Berlin. Die Umsetzung der sechsmonatigen Mehrwertsteuersenkung kostet die Wirtschaft laut einem FDP-Gutachten zehn Mal mehr als angenommen.

Die sechsmonatige Mehrwertsteuersenkung soll den Konsum ankurbeln und so der Wirtschaft in der Corona-Krise wieder auf die Beine helfen. Doch gut sechs Wochen nach dem Start zeigt sich: Dieser Teil des Konjunkturpakets der Bundesregierung wird für die Unternehmen offenbar zu einer großen Belastung. Wie groß diese ist, beziffert jetzt ein Gutachten im Auftrag der FDP-Bundestagsfraktion, das unserer Redaktion vorliegt.

Dieses geht von Bürokratiekosten in den Unternehmen in Höhe von 2,43 Milliarden Euro aus. Das Statistische Bundesamt hatte den Aufwand für die Umsetzung ursprünglich mit 238,7 Millionen Euro angegeben.

Konjunkturmaßnahme kostet zehn Mal mehr als angenommen

Damit kostet die Konjunkturmaßnahme die Wirtschaft mehr als das Zehnfache des angenommenen Wertes, heißt es in dem Gutachten von Professor Sebastian Eichfelder, Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftliche Steuerlehre an der Universität Magdeburg.

Eichfelder hatte die Bürokratiekosten der Mehrwertsteuersenkung bereits im Vorfeld untersucht und diese zunächst mit 2,25 Milliarden Euro beziffert. Zusätzliche Kostentreiber seien nun vor allem in großen Unternehmen gefunden worden – diese hätten den Aufwand für Schulungen und die interne und externe Kommunikation bei der Umsetzung der temporären Mehrwertsteuersenkung massiv unterschätzt.

Seit Juli und noch bis Ende Dezember betragen die Steuersätze fünf und 16 Prozent statt sieben und 19 Prozent. Der Fiskus verzichtet damit auf Einnahmen in Höhe von rund 20 Milliarden Euro.

Dürr: Finanzminister hätte lieber Soli ganz abschaffen sollen

Während Verbraucher vor allem im Supermarkt oder beim Autokauf von geringfügig niedrigeren Preisen profitieren, klagt die Wirtschaft über einen hohen Mehraufwand. Vor allem Unternehmen, die kein Endkundengeschäft haben und bei denen die Mehrwertsteuer daher keine Rolle spielt, klagen über einen enormen Verwaltungsaufwand. Die Bilanz nach einem Monat fiel ernüchternd aus – nur die Regierung lobte sich.

„Die Mehrwertsteuersenkung ist gleich doppelt zur Pleite geworden“, sagt Christian Dürr, Vizefraktionsvorsitzender der FDP-Bundestagsfraktion, unserer Redaktion: Die Verbraucher beklagten nach dem ersten Monat, dass sie die Entlastung kaum spüren. Und die Unternehmen blieben auf hohen Bürokratiekosten sitzen.

Dürr kreidet Finanzminister Olaf Scholz (SPD) an, er „hätte die Karten offen auf den Tisch legen müssen: Die temporäre Mehrwertsteuersenkung wird mehr als das Zehnfache von dem kosten, was die Bundesregierung behauptet hat.“ Stattdessen, so Dürr, hätte Scholz die Einkommensteuer senken und den Soli ganz abschaffen sollen. FDP-Chef Christian Lindner fordert nur Ankurbelung der Wirtschaft die Lockerung des Verkaufsverbots am Sonntag.