Hamburg. Ex-Schwimmstar Markus Deibler führt das Unternehmen nun allein. Die Eismanufaktur verbuchte durch Corona hohe Umsatzverluste.
Die Hamburger Eismanufaktur Luicella’s ist bekannt für ungewöhnliche Eissorten mit langen Namen. Vanille-Mohn-Pflaume und Kokos-Ananas-Limette-Rum stehen an diesem Tag auf der Tafel vor der neuen Filiale in der Schanze. Es gibt auch Schoko Deluxe, Franzbrötchen oder Zitrone – aber von den 24 Sorten in der Truhe haben 16 einen Bindestrich-Namen.
„Wir stehen für kreative und aufwendig produzierte Sorten“, sagt Luicella’s-Chef Markus Deibler. Mehr als 1000 unterschiedliche Geschmacksrichtungen sind in den acht Jahren seit der Gründung der Eismanufaktur schon entstanden. „Sie kommen und gehen“, sagt der 31-Jährige. Die Auswahl wechselt täglich. Wünsche kann man auf einer Tafel notieren. Neu in diesem Jahr sind zum Beispiel Erdbeer-Rhabarber oder Limette-Holunder-Minze.
Luicella’s-Chef war Schwimm-Weltmeister
Markus Deibler war mal Schwimm-Weltmeister auf der 100-Meter-Distanz, als Unternehmer setzt er auf die Langstrecke. Gerade hat er die siebte Luicella’s-Eisdiele in der Schanzenstraße eröffnet. „Wir haben den neuen Laden schnell aus dem Boden gestampft“, sagt er. Schon drei Wochen nach der Übernahme des ehemaligen Mobilfunk-Shops wurden die ersten Eiskugeln verkauft.
Um das zu schaffen, hat der Chef selbst mit angepackt und den Holztresen gezimmert. Handwerker sind im Moment schwer zu bekommen. Noch fehlen die Firmenschilder an der Fassade, der Verkaufsraum ist etwas behelfsmäßig eingerichtet, aber die Eistüte aus bunten Neonlampen – Markenzeichen der Kette – leuchtet. Und das Wichtigste: „Die Kunden sind vom ersten Tag an gekommen“, sagt Deibler. Und das, obwohl schräg gegenüber seit Jahren die „Eisbande“ ihre Kreationen, zumeist vegan und mit Sojamilch produziert, verkauft.
Neue Eisdielen in Hamburgs Szene-Stadtteilen
Eisliebhaber merken es schon länger, besonders in den Szene-Stadtteilen haben in den vergangenen Jahren neue kleine, inhabergeführte Eisdielen eröffnet. Sie heißen Milk Made, Frau Meis, Bitte mit Sahne oder Oehlers Eispatisserie. Laut Betriebsstatistik der Hamburger Handwerkskammer ist die Zahl der handwerklichen Speisehersteller zwischen 2009 und heute um neun auf 32 Betriebe gestiegen. Seit Anfang 2020 wurden fünf Neuzugänge verzeichnet. „Der Trend in den Quartieren geht klar zum Eis-Handwerk mit regionalen Produkten und unkonventionellen Eigenkreationen“, heißt es bei der Handwerkskammer. Insgesamt gibt es in Hamburg mehr als 200 Eissalons – statistisch sind das zwei Eisläden pro Stadtteil.
Nach Angaben des Bundesverbandes der deutschen Süßwarenindustrie (BDSI) aß jeder Bürger im vergangenen Jahr acht Liter Speiseeis. Das entspricht 114 Kugeln Eis pro Kopf. Im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019 verzeichnete die Branche erstmals wieder einen leichten Rückgang. Dieser, sagt BDSI-Geschäftsführer Ernst Kammerinke, habe wegen der Lockdown-Maßnahmen vor allem den Außer-Haus-Konsum betroffen. Das hinterließ Spuren beim Umsatz, der insgesamt um 8,1 Prozent auf knapp 2,4 Milliarden Euro zurückging.
Luicella’s nach Höhle der Löwen bekannt geworden
Trotzdem gibt es auch in diesem Jahr zahlreiche Neueröffnungen. Luicella’s ist in Hamburg inzwischen einer der größeren Anbieter. Der Schwabe Deibler hat seine Eismanufaktur 2013 gegründet. Anfangs parallel zu seiner Schwimmkarriere, aber schon mit dem Plan, aus dem Profisport auszusteigen. Damals war er 24 Jahre alt. Gemeinsam mit Geschäftspartnerin Luisa Mentele baute der studierte Wirtschaftsingenieur Luicella’s Ice Cream auf.
Die Co-Gründerin, die im italienischen Bologna ihre Kenntnisse der Eisfabrikation erworben hatte, war maßgeblich für die Entwicklung der Eissorten zuständig und steuerte ihren Spitznamen als Firmennamen bei. Bundesweit war Luicella’s nach einem Auftritt in der TV-Gründershow „Die Höhle der Löwen“ bekannt geworden, bei der die beiden Jungunternehmer einen Deal mit Investor Frank Thelen gemacht hatten und ihnen damit der Eintritt in die Eistruhen der Supermärkte gelang.
