Hamburg. Viele Banken verlangen „Verwahrentgelt“ für größere Beträge auf Giro- und Tagesgeldkonten. Welche Rechte Kunden haben.
Von Woche zu Woche trifft es immer mehr Privatkunden: Ihre Bank verlangt von ihnen einen Strafzins, verharmlosend „Verwahrentgelt“ genannt, wenn auf dem Giro- oder Tagesgeldkonto ein höherer Betrag liegt. Gerade bei älteren Kunden führt das häufig zu großer Verunsicherung. „Sie stehen der Situation oft hilflos gegenüber, fühlen sich von den Banken unter Druck gesetzt“, sagt Sandra Klug, Finanzexpertin der Verbraucherzentrale Hamburg, dem Abendblatt.
Nach Erhebungen des Finanzportals Biallo.de haben inzwischen mindestens rund 430 Geldhäuser einen Negativzins für Privatkunden eingeführt – das sind schon fast doppelt so viele wie noch im 2020. Zudem senken die Institute die entsprechenden Freibeträge immer weiter ab. So drückte die Haspa zum 1. Mai die Schwelle von zuvor 500.000 Euro auf nur noch 50.000 Euro, die Comdirect halbiert den Freibetrag zum 1. Juli auf ebenfalls 50.000 Euro.
Die wichtigsten Fragen und Antworten zu Negativzinsen und den Folgen für Bankkunden:
Warum muss man überhaupt Negativzinsen zahlen?
Die Banken begründen das damit, dass sie ihrerseits selbst Negativzinsen von 0,5 Prozent an die Europäische Zentralbank (EZB) entrichten müssen. Der Hintergrund: Bis zur Finanzkrise des Jahres 2008 zahlten die Kreditinstitute, wenn sie zusätzliche Liquidität für ihre Geschäfte benötigten, der EZB einen Zins dafür. Hatten sich die Geldhäuser mehr Liquidität besorgt, als dann tatsächlich benötigt wurde, konnten sie diese an andere Banken weiterverleihen – natürlich ebenfalls gegen einen Zins.
Seit der Finanzkrise ist dieser sogenannte Interbankenmarkt aber zusammengebrochen, weil sich die Institute untereinander nicht mehr vertrauten. Darum können sich die Banken bei der EZB nun – gegen gewisse Sicherheiten – so viel Geld leihen, wie sie wollen. Was sie davon nicht – zum Beispiel für die Kreditvergabe – benötigen, bleibt als „Überschussliquidität“ auf ihrem Konto bei der EZB. Hierauf fällt seit 2014 ein Negativzins an. Die Banken können das sogenannte „Zentralbankgeld“ nicht einfach auf ein Geschäftskonto überweisen und damit dem EZB-Negativzins entkommen.
Verdienen Banken sogar Geld mit den Strafzinsen?
Zwar ist es unstrittig, dass die Branche durch den von der EZB erhobenen Negativzins auf die Überschussliquidität belastet wird. So zahlten die deutschen Banken im vorigen Jahr etwa 2,7 Milliarden Euro dafür. Das ist aber nur ein Teil der Wahrheit. Denn in Kombination mit einer anderen Art der Geschäfte mit der EZB können die Geldhäuser sogar profitieren: Sie dürfen bei der Zentralbank mehrjährige Kredite (im Fachjargon unter dem Kürzel TLTRO bekannt) aufnehmen, für die sie nicht etwa Zinsen zahlen müssen, sondern bis zu 1,0 Prozent an negativem Kreditzins einstreichen.
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Natürlich will die EZB damit die Kreditvergabe der Banken an Unternehmen ankurbeln. Aber die Banken dürfen das Geld auch wieder zum Strafzins von 0,5 Prozent bei der EZB anlegen und die Differenz von bis zu 0,5 Prozent als Ertrag einbehalten. Wie das Branchenportal finanz-szene.de berichtet, hielten sich nach Berechnungen von Experten die positiven und die negativen Auswirkungen der EZB-Zinspolitik bei den deutschen Banken zuletzt ungefähr die Waage. Und selbst wenn man die TLTRO-Geschäfte nicht berücksichtige, gebe es etliche Banken, die mindestens so viel Geld durch die Strafzinsen ihrer Kunden einnähmen, wie sie selber an die EZB zahlten, so die Experten.
Wie profitieren Banken noch vom Negativzins?
