziele im Gebäudesektor am ehesten zu erreichen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Freiburger Denkfabrik Centrum für Europäische Politik (cep), die unserer Redaktion vorliegt.

„Durch ein Emissionshandelssystem wird die Nutzung fossiler Energien zur Heizung und Kühlung von Gebäuden verteuert. Dies schafft umfassende Anreize, zur Kosteneinsparung ihren Verbrauch und die damit verbundenen CO2-Emissionen zu senken“, heißt es in dem Papier.

Dies könne auf vielfältige Weise geschehen, etwa durch energetische Renovierungen, den vermehrten Einsatz erneuerbarer Energien oder das bewusste Energiesparen der Gebäudenutzer.

EU-Staaten gehen derzeit eigene Wege

Derzeit gehen die EU-Länder eigene Wege. In Frankreich dürfen ab 2028 beispielsweise schlecht isolierte Wohnungen nicht mehr vermietet werden. In Deutschland gilt seit diesem Jahr ein nationaler Emissionshandel von 25 Euro pro Tonne CO2. Heizöl und Erdgas sind seit Jahresbeginn teurer geworden.

Anstatt sich im Klein-Klein nationaler Regelungen zu verlieren, dringt das cep auf einen einheitlichen Emissionshandel. Beim Emissionshandel wird – vereinfacht gesagt – festgelegt, wie viele Tonnen CO2 innerhalb eines Wirtschaftsbereichs ausgestoßen werden dürfen.

Dafür werden Emissionsberechtigungen, also Zertifikate nötig. Wer viel CO ausstößt, braucht entsprechend viele Zertifikate. Wer kein Zertifikat erwirbt, aber dennoch CO2 emittiert, muss Strafzahlungen leisten. Mit einer zunehmenden Verknappung der Zertifikate wird der Anreiz immer größer, weniger CO2 auszustoßen.

Deutsche interessieren sich weiter für Öl und Erdgas

Aber ist die aktuelle deutsche Regelung wirklich ein großer Anreiz? Daran lässt zumindest eine Auswertung des Online-Produktvermittlers Aroundhome zweifeln. Das Portal hat rund 104.000 Anfragen zur Heizungsnutzung der Deutschen in den Jahren 2019 und 2020 ausgewertet.

Das Ergebnis: Aktuell heizen über 40 Prozent der Personen, die über eine Sanierung nachdenken, noch mit Öl. Obwohl ab 2026 Ölheizungen nicht mehr eingebaut werden dürfen, will auch künftig noch fast jeder Achte mit Öl heizen. Zudem will rund jeder Zweite künftig auf Erdgas setzen – auch hierfür fällt der CO2-Preis an.

Das „Vermieter-Mieter-Dilemma“

Ein weiteres Problem zeigt sich bei Mietwohnungen. Vom „Vermieter-Mieter-Dilemma“ spricht cep-Studienautor Martin Menner in der Analyse: Da der Mieter die Heizkosten trägt, hat der Vermieter keinen finanziellen Anreiz, die Wohnung zu modernisieren. Der Mieter wiederum kann den Vermieter nicht zu energetischen Sanierungen zwingen.

Das sorgt derzeit auch innerhalb der Bundesregierung für Streit. Nach aktueller Rechtslage darf der Vermieter den CO2-Preis vollständig an den Mieter weitergeben. Als ungerecht bezeichnet das der Deutsche Mieterbund, schließlich könne der Mieter nichts für die eingebaute Heizungsform.

Streit innerhalb der Bundesregierung

Der Mieterbund fordert, dass der Vermieter die Kosten tragen müsse. Die SPD-Minister in der Bundesregierung sprechen sich für ein Reform aus, fordern eine Aufteilung der Kosten auf Vermieter und Mieter. CDU und CSU lehnen das aber.

cep-Experte Mennel sieht beide Seiten in der Pflicht. Er spricht sich in seiner Analyse dafür aus, dass ein Teil der Heizkostenersparnis beim Vermieter bleiben muss, um so einen Anreiz für Investitionen in eine Renovierung zu geben.