Berlin. Erst handelten Mitarbeiter der Finanzaufsicht Bafin mit Wirecard-Aktien, nun wohl mit Gamestop-Papieren. Was ist los in der Behörde?
Sie sind die Wächter des deutschen Finanzmarktes, sollen mit der Beaufsichtigung von Banken dafür sorgen, dass das Geld der Kunden sicher ist, und Geldwäsche sowie Insiderhandel unterbinden. „Bankkunden, Versicherte und Anleger sollen dem Finanzsystem vertrauen können“, fasst die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, kurz Bafin, ihre Aufgaben zusammen.
Das Vertrauen in die Bafin selbst ist bei vielen dagegen spätestens seit dem Fall Wirecard aufgebraucht. Die Liste der Fehler, die die in Bonn und Frankfurt am Main ansässige Behörde in dem größten deutschen Wirtschaftsskandal der Nachkriegsgeschichte beging, ist lang.
Wirecard: Bafin-Mitarbeiter handelten mit Aktien des Skandal-Unternehmens
Sie gab mit einem Verbot, auf fallende Kurse der Wirecard AG zu wetten, dem Unternehmen Rückendeckung. Sie zeigte die Journalisten der „Financial Times“ an, die mit beharrlicher Recherche den Betrügern auf die Schliche kamen. Doch nicht nur das. Einige der rund 2700 Mitarbeiter zockten munter mit Wirecard-Aktien, wetteten sowohl auf steigende als auch auf fallende Kurse.
Geschädigte Wirecard-Aktionäre zeigten die Bafin im Januar an, sie werfen der Behörde vor, ihre Aufsichtspflichten verletzt zu haben. Ende Februar schaute die Frankfurter Staatsanwaltschaft unangekündigt in der Behörde vorbei. Die Ermittlungen ergaben einen Anfangsverdacht, die Staatsanwaltschaft hat ein formelles Ermittlungsverfahren eingeleitet.
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Bafin-Spitze muss gehen
Für Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) wird die Aufsicht im Wahljahr damit zum Problem. Die Bafin ist dem Bundesfinanzministerium unterstellt, Minister Scholz trägt die Verantwortung. Er will deshalb aufräumen. Felix Hufeld, seit 2015 Bafin-Präsident, musste vor zwei Wochen seinen Posten räumen.
Für Vizepräsidentin Elisabeth Roegele, zuständig für die Wertpapieraufsicht, ist Ende April Schluss. Die Vorgaben für die Bafin wurden angezogen, weitere Maßnahmen werden derzeit gesetzlich auf den Weg gebracht. „Mehr Biss“ erwartet Scholz künftig von der Aufsicht.
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Mitarbeiter handelten wohl auch mit Gamestop-Papieren
Die Lust am Zocken scheinen die Bafin-Mitarbeiter trotzdem nicht verloren zu haben. Als Ende Januar die Aktienkurse der US-Unternehmen Gamestop und AMC durch Absprachen von Kleinanlegern in Online-Foren durch die Decke schossen, waren zwei Bafin-Mitarbeiter offenbar mit von der Partie. Entsprechende Geschäfte würden geprüft, teilte das Finanzministerium auf eine Anfrage des Linken-Politikers Fabio De Masi mit.
Im Gegensatz zu Wirecard handelt es sich bei den Aktien des Computerspielehändlers Gamestop sowie bei der Kinokette AMC zwar nicht um Unternehmen, für dessen Beobachtung die Bafin zuständig ist.
Allerdings sind Bafin-Mitarbeitern spekulative Geschäfte mittlerweile untersagt. „Die Zentrale Compliance hat die Geschäfte als spekulativ eingeordnet, weil Kauf und Verkauf des Finanzinstruments innerhalb von 30 Tagen entgegen der Dienstanweisung erfolgte“, teilte eine Bafin-Sprecherin unserer Redaktion mit. „Aktuell prüfen wir mögliche personalrechtliche bzw. dienstrechtliche Konsequenzen.“
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Finanzexperten fordern Handelsverbot für Bafin-Mitarbeiter
Das reicht nicht aus, finden Finanzexperten. „Aufsichtsmitarbeiter haben nicht mit Wertpapieren zu handeln“, sagte Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), unserer Redaktion. Künftig müsste es Mitarbeitern verboten werden, mit Wertpapieren zu handeln.
