Hamburg. Das Hochwasser in NRW und Rheinland-Pfalz nimmt Tausenden ihr Zuhause. In Hamburg sind nur wenige Immobilieneigner dagegen versichert.
Bäche verwandeln sich in gefährliche Ströme, Häuser stürzen ein und werden davongerissen – Dutzende Menschen sind der Unwetterkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz schon zum Opfer gefallen. Und wer sich retten konnte, hat nun sein Zuhause verloren.
Gegen derartige Naturgewalten ist in Hamburg nur gut jeder vierte Immobilieneigner versichert. Hamburger, die 2020 ein Einfamilienhaus gekauft haben, gaben dafür im Schnitt 903.000 Euro aus. Selbst für ein Mittelreihenhaus wurden durchschnittlich 517.000 Euro bezahlt, ermittelte der Gutachterausschuss für Immobilien, der die tatsächlichen Kaufpreise auswertet. Solche Werte müssen geschützt werden.
Unwetter: Wenige Immobilien in Hamburg versichert
Ob vollgelaufene Keller oder abgedeckte Dächer: Die eigene Immobilie kann durch extremes Wetter wie Sturm, Feuer, Blitz und Hagel schwer in Mitleidenschaft gezogen werden, ebenso wie durch auslaufendes Leitungswasser. Vor den finanziellen Risiken schützt eine Wohngebäudeversicherung.
Beim Kauf einer Immobilie achtet die Bank im Zuge der Finanzierung darauf, dass eine solche Versicherung besteht. Doch auch langjährige Immobilienbesitzer sollten regelmäßig prüfen, ob der Versicherungsschutz noch den aktuellen Anforderungen entspricht. Denn vor allem Altverträge können ruinöse Lücken haben.
Etwa, weil keine sogenannte Elementarschadenversicherung besteht, die weitere Schadensursachen abdeckt. Hamburger Immobilienbesitzer sind in dieser Hinsicht besonders sorglos. Nur etwas mehr als jeder Vierte hat auch eine Elementarschadenversicherung abgeschlossen. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen zu den Tarifen.
Was die Wohngebäudeversicherung leistet
Sie deckt Schäden am Haus ab, die durch Sturm (ab Windstärke 8), Hagel, Feuer oder Leitungswasser entstehen. Die Feuerversicherung schließt neben Brand auch Blitzschlag, Überspannung durch Blitz oder Explosion ein. So kann eine Gasexplosion im Nachbargebäude auch das eigene Haus beschädigen.
„Wegen der vielen Gefahren sollte eine Wohngebäudeversicherung für Hausbesitzer Pflicht sein“, sagt Kerstin Becker-Eiselen von der Verbraucherzentrale Hamburg. Die Versicherung zahlt die Kosten für Reparatur oder den Wiederaufbau des Hauses. Damit sind aber noch nicht alle Gefahren wie Überschwemmungen oder Erdrutsch versichert. Nur 27 Prozent der Hamburger haben sich dagegen versichert. Damit hat die Hansestadt im bundesweiten Vergleich den drittniedrigsten Wert nach Niedersachsen und Bremen.
Wie können sich Hamburger gegen Überschwemmungen versichern?
„Wer sich auch gegen Überschwemmungen absichern möchte, muss seine Wohngebäudeversicherung zusätzlich um eine Elementarschadenversicherung ergänzen“, sagt Bianca Boss vom Bund der Versicherten. Damit sind auch Schäden abgedeckt, die durch Überschwemmung etwa bei Deichbruch, Erdbeben, -senkungen, -rutsche, Schneedruck und Lawinen am oder im Gebäude entstanden sind.
Ursache für eine Überschwemmung des Grundstücks kann Regen sein, ein Gewässer, das über die Ufer tritt oder steigendes Grundwasser. Die Versicherung, die auch Elementardeckung genannt wird, ist ein Zusatzbaustein zur Wohngebäudeversicherung und muss bei dem Anbieter abgeschlossen werden, von dem man auch die Haus-Police hat.
Wie groß ist die Gefahr durch Starkregen in Hamburg?
In einer Ranglisten der Schadensgefahr durch extremen Regen in den 50 größten deutschen Städten liegt Hamburg auf dem 18. Platz. 6,6 Prozent der Adressen in der Hansestadt liegen in der sogenannten Starkregengefährdungsklasse 3 (SGK), etwa in der Nähe eines Baches. In die SGK 2 (mittlere Gefährdung) sind 66,4 Prozent der Gebäude eingruppiert. 27 Prozent sind in der SGK 1 und gering gefährdet. Zum Beispiel, weil sie auf eine Kuppe oder im oberen Bereich eines Hangs stehen. Das ist das Ergebnis eines Forschungsprojekts des Gesamtverbandes der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) und des Deutschen Wetterdienstes.
