Berlin. Die Inflation in Deutschland hat im Mai kräftig angezogen. Wie sich die steigenden Verbraucherpreise auf das eigene Konto auswirken.

Die Friseurinnen und Friseure gehörten zu den ersten Berufsgruppen, die nach den Lockdowns ihre Geschäfte wieder öffnen durften. Schon im vergangenen Jahr, als es im Mai nach den ersten Lockdown-Wochen wieder losging, stellte mancher Kunde fest, dass die Preise angezogen hatten. Und spätestens nach dem zweiten Lockdown in diesem Jahr machen sich in den Salons vielerorts höhere Kosten bemerkbar.

Im Vergleich zum Vorjahr kostet der Friseurbesuch oder andere Dienstleistungen der Körperpflege im Durchschnitt 6,1 Prozent mehr, wie das Statistische Bundesamt zuletzt im April ermittelte. Es ist nicht der einzige Bereich, in dem Verbraucher tiefer als bisher in die Tasche greifen müssen.

2,5 Prozent mussten Verbraucherinnen und Verbraucher im Mai für Waren und Dienstleistungen mehr zahlen als noch vor einem Jahr. Das geht aus der ersten Schätzung des Statistischen Bundesamtes hervor, die die Wiesbadener Behörde am Montag bekanntgab. Gegenüber dem April zogen die Preise um 0,5 Prozent an, es ist der fünfte Anstieg in Folge. In der Eurozone stieg die Inflationsrate mit 2,0 Prozent über das Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB). Höher hatte die Inflation zuletzt nur im Oktober 2018 gelegen. Das geht aus Daten hervor, die die Statistikbehörde Eurostat am Dienstag veröffentlichte.

Nicht nur beim Friseurbesuch machen sich die höheren Preise bemerkbar. Wer derzeit beispielsweise versucht, einen Mietwagen für den Sommerurlaub zu ergattern, muss an einigen Urlaubsorten bereits ein Vielfaches des Vorjahrespreis zahlen. Und hierzulande ist der Sprit an den Tankstellen deutlich teurer als im Vorjahr.

Der Friseurbesuch, die Urlaubsreise und der Sprit an den Tankstellen – es sind keine Ausnahmen. Viele Produkte sind binnen eines Jahres deutlich im Preis gestiegen. Und so kehrt ein Phänomen zurück, was in den vergangenen zehn Jahren fast schon überwunden schien: die Inflation.

Steigende Verbraucherpreise, zugleich aber fast gar keine oder sogar Negativzinsen auf klassischen Spareinlagen – Sparern droht eine deutliche Verringerung der Kaufkraft, sollte die Inflation tatsächlich stark anspringen. Unsere Redaktion beantwortet die wichtigsten Fragen.

Inflation: Ist der aktuelle Anstieg der Verbraucherpreise besorgniserregend?

Durchschnittlich zahlten Verbraucherinnen und Verbraucher für Produkte aller Art, von Lebensmitteln über technische Geräte bis hin zu medizinischen Behandlungen, im Mai 2,5 Prozent mehr als noch vor einem Jahr. Eine so hohe Inflationsrate hatte es seit Oktober 2018 nicht mehr gegeben - nimmt man die nachträglich bereinigten Zahlen zu Grunde, dann ist es sogar die höchste Inflationsrate seit September 2011.

Nachdem die Verbraucherpreise im vergangenen Jahr unter anderem durch die Senkung der Mehrwertsteuer teils stagnierten und teils sogar sanken, steigen sie seit Jahresbeginn kontinuierlich an.

Müssen sich die Verbraucherinnen und Verbraucher nun Sorgen machen, dass die Inflation nun dauerhaft stark steigt, ihr Geld also entwertet wird? „Die hohen Inflationsraten sind auf vorübergehende Effekte zurückzuführen“, sagte Michael Hüther, Direktor des des arbeitgebernahen Instituts deutschen Wirtschaft aus Köln (IW), unserer Redaktion. „Es gibt immer noch ein Nachruckeln der Lieferketten und dadurch in vielen Bereichen eine Verknappung von Gütern.“

Verschärfen könnte sich die Situation im Sommer. Denn bei der Inflationsrate wird als Vergleichswert des Vorjahresmonats herangezogen. Da im vergangenen Jahr die Mehrwertsteuer gesenkt war, dürfte die Inflation im zweiten Halbjahr umso stärker ausfallen. IW-Chef Hüther hält daher auf Jahressicht eine Inflation von drei Prozent für möglich. Ab dem kommenden Jahr rechnet der Ökonom mit einer Normalisierung.