„Das Risiko von Interessenkonflikten ist zu groß“, findet auch Gerhard Schick, Vorstand des Vereins Bürgerbewegung Finanzwende. Als „glattes Parkett“ bezeichnete Ex-Bafin-Chef Felix Hufeld die Diskussion um zockende Bafin-Mitarbeiter im Wirecard-Untersuchungsausschuss, vor dem in der kommenden Woche unter anderem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) aussagen muss. „Sie können ja nicht willkürlich alles verbieten.“
Aber warum eigentlich nicht? „Die Bafin ist Kraft ihrer Aufgabe eine Behörde, in der Insiderwissen in einem Maße und einer Frequenz eingeht, wie in keiner anderen Behörde“, sagte FDP-Finanzexperte Florian Toncar. Deshalb brauche es strengere Regeln. Linken-Politiker De Masi forderte gegenüber unserer Redaktion, Handelsverbote sowie Anzeigepflichten für weitere Interessen oder Beteiligungen, nicht nur bei der Bafin, sondern „in allen Aufsichtsbehörden und auch in Ministerien“, durchzusetzen.
Mark Branson wird neuer Bafin-Chef
Das Zocken beenden und die Bafin zu einer schlagfertigen Aufsicht ausbauen – das wird künftig die Aufgabe von Mark Branson sein. Der gebürtige Brite steht seit 2014 an der Spitze der Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma, im Sommer soll er Bafin-Präsident werden.
Am Mittwoch sprach er mit den Abgeordneten des Finanzausschusses. Er betonte, dass es sich die Bafin nicht leisten könne, den Anschein von Interessenskonflikten zu erwecken. Auch Verbote schloss er nicht aus.
800.000 Euro für Verbesserungsvorschläge
Unter den Finanzexperten kommt Branson bisher gut an. „Mark Branson ist eine Toppersonalie. Er bringt viel Renommee und Erfahrung mit“, sagt Schick. Nur ein neues Gesicht reiche aber nicht aus. Schlagkräftig könne eine Aufsicht nur werden, wenn sie Rückendeckung aus dem Ministerium habe, so Schick. Das sei bisher nicht der Fall. „Bei Fehlern suchte das Finanzministerium die Schuld bei der Bafin“, sagt Schick.
Bei Scholz’ Plänen, die Bafin zu einer bissigen und überhaupt zur „weltbesten“ Kontrollbehörde zu machen, hapert es bereits. Zwar wurden der Beratungsgesellschaft Roland Berger fast 800.000 Euro dafür bezahlt, dass sie ein 54-seitiges Papier erarbeitete, was in Zukunft besser laufen müsse.
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Weniger Personal als bisher angenommen
Die ursprünglich geplanten 300 neuen Stellen hat das Finanzministerium nach „Handelsblatt“-Informationen aber bereits auf 158 neue Stellen zusammengestrichen. „Wunsch und Wirklichkeit passen nicht zusammen“, sagte die Grünen-Finanzpolitikerin Lisa Paus unserer Redaktion.
Für sie sind auch die weiteren Reformpläne zu mutlos. „Die Hauptaufgaben werden weiter an externe Prüfungsgesellschaften ausgelagert. Für Bereiche wie Geldwäsche gibt es erst gar nicht ein Mandat. Eine schlagkräftige Spezialeinheit sieht anders aus“, meint Paus.
Kommunen kritisieren Bafin im Greensill-Skandal
Die Bafin steht vor schwierigen Wochen. Womöglich bis August wird sie ohne Präsidenten auskommen müssen. Dabei ist schon der nächste Skandal ins Haus geplatzt: die insolvente Bremer Greensill Capital. Die Bafin schloss die Tochter des britisch-australischen Finanzkonglomerats Anfang März.
50 deutsche Kommunen hatten bei Greensill insgesamt rund 500 Millionen Euro angelegt – Steuergeld, das womöglich futsch ist. Erste Kommunen bereiten Klagen gegen die Bafin vor. Sie werfen der Aufsicht vor, sie zu spät gewarnt zu haben. Innerhalb der Bafin macht man sich keine Vorwürfe. Im Gegensatz zu Wirecard, wo man „nicht die nötige Distanz gehabt“ habe, sei man bei Greensill aktiv geworden, sagte der für die Bankenaufsicht zuständige Bafin-Exekutivdirektor Raimund Röseler im Wirecard-Untersuchungsausschuss.
Früher hätte man nicht handeln können. „Sie erwarten auch nicht von einem Polizisten, dass er jemanden wegen Betrugs verhaftet, nur weil er komisch aussieht.“