Hamburg. Auch die Public Coffee Roasters leiden in der Corona-Zeit unter Einschränkungen für die Gastronomie. Womit sie dennoch Erfolge feiern.
Schon beim Betreten ist er da, dieser Duft nach frisch gerösteten Kaffeebohnen. In der einen Ecke des Schuppens auf dem ehemaligen Zollponton vor Entenwerder stehen Säcke mit Rohkaffee aus Honduras, Panama und Brasilien. Gegenüber hat Sandra Mammen gerade einen Hebel am Kaffeeröster umgelegt. Die nächste Ladung Bohnen ergießt sich auf das Kühlsieb. Auf einem Tisch in der Mitte liegen Etiketten und Kaffeetüten. Bei der Public Coffee Roasters wird das meiste noch mit Hand gemacht. Draußen vor den Fenstern ziehen die Pötte auf der Norderelbe vorbei. Dann schwankt es schon mal ordentlich. „Viel mehr Kaffeeromantik geht nicht“, sagt Argin Keshishiam und lacht. 2013 hat er die Kaffeerösterei gemeinsam mit seinem Bruder Arameh gegründet.
Vor acht Jahren starteten die Brüder ihre eigene Firma
Guter Kaffee ist die Leidenschaft des Brüderpaars aus Teheran. Als Kinder waren sie oft mit ihrem Vater in den Kaffeehäusern ihrer Heimatstadt unterwegs. „Im Iran war das eine Art, sich zur westlichen Lebensart zu bekennen“, sagt Arameh Keshishiam, dessen Familie armenische Wurzeln hat. Verbindungen nach Europa gab es durch das elterliche Handelsunternehmen in Hamburg. Beide Brüder besuchten ein Internat in Deutschland, kamen zum Studium an die Elbe.
Als sie vor acht Jahren ihre eigene Firma starteten, waren sie knapp über 20 Jahre alt. First Love haben sie ihren ersten Kaffee genannt. Seitdem ist Public Coffee Roasters stetig gewachsen. Inzwischen gibt es sieben Espresso- und fünf Filterkaffeesorten – alle entweder in Bio-Qualität, mit einem Fair-Trade-Zerifikat oder direkt mit den Erzeugern gehandelt zu Preisen ab 7,90 Euro für 250 Gramm.
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Die meisten der 56 Mitarbeiter waren in Kurzarbeit
Neben der Rösterei in Entenwerder gehören drei Cafés in der Neustadt, in Barmbek und im ehemaligen Spiegel-Gebäude zum Unternehmen. Und eigentlich hätte 2020 den großen Durchbruch bringen sollen. Als Partner des Coworking-Betreibers Spaces, der in Hamburg unter anderem Flächen im Kallmorgentower an der Willy-Brandt-Straße betreibt, hatten sie einen Vertrag für Cafés an bundesweit 23 Standorten geschlossen. 13 waren schon in Betrieb. Auch ein Vertrag mit Unilever für ein Café am neuen Firmensitz an der Neuen Burg war unter Dach und Fach. Dann kam Corona.
„Wir waren erst mal im Schockstarre-Modus“, sagt Argin Keshishiam. Die Cafés waren dicht, alle Expansionspläne gestoppt. Kunden in Unternehmen, in der Gastronomie und auch die Reisegesellschaft TUI, in deren Fliegern der Spezialitätenkaffee der Hamburger ausgeschenkt wird, stornierten ihre Aufträge. „Es war gravierend.“ Die Brüder schickten den überwiegenden Teil der 56 Mitarbeiter in Kurzarbeit. „Das war die eine Seite. Aber dann explodierten die Bestellungen“, sagt Arameh Keshishiam. Er ist der Ruhige der beiden, verantwortlich für den Betrieb der Rösterei.
Doppelschichten in der Rösterei ein, um die Aufträge abzuarbeiten
Sechs- bis siebenmal so viele Aufträge kamen aus dem Einzelhandel und auch über den eigenen Onlineshop herein – statt 15 Bestellungen am Tag waren es plötzlich 100. „Die Leute waren im Homeoffice und wollten trotzdem weiter unseren Kaffee trinken.“ Sie richteten Doppelschichten in der Rösterei ein, um die Aufträge abzuarbeiten. Inzwischen hat sich die Situation etwas beruhigt. Aber die Absatzkurve zeigt weiter nach oben: 2019 setzte Public Coffee Roasters 28 Tonnen Kaffee ab, 2020 waren es 42 Tonnen, und wenn alles so weiterläuft, könnten es in diesem Jahr 60 Tonnen sein. Kaffee ist seit Jahren das Lieblingsgetränk der Deutschen.