Ähnlich sieht das Silke Tober, Leiterin des Referats Geldpolitik am arbeitnehmernahen Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK). Auch sie rechnet ab Sommer mit einem weiteren Anstieg der Inflation, auf Jahressicht mit einer Rate von rund zweieinhalb Prozent. „Die dabei zum Ausdruck kommenden Basiseffekte fallen allerdings im kommenden Jahr weg, sodass die Inflationsrate dann sogar wieder unter zwei Prozent liegen dürfte“, sagte Tober unserer Redaktion.

Wirtschaftsweise warnen vor Folgen der lockeren Geldpolitik

Allerdings gibt es auch Warnungen. Volker Wieland ist Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, der die Bundesregierung berät und deren Mitglieder umgangssprachlich als „Wirtschaftsweise“ bezeichnet werden. Auch Wieland rechnet damit, dass die Inflation aufgrund temporärer Effekte steigen wird. Allerdings können auch temporäre Effekte dauerhaft wirken, wenn die Geldpolitik zu lange so locker bleibt wie jetzt. Das kann Anlass zur Sorge geben“, sagte Wieland unserer Redaktion.

Er rechnet damit, dass die Europäische Zentralbank (EZB) Schwierigkeiten haben wird, die Geldpolitik zu straffen. „Grund sind insbesondere die stark gestiegenen Staatschulden. Da muss die EZB mit kräftigem, politischem Gegenwind rechnen, wenn sie Anleihekäufe stoppen und Notenbankzinsen erhöhen will“, sagte Wieland. Das Risiko, dass die Inflation in Deutschland auf Jahressicht höher als bei den bisher vom Sachverständigenrat prognostizierten 2,1 Prozent liegt, sei „deutlich angestiegen“, sagt der „Wirtschaftsweise.“

Inflation ist man in Deutschland schon lange nicht mehr gewohnt. Zwischen 2009 und 2019 lag die Inflationsrate im Schnitt bei 1,25 Prozent. Im vergangenen Jahr lag sie nur noch bei 0,5 Prozent.

Eine leichte Inflation muss allerdings nicht schlecht sein, im Gegenteil. Unternehmen investieren mit der Aussicht auf steigende Preise, bei Arbeitnehmern, insbesondere in Tarifverhältnissen, setzen Vertreter wie Gewerkschaften oftmals höhere Löhne durch. Die Gefahr einer Hyperinflation hält Ökonomin Tober nicht für gegeben. Sie rechnet damit, dass die Inflation im Euroraum unter der Zwei-Prozent-Marke bleiben wird.

Die Inflation darf aber nicht zu stark ausfallen, da ansonsten die Kaufkraft der Verbraucher rapide sinkt und das Armutsrisiko steigt. Zugleich darf sie nicht zu niedrig sein, um nicht in die Gefahr zu laufen, in eine Deflation abzurutschen. Die Europäische Zentralbank (EZB) strebt für den Euroraum eine mittelfristige Inflationsrate knapp unter zwei Prozent an.

Inflation: Was passiert mit dem Geld auf dem Sparbuch?

Klassische Finanzprodukte wie Sparbücher, aber auch Giro-, Tagesgeld- oder Festgeldkonto werfen kaum noch Zinsen ab. Immer häufiger muss man für deren Nutzung sogar noch Strafzinsen zahlen. Steigen die Preise für Güter und Dienstleistungen, während es auf dem Konto keine Zinsen mehr gibt und das eigene Vermögen konstant bleibt, nimmt die Kaufkraft sukzessive ab. Bei einer konstanten Inflationsrate von drei Prozent hätte sich die Kaufkraft nach nicht einmal 24 Jahren mehr als halbiert.

Sprich: Wer heute 10.000 Euro auf dem Konto hat, hat nach 24 Jahren nur noch eine Kaufkraft von knapp 4.920 Euro. Bei einer Inflationsrate von vier Prozent würde es noch nicht einmal 18 Jahre dauern, bis sich die Kaufkraft halbiert hat, bei fünf Prozent wären es gerade einmal rund 14 Jahre.

