Hamburg. 40 Millionen Euro sind in die Renovierung des Wandsbeker Quarrees geflossen. Sogar ein Impfzentrum gibt es. Was sich verändert hat.
Es ist ein ungewöhnlicher Satz aus dem Munde eines Einkaufscenter-Managers nach insgesamt mehr als sieben Monaten Lockdown in großen Teilen des Handels und der Gastronomie. „Die Corona-Pandemie hat uns in gewisser Weise geholfen“, sagt Frank Klüter beim Rundgang durch das Wandsbek Quarree. Noch am vergangenen Freitag war das ein Weg durch weithin menschenleere Gänge zwischen zumeist geschlossenen, dunklen Läden und mit rot-weißem Flatterband abgesperrten Sitzgruppen.
Kaum einer da, der über die neu verlegten Keramikfliesen und unter grüner Kunstpflanzen-Deko an der Decke bummelte. Die meisten der fabrikfrischen Rolltreppen, die jetzt eine Start-Stopp-Automatik haben, verharrten ausdauernd im Stopp-Modus.
Wandsbek Quarree in Hamburg ist nun moderner
2020 kam laut Schätzungen nur etwa die Hälfte der üblichen zehn Millionen Käufer. Schlecht für die wenigen überhaupt geöffneten Läden, aber gut für die Umsetzung eines langfristig geplanten Projekts: Das vor mehr als 30 Jahren eröffnete Quarree am Wandsbeker Marktplatz hat während der Pandemie eine ausführliche Modernisierungskur erhalten.
Der Besitzer Union Investment hat 40 Millionen Euro in die technische und optische Auffrischung der beiden Häuser mit mehr als 30.000 Quadratmeter Verkaufsfläche gesteckt. „Wir sind so gut wie fertig und im Kostenrahmen geblieben“, sagt Klüter, der für den spanischen Centerbetreiber Sonae Sierra das Große und Ganze managt.
Neuer Bodenbelag im Quarree
Der Bodenbelag musste raus, die Deckenverkleidung kam runter, unter der neuen arbeitet jetzt zeitgemäße Belüftungstechnik. Und für genau diese Arbeiten war die lange Phase, in der die meisten Läden im Center geschlossen bleiben mussten, ziemlich hilfreich. „Im Normalbetrieb wird so etwas überwiegend nachts gemacht. An jedem Morgen muss die Baustelle verschwunden sein. Wegen des Lockdowns aber konnten einzelne Bereiche längerfristig gesperrt werden. Das hat vieles erleichtert“, sagt Klüter.
Am zweiten Tag nach der weitgehenden Wiedereröffnung der meisten Geschäfte am vergangenen Sonnabend sind deutlich mehr Menschen unterwegs. Bis auf zwei Läden haben alle Geschäfte wieder geöffnet. Reine Gastrobetriebe allerdings warten noch ab, bevor sie auf ihren Außenflächen wieder servieren. „Es war schön, nach so langer Wartezeit endlich wieder viele Menschen im Center zu sehen“, sagt Manager Klüter. Auch, wenn die Besucherzahl einstweilen weiter etwa 30 Prozent unter der in der Vor-Corona-Zeit liegt.
Zero, Vero Moda und Jack & Jones sind weg
Kunden, die lange nicht mehr da waren, sehen jetzt, dass sich auch der Mix der 90 Geschäfte spürbar verändert hat. Fünf Ladenflächen stehen derzeit leer. Eine Handvoll Filialisten ist seit dem Frühjahr 2020 aus dem Quarree verschwunden: Die Modehändler Zero, Vero Moda, Jack & Jones und Colosseum sind weg. Der Krimskrams-Laden Tiger mit seinen Artikeln, die man nicht wirklich braucht, aber trotzdem kauft, ebenso.