Zumindest indirekt profitieren alle Banken von den Negativzinsen. Denn diese böten einen „wunderbaren Beratungshebel, um Kunden von der konventionellen Geldanlage weg zur Wertpapieranlage hin zu beraten“, heißt es vom Finanz-Verbraucherportal FMH.de – und das bringe dem Geldinstitut eine Provision für die Vermittlung der Anlage. Weil diese Empfehlung für viele Kunden allerdings eine sinnvolle Alternative darstellen könne, sehe man darin „nichts Verwerfliches“.
Von welchem Betrag an werden die Strafzinsen berechnet?
In der Regel gibt es für die Privatkunden der Geldhäuser einen Freibetrag von zum Beispiel 50.000 Euro. Das bedeutet, dass bei einem Kontostand von 60.000 Euro der Strafzins nur auf die 10.000 Euro oberhalb des Freibetrags anfällt. Abweichend von dieser üblichen Praxis verlangt jedoch die Oldenburgische Landesbank (OLB) bei einem Girokonto-Guthaben von mehr als 500.000 Euro einen Negativzins von 0,5 Prozent auf den gesamten Betrag. Die OLB arbeitet also nicht mit einem Freibetrag, sondern mit einer sogenannten Freigrenze.
Sind auch Strafzinsen auf Sparkonten zulässig?
„Wir sind der Auffassung, dass auf Sparkonten keine Negativzinsen berechnet werden dürfen“, sagt Verbraucherschützerin Klug. Mehrere Banken, darunter die Commerzbank und die Targobank, tun aber genau dies – zumindest für Neukunden. Etliche andere Institute wie die Deutsche Bank, die Postbank oder die Sparda Bank Hamburg bieten ein Sparbuch für Neukunden inzwischen gar nicht mehr an.
Gibt es noch Banken ohne Strafzinsen?
Es gibt sogar Banken, bei denen es noch einen positiven Zins auf das Tagesgeldkonto gibt. So zahlt laut einem Zinsvergleich von FMH.de die Bigbank aus Estland 0,4 Prozent, andere bieten zwischen 0,15 und 0,20 Prozent. Allerdings handelt es sich dabei meist um Finanzunternehmen, die ihren Sitz nicht in Deutschland haben und bei denen nur Sparbeträge bis zu 100.000 Euro gesetzlich abgesichert sind. „Größere Beträge sollten nur bei deutschen Banken und Sparkassen angelegt werden, die Spargeld in Millionenhöhe absichern“, heißt es dazu vom Verbrauchermagazin „Test“. Dort verweist man auf Ford Money, eine Online-Marke der Ford Bank. Sie ist Mitglied im Sicherungsfonds des Bankenverbands, die maximale Entschädigungssumme pro Person beträgt hier 50 Millionen Euro. Bei Ford Money kann man laut eigenem Internetauftritt derzeit bis zu einer Million Euro für 0,1 Prozent Zinsen auf dem Tagesgeldkonto anlegen.
Wie einfach ist der Wechsel zu einer anderen Bank?
„Ein Kontowechsel ist mit viel Aufwand verbunden“, sagt Klug. Die Banken müssten den Kunden aber beim Wechsel helfen, was zum Beispiel Daueraufträge angeht: „Die Verbraucher können die Banken ermächtigen, die relevanten Daten an den neuen Anbieter herauszugeben“, erklärt die Finanzexpertin. Dafür dürfen die Banken nach Vereinbarung auch Kosten erheben. Zudem müssen Kontodaten etwa bei Amazon, PayPal oder anderen Unternehmen durch die Verbraucher geändert werden.
Kann die Bank das Konto tatsächlich kündigen?
Sollten Kunden den neuen Geschäftsbedingungen nicht zustimmen, stehe den Banken ein ordentliches Kündigungsrecht zu, erklärt Verbraucherschützerin Klug: „Sie müssen aber eine angemessene Frist einhalten, damit man die Chance hat, ein neues Konto zu eröffnen und den ,Umzug‘ dorthin zu organisieren.“
In welchen Fällen kann sich der Kunde gegen Strafzinsen wehren?
„Die Anbieter dürfen nicht einfach ohne Vereinbarung Negativzinsen einbehalten“, so Klug. Laut einem Urteil des Bundesgerichtshofs (Az.: XI ZR 26/20) können Kunden, die der Einführung eines Verwahrentgelts nicht zugestimmt hatten und denen trotzdem Strafzinsen berechnet wurden, Schadenersatzansprüche stellen. Das Landgericht Tübingen hat außerdem entschieden, dass ein Entgelt für die Einlagenverwahrung bei einem Girokonto mit Kontoführungsgebühr nicht erlaubt ist (Az.: 4 O 225/17). Hierzu stehen Urteile von anderen Gerichten aber noch aus.