Liegt die Inflationsrate dagegen wie angestrebt bei knapp unter 2,0 Prozent, also etwa bei 1,9 Prozent, dann würde es fast 37 Jahre dauern, bis sich der zukünftige Preis für dasselbe Produkt verdoppelt und die Kaufkraft somit halbiert hat.

Schützt Gold vor der Inflation?

Gold hat sich den Ruf als Krisenwährung erarbeitet, gilt als sprichwörtlicher „sicherer Hafen“. Während Zentralbanken in Situationen extremer Überschuldung Geld drucken und so die Inflations anheizen können – so etwa geschehen bei der deutschen Hyperinflation im Jahr 1923 – ist Gold nicht beliebig vermehrbar, zugleich aber weltweit anerkannt. Dass Gold in einer Krise komplett wertlos wird, ist extrem unwahrscheinlich.

In einem Depot gilt Gold als Stabilitätsfaktor. Viele Anleger sehen es als Ausgleich gegen die ultralockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank oder auch als Anker gegen Schwankungen im Depot, ausgelöst etwa unterschiedliche Wertentwicklungen von Aktien und Anleihen. Am 1. Juni stieg der Goldpreis auf ein Fünfmonatshoch, eine Feinunze kostete an der Londoner Börse bis zu 1916,64 Dollar (rund 1568 Euro).

„Gold kann sich als Beimischung bei der Geldanlage eignen, sollte aber nicht mehr als fünf bis zehn Prozent vom Gesamtvermögen ausmachen“, sagte Ralf Scherfling von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen unserer Redaktion. Denn Gold hat auch Nachteile: Es wirft keine Zinsen oder Dividenden ab, bei physischem Gold kommen zudem Gebühren für die Aufbewahrung etwa im Bankschließfach hinzu. Und: „Gold als Inflationsschutz lebt ausschließlich von der Möglichkeit von Kurs- oder Währungsgewinnen“, sagt Scherfling. Der Goldpreis wird in US-Dollar ausgewiesen, Währungschancen, aber auch -risiken sind also gegeben.

Wer einen langen Atem hat, kann bei Gold Rendite erzielen. 1970 kostete die Feinunze noch 37,60 US-Dollar, im vergangenen Jahr knackte sie zeitweise die 2000-Dollar-Marke. Allerdings: Wer sich 1982 mit Gold eindeckte, hatte rund 20 Jahre lang keine Wertzuwächse.

„Ich bin nicht der Meinung, dass man jetzt verstärkt in Edelmetalle als Inflationsschutz investieren sollte“, sagte Ulrich Stephan, Chefanlagestratege für Privat- und Firmenkunden bei der Deutschen Bank, unserer Redaktion. Denn Gold hänge von den Realzinsen ab. Und diese lägen in den USA bei -0,8 Prozent pro Jahr für das nächste Jahrzehnt, im Euroraum sogar bei -1,8 Prozent. „Ich empfehle daher eine interessantere reale Anlageklasse als Inflationsschutz: Aktien“, sagt Stephan.

Wie wirkt sich die Inflation auf Aktien aus?

Die Börsen reagierten zuletzt immer verunsichert, sobald es um das Thema Inflation ging. In den USA pumpt Präsident Joe Biden Billionen Dollar in neue Konjunkturprogramme, um die Wirtschaft anzukurbeln und die Kaufkraft zu stärken. Zuletzt stiegen in den Vereinigten Staaten die Preise um 4,2 Prozent – so stark wie seit 2008 nicht mehr.

In Zeiten niedriger Zinsen sind Verbraucher und vor allem Unternehmen bereit, sich eher zu verschulden. Ein Grund für die steigenden Immobilienpreise liegt beispielsweise darin, dass es derzeit so günstig ist, sich Kredite für den Hausbau oder Wohnungserwerb aufzunehmen.

Eine Sorge vieler Investoren liegt darin, dass mit der Inflation auch die Zinsen zurückkehren könnten. Zinserhöhungen gelten als Instrument der Zentralbanken, um die Inflation zu dämpfen. Kehren die Zinsen zurück, lohnt sich das Sparen mit klassischen Finanzprodukten wieder, die Sparrate steigt, die Ausgaben sinken, die Inflation schwächt sich ab.