„Neben der Intensität des Regens hat die Lage eines Gebäudes entscheidenden Einfluss auf das Ausmaß von Starkregenschäden“, sagt GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen. Dies werde mit der SGK berücksichtigt. „Wir können für jedes Gebäude diese Gefährdung berechnen.“
Die Starkregengefährdungsklassen wurden in das Zonierungssystem für Überschwemmungsrisiko und Einschätzung von Umweltrisiken (ZÜRS) eingearbeitet. Danach werden die Grundstücke in vier Risikoklassen eingeteilt. Bundesweit befinden sich 92,3 Prozent der Häuser in der günstigsten ZÜRS-Zone 1. Die Zone bestimmt, wie teuer eine Elementarschadenversicherung ist. 2019 lag der durchschnittliche Versicherungsschaden in dieser Sparte für Hamburg bei 4600 Euro.
Wie teuer ist eine Elementardeckung?
Den Aufpreis zu einer normalen Police für ein durchschnittliches Gebäude in der ZÜRS-Zone 1 beziffert Heiko Wischer von der Hamburger Feuerkasse auf rund 100 Euro im Jahr. Das deckt sich mit den Kosten in der Beispielrechnung für ein Einfamilienhaus in Hamburg-Niendorf (siehe Grafik). Im Schnitt liegt die Prämie bei den zehn in der Auswertung berücksichtigten Versicherungsgesellschafte bei 528 Euro (mit Elementardeckung) und bei 427 Euro ohne diesen Schutz. Den höchsten Aufpreis verlangt die Neodigital mit 126 Euro, während er bei InterRisk nur bei 37 Euro liegt. Der insgesamt günstigste Anbieter Degenia kalkuliert mit einem Aufschlag von 84 Euro für die Elementarabdeckung.
Wie hoch ist die Selbstbeteiligung?
Im Regelfall verlangen die Versicherer zehn Prozent der Schadenssumme als Eigenbeteiligung des Versicherten, maximal 5000 Euro und mindestens 500 Euro. Beim teuersten Tarif XXL von InterRisk in der Tabelle (siehe Grafik) wird keine Selbstbeteiligung fällig und HDI begnügt sich mit 500 Euro.
Wodurch unterscheiden sich die Tarife?
Einer genaueren Analyse haben wir den günstigsten und den teuersten Tarif sowie den Tarif von HDI aus dem Mittelfeld unterzogen. Bei den grundlegenden Versicherungsleistungen gibt es bei allen drei Tarifen keine Abstriche. Lediglich Degenia versichert Sengschäden - etwa durch eine glimmende Zigarette oder glühendes Kaminholz – nur bis zu 15.000 Euro. Degenia und HDI kommen für Transport- und Lagerkosten nicht auf, die entstehen können, wenn bei der Sanierung Gegenstände ausgelagert müssen.
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Die Aufwendungen für die Beseitigung von Rohrverstopfungen werden von HDI nicht übernommen und bei Degenia nur bis zu 1000 Euro. Die Kosten für die Beseitigung umgestürzter Bäume werden von Degenia und HDI nur bis 10.000 Euro übernommen. Alle drei Versicherer erstatten Hotelkosten nach einem notwendigen Auszug für mindestens 200 Tage sowie Rückreisekosten, wenn der Schaden eintritt, während der Versicherte etwa im Urlaub ist.
Welche Leistungen sind wichtig?
Die Stiftung Warentest hat einige Leistungen ermittelt, die für jede Wohngebäudeversicherung wichtig sind. So sollte ein umfassender Schutz bei grober Fahrlässigkeit gewährleistet sein, was bei allen Tarifen in der Tabelle der Fall ist. Ob unbeaufsichtigte Weihnachtskerzen oder nicht gelöschtes Feuer im Kamin: Schnell kann daraus ein Brand entstehen. Auch Aufräum- und Abbruchkosten müssen ausreichend versichert sein. Für einen umgestürzten Baum können bis zu 2000 Euro kalkuliert werden.
Nach einem schweren Schaden müssen Haus oder Wohnung bisweilen komplett ausgeräumt werden. Deshalb ist die Übernahme von Transport- und Lagerkosten wichtig. Die Übernahme von Kosten durch behördliche Auflagen nach einem Schadensfall ist ein ebenso wichtiges Kriterium für eine sehr gute Absicherung. Auslaufendes Heizöl oder Kunststoffe, die sich durch Hitze in giftige Substanzen verwandeln, müssen fachgerecht entsorgt werden. Deshalb sollte die Police auch Kosten einer Dekontamination abdecken. Auch wichtig: eine Versicherung von Überspannungsschäden durch Blitzeinschlag. Dadurch könnte die Heizungs- oder eine teure Smart-Home-Anlage Schaden nehmen.
Muss eine bestehende Police beim Hauskauf übernommen werden?
Beim Kauf eines Hauses vom Vorbesitzer besteht meist eine Gebäudeversicherung, die der neue Eigentümer automatisch übernimmt. „Sicherer ist allerdings eine Überprüfung“, sagt Verbraucherschützerin Becker-Eiselen. Der neue Eigentümer kann die Police binnen eines Monats nach Eintragung im Grundbuch kündigen und sich dann selbst einen Anbieter suchen.
Reicht der Versicherungsschutz erst einmal aus, kann man auch bis zum regulären Ablauf der Police abwarten. „In der Regel kann der Vertrag drei Monate vor Ende des Versicherungsjahres gekündigt werden“, sagt Becker-Eiselen. „Bei mehrjähriger Laufzeit ist das erst zum Vertragsende möglich.“