Wo früher der Elektronikhändler Medimax war, residieren jetzt Aldi und Budnikowsky. Anstelle der Karstadt Sport-Filiale haben sich TK Maxx eingemietet und ExtraFit. Es ist die erste Hamburger Filiale der Design-Sportstudio-Kette, eingerichtet des Lockdowns in der Fitnessbranche. Für Frank Klüter ist das eines der Vorzeigeprojekte im Quarree. Einer der Belege dafür, dass trotz eines „eher schwierigen Vermietungsmarkts“ in der Pandemie neue Anbieter ins Center geholt werden können.
Mister Spex neu im Quarree
So wie die Filiale von Mister Spex, dem Optiker, der mal als reiner Onlineanbieter gestartet war. Oder der Kreativmarkt, der jetzt auf 500 Quadratmetern Bastelbedarf und Zubehör für Kreativhobbys verkauft. Der Mode- und Schuhladen Kinderkompanie hat trotz allem seine Verkaufsfläche deutlich vergrößert. Und in der sogenannten Markthalle kämen bald „ein Fischkonzept“ und der Inder Baba Bayi dazu, sagt der Manager.
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Die Gastronomie nimmt jetzt deutlich mehr Raum ein im Quarree. „Knapp zehn Prozent der Verkaufsfläche, vorher waren es fünf Prozent“, sagt Klüter. Auch das war Ziel des Investitionsprogramms. Food und Gastro sind gerade ein großes Thema in der Einkaufscenterbranche. So sollen neue Anreize für die Kunden gesetzt werden, überhaupt zu kommen und dann länger zu bleiben. Es ist eine der Antworten der Besitzer und Betreiber auf den Onlineboom.
Ganz neu: Das Bistro La Parisienne
Die Zeiten der Einkaufscenterexpansionen mit zeitweise bundesweit mehreren Dutzend Neueröffnungen pro Jahr ist schon etwas länger vorbei. Seit Mitte der 2010er-Jahre steigt die Bestandskurve flacher. Laut des Shoppingcenter-Reports 2021 des Handelsforschungsinstituts EHI wuchs die Zahl 2020 um lediglich vier auf 493. Für dieses Jahr sind demnach nur zwei Center-Neueröffnungen in ganz Deutschland absehbar.
Im Quarree war das französische Bistro La Parisienne einer der Mieter, die wohl am härtesten vom Lockdown getroffen wurde. Das Betreiber-Ehepaar – Neulinge in der Gastronomie – starteten kurz vor dem zweiten Lockdown. „Die Eröffnung war an einem Freitag, am Montag begann die zweite Schließungsphase“, erinnert sich Klüter. Wie hält man einen Mieter, obwohl er als Neuunternehmer keinen Anspruch auf Coronahilfe hat? Der Manager möchte nicht ins Detail gehen, aber man muss ihn so verstehen, dass das Bistro einer der Mieter war, denen bei den „individuellen Lösungen“ mit Blick auf die Miete weit entgegen gekommen wurde. Einstweilen bleibt das La Parisienne geschlossen.
Sogar ein Impfzentrum im Quarree
In der Nähe vom La Parisienne liegen das im Februar eingerichtete Corona-Testzentrum und sogar ein Impfzentrum. Derzeit wird es noch als Gemeinschaftsprojekt der umliegenden Hausarztpraxen und der Adler-Apotheken für deren Patienten geführt. „Wenn genügend Impfstoff vorhanden ist, ist aber auch eine Öffnung für die Allgemeinheit denkbar“, sagt der Centermanager.
Wie lange dieses Impfzentrum benötigt wird, ist nicht absehbar. Sicher ist, dass das Quarree einen Ankermieter und Besuchermagneten noch auf viele Jahre hinaus behält. Das CineMaxx-Kino mit seinen fünf Sälen hat im Herbst 2020 den Mietvertrag um 15 Jahre verlängert. Während die Geschäfte nun wieder öffnen, bleibt das Kino einstweilen geschlossen. Auch dort wird gerade umgebaut und umgestaltet. Unter anderem werden die Sessel gegen neue und bequemere ausgetauscht. Angestrebter Öffnungstermin ist der 1. Juli.