Luicella’s baute Eis-Imperium in Hamburg auf
Aus der winzigen Eisdiele auf St. Pauli ist inzwischen ein kleines Eis-Imperium geworden. Sechsmal gibt es Luicella’s inzwischen in Hamburg, einmal in Lübeck. 2019 und 2020 ist das Filialnetz um jeweils zwei neue Läden im Jahr gewachsen, darunter die großen Standorte am Grindelhof und an der Osterstraße.
In diesem Jahr soll es bei dem einen in der Schanze bleiben. Namensgeberin Luisa Mentele ist nach der Elternzeit Anfang des Jahres komplett bei Luicella’s ausgestiegen und arbeitet jetzt beim Steuerberaterbund Niedersachsen als Veranstaltungsreferentin. Deibler führt das Unternehmen nun allein. „Luicella’s ist nicht auf einem Riesen-Expansionskurs“, sagt er. „Wir machen was Neues, wenn es passt.“ Den Plan, 2021 mit einer Filiale in der Spitalerstraße auch in die Innenstadt zu gehen, hat der Eismacher fallengelassen. „Das war wegen Corona ein zu heißes Ding.“
Lockdown führte zu Ausfällen für Luicella’s
Schon der erste Lockdown im Frühjahr 2020 hat Luicella’s zu schaffen gemacht, dann kam die Schließung der Innengastronomie ab November. „Wir konnten zeitweilig auch keine Eis-Workshops anbieten.“ Dazu die Abstandsregeln, die den Außer-Haus-Verkauf erschweren. Auf „eine sechsstellige Summe“ beziffert Deibler den Ertragsausfall durch die Pandemie insgesamt. „Wir haben zwar eine Versicherung, aber die weigert sich bislang zu zahlen“, sagt der Geschäftsmann.
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Zwar sei eine Pandemie als Grund für Ertragsausfälle ausdrücklich in der Police genannt, aber nicht der spezielle Fall Corona. Jetzt wartet Deibler dringend auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs. „Wenn die Richter für uns Gastronomen entscheiden, werden wir unsere Ausfälle einklagen.“ Auch staatliche Hilfe habe er außer dem Kurzarbeitergeld nicht erhalten. „Da gibt es vieles, was ich nicht verstehe“, sagt er.
Investor Frank Thelen ausgestiegen
Trotzdem ist er optimistisch. „Wir haben glücklicherweise starke Partner an Bord.“ Investor Frank Thelen, der 2017 mit 120.000 Euro für 20 Prozent der Anteile bei den Hamburger Eismachern eingestiegen war, ist seit Anfang des Jahres nicht mehr dabei. „Es war eine gute Zeit“, sagt Luicella’s-Geschäftsführer Markus Deibler.
Aber Thelen konzentriere sich mit seinem Team inzwischen auf Tech-Firmen. „Das passte nicht mehr.“ Deibler, der ein Drittel der Anteile hält, holte neben Unternehmer Ulrich Oldehaver als neue Investoren Robin Frenzel und Christian Strohmann in die Firma mit einem siebenstelligen Jahresumsatz. Aktuell beschäftigt Luicella’s 100 Mitarbeiter, die allermeisten im Verkauf als Minijobber. Probleme, Personal zu finden, gebe es nicht, sagt der Firmenchef.
Luicella’s erhöhte Eispreise in Hamburg
Jetzt geht es mit voller Kraft in die Sommersaison. Denn auch wenn Eisdielen während des Lockdowns öffnen konnten, hat das mäßige Wetter im Frühjahr den Betrieben zu schaffen gemacht. „Wir hatten noch bis in den Mai teilweise geschlossen, weil es sich nicht gelohnt hat.“ Als eine Konsequenz hat Luicella’s Ende Mai die Preise erhöht. Eine Kugel kostet jetzt 1,80 Euro, das entspricht einem Plus von zwölf Prozent. Ganz schön happig, werden viele sagen. „Es ist seit vier Jahren die erste Preiserhöhung“, hält Deibler dagegen und begründet das auch mit Kostensteigerungen bei den Rohstoffen.
„Wenn ich die Wahl habe, bei der Qualität Abstriche zu machen oder die Preise zu erhöhen, dann weiß ich, wie ich mich entscheide.“ Die meisten Kunden hätten verständnisvoll reagiert. „Reich wird man mit Eis nicht“, sagt der Vater eines zehn Monate alten Sohnes, der mit seiner Familie in Niendorf lebt. Das sei auch nicht der Grund, aus dem er das mache. „In unsere Läden kommen nur Menschen, die gut drauf sind, freie Zeit haben und sich mit einem Eis eine Auszeit gönnen wollen. Es ist ein Gute-Laune-Job. Was kann es Besseres geben?“