Hamburg. Das aus “Die Höhle der Löwen“ bekannte Start-Up Kulero produziert Löffel aus Teig: Wer außer Markus Deibler schon zu den Kunden gehört.

In der Eistruhe von Luicella’s in der Osterstraße ist die Auswahl groß. Im Angebot sind neben gängigen Klassikern auch ausgefallene Geschmacksvarianten wie Avocado, Himbeer-Rosmarin oder Aprikose mit Schmand. Damit nicht genug. Jetzt kann man auch noch entscheiden, ob man zum Eisbecher statt eines Löffelchens aus (kompostierbarem) Kunststoff eines zum Aufessen nimmt.

Umweltverträglichkeit spielt für uns eine wichtige Rolle“, sagt Luicella’s-Inhaber Markus Deibler. Deshalb hat der ehemalige Schwimmprofi, der sich 2013 mit der Eismanufaktur selbstständig gemacht hat und inzwischen sechs Läden betreibt, beschlossen, es mit der Alternative zu Einwegplastik zu versuchen.

Essbare Löffel aus Teig statt Plastik

Motto: Wegknabbern statt wegwerfen. Seit einigen Wochen stehen auf der Theke seines Eimsbüttler Salons Eisspatel aus gebackenem Teig. „Die mit Schokogeschmack haben mich überzeugt“, sagt der Unternehmer, angelt sich eins aus dem Glas und beißt ab. Man muss sich das nachhaltige To-go-Besteck wie einen sehr harten Keks vorstellen.

Produziert wird es vom Göttinger Start-up Kulero, das mit essbarem Besteck den wachsenden Plastikverbrauch eindämmen will. Die Idee war 2017 in Indien entstanden. Damals hatte Gründer Hemant Chawla auf einem Festival ein Reisgericht bestellt. Weil der Stand keine Löffel mehr hatte, musste er improvisieren. Er benutzte einfach ein Stück Brot zum Essen – und sparte so auch noch Müll. Aus der Notlage machte der Kaufmann ein Geschäftsmodell. Gemeinsam mit einem Freund backte er in seiner Küche die ersten Löffel aus Teig und baute eine kleine Produktion in seiner Heimat auf.

Mehr als 20 Millionen Plastiklöffel durch Zero-Waste-Produkte ersetzt

Inzwischen vertreibt der 25-Jährige mit seiner Geschäftspartnerin Juliane Schöning, die er ein Jahr später bei einem entwicklungspolitischen Seminar in der Nähe von Kassel kennenlernte, auch in Deutschland essbare Löffel in klein und groß. Insgesamt hat Kulero nach eigenen Angaben schon mehr als 20 Millionen Plastiklöffel durch seine Zero-Waste-Produkte ersetzt.

Wobei der Hauptmarkt Indien ist. Das soll sich ändern. Kulero hat ehrgeizige Ziele. In diesem Jahr will das Start-up den Umsatz aus 2020 verfünffachen – vor allem hierzulande. „Wir wollen die Millionenmarke knacken“, sagt Juliane Schöning. Noch ist es ein Nischenmarkt, aber er eröffnet enorme Absatzchancen.

Seit 1994 hat sich das Abfallaufkommen um mehr als 100 Prozent erhöht

Allein in Deutschland werden nach Daten des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) jedes Jahr 2,1 Milliarden Teile Einwegbesteck verwendet. Seit 1994 hat sich das Abfallaufkommen demnach um mehr als 100 Prozent erhöht. Zuletzt hat die Corona-Pandemie den Trend für To-go-Essen und Bringdienste deutlich verstärkt. „Plastikmüll ist ein riesiges Pro­blem, das wir alle verursachen“, sagt Juliane Schöning.

„Essbares Besteck ist eine einfache Lösung, die jedem einleuchtet.“ Die 27-Jährige ist studierte Indologin, gemeinsam mit Chawla hatte sie 2019 die Kulero GmbH gegründet. Bei der Namensfindung griff das Gründerduo auf die Kunstsprache Esperanto zurück, in der Kulero für Löffel steht.

Neue Innovationen in dem Bereich sind begehrt

Mit Kapital aus einer Crowdfunding-Kampagne starteten die Jungunternehmer, fanden zusätzlich zu einem Hersteller in Westindien einen Keksbäcker in Baden-Württemberg und verkauften die ersten Kulero-Löffel an Eisdielen, Foodtrucks und an Abnehmer im Lebensmitteleinzelhandel. Dabei hilft ihnen, dass in der Europäischen Union von Juli an Einwegprodukte aus Plastik, darunter Besteck, Trinkhalme, Kaffeebecher und eben auch Eisspatel verboten sind. Inzwischen gibt es Alternativen aus Holz, Glas oder Pappe.

So sieht
einer der
essbaren Löffel von
Kulero aus.
So sieht einer der essbaren Löffel von Kulero aus. © Unbekannt | Roland Magunia

Wie begehrt neue Innovationen in dem Bereich sind, zeigte sich jüngst bei der TV-Gründershow „Die Höhle der Löwen“. Dort hatten Chawla und Schöning ihr Produkt vorgestellt. Zehn Prozent der Anteile an ihrem Zwei-Personen-Start-up hatten sie für 200.000 Euro angeboten – gleich drei Investoren bissen an.

Harter Verhandlungskrimi

Nach einem harten Verhandlungskrimi mit mehreren Beratungsauszeiten, den knapp zwei Millionen Zuschauer verfolgten, hatte Löwin Dagmar Wöhrl schließlich den Deal mit den selbstbewussten Jungunternehmern gemacht. Aber: Schon am Abend der Ausstrahlung verbreitete die Familienunternehmerin, dass es nie zu einer Zusammenarbeit gekommen sei.