Zugleich führt dieser Effekt aber dazu, dass auch Kredite höher verzinst sind. Insbesondere junge Unternehmen, die auf Wachstum setzen, verschulden sich in der Regel, um ihr Wachstum finanzieren zu können. Ein klassisches Beispiel ist dafür der Tech-Sektor, der in den vergangenen Jahren ein Wachstumstreiber an den Börsen gewesen ist.

Niedrige Zinsen regen Unternehmen zu Investitionen an. Sei es in das Wachstum der eigenen Firma, etwa über mehr Personal, oder über neue Maschinen und Fuhrparks bis hin zu Expansionen. Steigen die Zinsen, verringert sich die Investitionsbereitschaft.

Inflationssorgen: Amazon, Apple und Co. besonders betroffen

Entsprechend erlebten zuletzt vor allem die großen Tech-Konzerne immer wieder herbe Kurseinbußen, sobald die Inflationssorgen größer wurden. Deutsche-Bank-Chefanlagestratege Stephan rechnet aber damit, dass die Unternehmen mit den höchsten Börsenwerten, also beispielsweise Apple, Microsoft, Amazon oder die Google-Mutter Alphabet, auch mit Inflations- und Zinsanstiegen umgehen können.

Außerhalb der Tech-Branche sieht Stephan Chancen für Anlegerinnen und Anleger: „Finanzwerte und Rohstoffunternehmen sollten in einem Umfeld moderat steigender Zinsen die Kursentwicklung des Gesamtmarkts schlagen können.“ Die europäische Aktienmarktrally sollte noch anhalten können, glaubt Stephan.

Ein Konzept, um die Inflation auszugleichen, sehen manche Anlegerinnen und Anlegern in den sogenannten Dividendentiteln, also den Konzernen, die ihre Aktionärinnen und Aktionäre regelmäßig am Gewinn beteiligen. Zwar kann man mit Dividenden die Inflation in einem gewissen Maße ausgleichen, allerdings funktioniert das Konzept nur, wenn das Unternehmen nicht dauerhaft an Börsenwert verliert.

Investieren: ETFs für Kleinanleger besser als Einzelaktien

„Für den kleineren Geldbeutel sind Fonds eher zu empfehlen als Einzelaktien. Bei Fonds kann man auch mit wenig Geld sein Risiko breit streuen“, sagt Verbraucherschützer Ralf Scherfling. Gegenüber aktiv gemanagten Fonds hätten dabei passiv gehandelte Aktienfonds, also ETFs (englisch für „Exchange Traded Fund“), Kostenvorteile. Der Aktienindex MSCI World bildet beispielsweise die Wertentwicklung von mehr als 1600 Unternehmen aus 23 Ländern ab. Seit 1975 erzielte er eine jährliche Rendite von neun Prozent. Die durchschnittliche Inflationsrate lag dagegen im selben Zeitraum bei 2,26 Prozent.

Aber auch bei ETFs gilt: Es gibt keine Garantie, dass sie stetig im Wert steigen. Kurzfristige Rücksetzer kann es immer geben. „Grundsätzlich muss jeder für sich die Frage beantworten, ob man es sich leisten kann und will, in Produkte zu investieren, die risikobehaftet sind“, sagt Verbraucherschützer Scherfling.

Wichtig sei der Zeitraum, über den man sparen möchte. „Eine Investition in Investmentfonds ist auch von der Laufzeit abhängig. Wer mit 30 Jahren anfängt, für seine Altersvorsorge zu sparen, kann anders investieren als jemand, der in zwei Jahren Geld für ein neues Auto benötigt und mögliche Kursrückschläge dann nicht ausgleichen kann“, gibt Scherfling zu bedenken.

Neben ETFs gibt es auch aktiv gehandelte Fonds. Aber: „ETFs haben gegenüber aktiv gemanagten Fonds den Vorteil, dass sie deutlich kostengünstiger sind. Damit aktive Fonds die Verwaltungskosten ausgleichen, müssen die jeweiligen Manager jedes Jahr besser als der Markt sein", sagt Scherfling.