Und Corona hat den Konsum trotz der Schließungen von Coffeeshops und Kantinen sogar noch erhöht. Nach Angaben des Deutschen Kaffeeverbands legte der Gesamtmarkt um 1,5 Prozent zu. Das entspricht 20 Tassen Kaffee, die jeder Deutsche 2020 mehr getrunken hat. Der Pro-Kopf-Konsum liegt jetzt bei stattlichen 168 Litern im Jahr.
Knapp 50 Prozent Umsatzplus in der Rösterei 2020
Nach Analyse der Kaffeeexperten ist das auf ein Plus von elf Prozent beim Kaffeeverbrauch daheim (plus 37.900 Tonnen Röstkaffee) zurückzuführen. Der zusätzliche Verbrauch konnte das Minus im Außer-Haus-Markt von 23 Prozent (minus 30.300 Tonnen) wettmachen. Dass Kaffee ein krisenfestes Produkt ist, untermauert auch, dass viele Kaffeetrinker in die heimische Zubereitung investiert haben. Fast jeder dritte Haushalt besitzt inzwischen einen Vollautomaten, mit dem sich auf Knopfdruck Kaffeespezialitäten wie Espresso oder Cappuccino zubereiten lassen. Das spiegelt sich auch in der Zunahme des Verbrauchs von ganzen Bohnen wider. Der Absatz stieg um 26 Prozent.
„Es hat uns gerettet, dass wir so breit aufgestellt sind“, sagt Argin Keshishiam. Er ist der Finanzmann im Unternehmen. Auf knapp 50 Prozent beziffert er das Umsatzplus in der Rösterei im Corona-Jahr 2020, das Minus in den betrieblich getrennten Cafés lag bei deutlich über 50 Prozent. Insgesamt komme das Unternehmen so ganz gut durch die Krise. 2020 war der Gesamtumsatz von 2,2 Millionen Euro auf 1,7 Millionen gesunken. Für dieses Jahr erwartet Keshishiam einen Anstieg auf 2,4 Millionen Euro. Inzwischen haben die beiden Gründer den Vertrag mit Spaces gelöst, die Zahl der Mitarbeiter ist auf 36 gesunken. Jetzt liegt die Hoffnung auf der Wiedereröffnung der Gastronomie.
Kaffeekapseln zu 100 Prozent biologisch abbaubar
Vor einigen Wochen hat Public Coffee Roasters zudem ein neues Produkt auf den Markt gebracht: Kaffeekapseln. „Wir haben einen Weg gefunden, dass unsere Kapseln zu 100 Prozent biologisch abbaubar und zugleich mit hochwertigem, handgeröstetem Spezialitätenkaffee gefüllt sind“, sagt Argin Keshishiam. Sie bestehen aus Holzfasern, der Deckel ist ein Filterpapier. Bei der Herstellung liegt der C02-Verbrauch nach eigenen Angaben 55 Prozent unter dem von Alu-Kapseln und 26 Prozent unter dem von Kunststoff-Produkten.
Die drei Sorten Dark Temptation, Orang Utan und die koffeinfreie Variante Tender Temptation werden in Schachteln mit je 14 Stück angeboten und kosten zwischen 7,70 und 9,10 Euro – maximal sind das umgerechnet 65 Cent pro Tasse. Damit liegt der Preis etwas über dem durchschnittlichen Preis der Kapseln von Marktführer Nespresso. „Gerade für unsere Gewerbekunden sind Kaffeekapseln eine wichtige Alternative, weil sie bequem in der Handhabung sind“, erklärt Keshishiam die Produkteinführung.
Die positive Resonanz gibt weiteren Plänen Schwung. So wollen die Keshishiam-Brüder für alle Kaffeesorten kompostierbare Verpackungsalternativen entwickeln. Erst mal haben sie allerdings noch ein anderes Problem. Um die hohe Nachfrage zu bedienen, wird inzwischen eine Kaffeesorte bei einer befreundeten Rösterei produziert. Zudem planen sie den Umzug für Verpackung und Lager an einen zweiten Standort. „Wir brauchen mehr Platz für die Rösterei“, sagt Arameh Keshishiam. Und spätestens, wenn die Corona-Reisebeschränkungen fallen, wollen die Brüder auch wieder auf Reisen gehen, um Kaffeebauern zu besuchen und neue Sorten zu entdecken.