Es folgte eine schlagzeilenträchtige Schlammschlacht. Wöhrl, sonst eher für konstantes Lächeln bekannt, erhob den Vorwurf, die Kulero-Gründer seien nie an einem Deal, sondern nur an einem medienwirksam Fernsehauftritt interessiert gewesen.

Kulero ist auf Expansionskurs

„Stimmt nicht“, kontert Geschäftsführer Hemant Chawla gegenüber dem Abendblatt. Nach der Aufzeichnung im März 2020 haben die Corona-Pandemie und der Lockdown die Rahmenbedingungen komplett über den Haufen geworden. „In einer Zeit, in der sich so viel ändert, wollten wir uns nicht fest binden.“ Schon jetzt aber steht fest, dass die Show die Bekanntheit von Kulero deutlich gesteigert hat. Mehrere Tausend Bestellungen seien im Onlineshop eingegangen, so die Geschäftsführerin. Zudem gebe es etliche Anfragen aus Gastronomie und Handel.

Lesen Sie auch:

Kulero ist auf Expansionskurs – und wieder auf der Suche nach einem Investor. Schon im vergangenen Jahr hatten sich Schöning und Chawla nach neuen Geschäftsfeldern umgesehen, um die coronabedingten Ausfälle in der Gastronomie zu kompensieren. Unter anderem hatte eine psychiatrische Klinik aus dem Rheinland bei den Teig-Löffel-Herstellern angefragt, die nach einer verletzungsarmen Alternative zum Krankenhausbesteck suchten.

Seit September 2020 gibt es die Kulero-Löffel auch im Lebensmittelhandel

Auch Justizvollzugsanstalten, etwa in Lübeck und Celle, bestellen bei den mehrfach ausgezeichneten Göttingern. Aktuell bieten sie ihre Löffel, die aus verschiedenen Getreidemehlsorten wie Hafer, Gerste und Kichererbsen bestehen, in vier Geschmackssorten an: Klassik, Pfeffer, Marsala und Kakao. Das Unternehmen verspricht eine Mindeststabilität von 30 Minuten – bei heißen Suppen, Joghurt, Salat oder Müsli ist das nicht ganz unwichtig. Die Eislöffel sind zudem glutenfrei, vegan, ohne Industriezucker und auch in Bio-Qualität erhältlich.

Seit September 2020 gibt es die Kulero-Löffel auch im Lebensmittelhandel, in Hamburg etwa bei Rewe Axel Flentje in Langenhorn und Ochsenzoll und im Edeka Center St. Pauli in der Rindermarkthalle sowie in verschiedenen Famila- und Markant-Märkten. Eis Jacobs in Harburg gehört zu den Stammkunden sowie Eisdielen in Eimsbüttel und Winterhude.

Die nachhaltige Lösung hat ihren Preis

Die nachhaltige Lösung hat allerdings ihren Preis. Für Privatkunden gibt es auf der Internetseite des Unternehmens aktuell ein sogenanntes Löwenpaket mit 46 Löffeln zum reduzierten Preis von 14,99 Euro – das sind 32 Cent pro Löffel. Der reguläre Preiss beträgt demnach 23,99 Euro.

Und Kulero ist nicht der einzige Hersteller. Seit 2018 sind zum Beispiel die Gründerinnen Amelie Vermeer und Julia Piechotta aus Heidelberg mit ihrem Start-up Spoontainable auf dem Markt. Für die Produktion verwenden die beiden Fasern von Kakaoschalen oder Hafer. Mit ihrer nachhaltigen Plastikalternative haben sie es in ein Start-up-Programm der Discounterkette Aldi geschafft.

Im Onlineshop kostet eine Dose mit 35 Spoonies mit Schokoladengeschmack aktuell 6,25 Euro, also knapp 18 Cent pro Löffel. Dass es bei den essbarem Besteck um einen zukunftsträchtigen Markt geht, zeigt auch, dass der Kuchenproduzent Coppenrath in das Geschäft eingestiegen ist.

Kulero hat inzwischen auch Schalen und Trinkhalme im Programm

Kulero hat inzwischen auch Schalen und Trinkhalme im Programm, die von einem Kooperationspartner produziert werden. Gerade arbeiten Chawla und Schöning an neuen Produkten, bei denen sie auch verstärkt auf Rohstoffe wie Haferschalen setzen, die sonst nicht weiter- verwertet würden. Demnächst soll es auch Pommesspieker und Löffelgabeln etwa für Salate sowie Rührstäbchen für Heißgetränke geben, so Geschäftsführerin Juliane Schöning. Auch weitere Geschmacksrichtungen seien geplant. Dabei geht es mit einem neuen Partner auch darum, die Produkte günstiger anbieten zu können.

Das ist auch ein Thema für Luicella’s-Chef Markus Deibler in Hamburg. Bei ihm kostet der Eisgenuss mit essbarem Löffelchen 20 Cent extra. Trotzdem hat in den vergangenen Wochen schon jeder 50. Kunde einen Kulero-Eisspatel gewählt. „Es wird gut angenommen“, sagt der Eis-Unternehmer, der 2017 selbst mit seinem Start-up bei der „Höhle der Löwen“ war und damals einen Deal mit Investor Frank Thelen gemacht hat. „Wenn es funktioniert, werden wir das Angebot auf alle Läden ausweiten.“