Berlin. Die Aufsichtsbehörden zockten mit Aktien des Skandalunternehmens. Dem wird künftig ein Riegel vorgeschoben. Die Regeln werden strenger.
Zu Wochenbeginn kostete der Skandal um den insolventen Zahlungsdienstleister Wirecard erstmals einen hochrangigen Behördenmitarbeiter den Job: Ralf Bose, bisheriger Leiter der Wirtschaftsprüferaufsicht Apas, musste seinen Hut nehmen, nachdem herauskam, dass er mit Wirecard-Aktien handelte – während seine eigene Behörde sich in einem Verfahren gegen den Wirecard-Prüfer EY befand.
Und nicht nur bei der Apas wurde offenbar mit den Wertpapieren des einstigen Börsenüberfliegers gezockt. Nach Recherchen der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ wurde unter den Mitarbeitern der Finanzaufsicht Bafin mit keiner anderen Aktie in den eineinhalb Jahren vor dem Kollaps so viel gehandelt wie mit dem Wertpapier von Wirecard.
Allein 2020 soll es 41 Fälle gegeben haben. Ende November trennte sich die Bafin nun von einem Mitarbeiter, der den privaten Handel zu spät gemeldet hatte.
Wirecard-Skandal: Bund stärkt Bilanzkontrolle und Aufsicht
Es sind brisante Vorwürfe, immerhin hatte die Bafin noch 2019 ein Leerverkaufsverbot gegen Wirecard verhängt. Erstmals schob die Bafin damit bei einer einzelnen Aktie Anlegern, die auf fallende Kurse spekulieren, einen Riegel vor. Zugleich nahm sie Ermittlungen gegen Journalisten der „Financial Times“ auf, die bereits damals große Teile des Puzzles, das später ein Bild des gesamten Skandals um die verschwundenen 1,9 Milliarden Euro ergab, zusammengetragen hatten.
Ein Vorgang, der bei Finanzexperte Gerhard Schick für Kopfschütteln sorgt. Der Gründer der Bürgerbewegung Finanzwende sagte unserer Redaktion: „Wie lächerlich macht sich bitte eine Behörde, die Insiderhandel kontrollieren soll und dann intern mit Aktien eines Unternehmens handelt, das sie beaufsichtigen soll?“
Die Bundesregierung will diesen Machenschaften nun entschlossener entgegentreten. Dafür verabschiedete das Kabinett am Mittwoch einen Gesetzentwurf, der private Finanzgeschäfte der Bafin-Mitarbeiter stärker einschränken soll. Außerdem soll die Behörde mehr Befugnisse bekommen, für Abschlussprüfer sollen strengere Regeln gelten.
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Strafmaß wird verschärft
Konkret soll die Bafin künftig auch bei Verdachtsfällen für die Überprüfung von börsennotierten Unternehmen zuständig sein. Bisher war sie auf ein Zusammenspiel angewiesen: Erst prüften die privaten Wirtschaftsprüfer die Buchhaltung, dann kam die privatrechtliche Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) an die Reihe. Eine Kette, in der Ungereimtheiten durchaus versanden konnten.
Auch das Strafmaß beim „falschen Bilanzeid“ wird gestrafft. Wenn fälschlicherweise behauptet wird, dass ein Abschluss ein zutreffendes Bild der Lage eines Konzerns zeichnet, drohen bis zu fünf Jahre Gefängnis. „Das gilt auch für ein inhaltlich unrichtiges Testat des Abschlussprüfers zu dem Abschluss eines Unternehmens von öffentlichem Interesse“, sagte Justizministerin Christine Lambrecht (SPD).
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Haftungsobergrenzen bei Wirtschaftsprüfern werden erhöht
Auch bei den stark in die Kritik geratenen Wirtschaftsprüfern werden die Zügel angezogen. Sie müssen bei börsennotierten Unternehmen alle zehn Jahre wechseln und sollen ein Unternehmen, das sie beraten, nicht gleichzeitig prüfen dürfen. Auch die Haftungsgrenzen werden angehoben: von derzeit vier auf künftig 16 Millionen Euro.
Bei grob fahrlässigem Verhalten soll es keine Obergrenze für die Haftung mehr geben. „Der Gesetzentwurf ist ein entscheidender Schritt, um die Bilanzkontrolle zu stärken, die Wirtschaftsprüfung zu reformieren und härter gegen kriminelle Machenschaften vorzugehen“, sagte Finanzminister Olaf Scholz (SPD).
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Kritik an der Finanzaufsicht Bafin
Das sehen nicht alle so. „Das Versagen der Bafin lag nicht in erster Linie an ihren Kompetenzen“, sagte Florian Toncar, Obmann der FDP im Wirecard-Untersuchungsausschuss, unserer Redaktion. Es sei eher ein strukturelles Problem. „Aktuell arbeitet die Bafin stark juristisch und verwaltungstechnisch“, sagt Toncar. Zu wenig Wert werde dagegen auf ökonomische oder forensische Betrachtungen gelegt. Und: „Die eine Fachabteilung der Bafin weiß nicht, was die andere gerade macht.“
Toncar fordert eine grundlegende Neuausrichtung der Bafin – inklusive personeller Konsequenzen. Das sieht auch Finanzexperte Gerhard Schick so. „Diese Neuausrichtung kann nur mit einer neuen Leitung, neuen organisatorischen Strukturen und neuen Hausregeln funktionieren“, sagte Schick. Der Verbraucherschutz müsse in den Vordergrund gerückt werden.
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Karl-Theodor zu Guttenberg muss als Zeuge aussagen
Unangenehm im Fall Wirecard dürfte es heute unter anderem für den früheren Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) und den früheren Ersten Bürgermeister von Hamburg, Ole von Beust (CDU), werden. Beide sind als Zeugen vor dem Untersuchungsausschuss geladen und sollen zu ihrer Rolle als Lobbyisten für Wirecard befragt werden.
„Lobbybaron und Plagiatkönig Karl-Theodor zu Guttenberg wird Rede und Antwort stehen müssen zu seinem exklusiven Zugang zur Kanzlerin, den er sich scheinbar sehr gut vergüten lassen hat“, sagte die SPD-Finanzpolitikerin Cansel Kiziltepe unserer Redaktion. Zu Guttenberg hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor deren China-Reise 2019 kontaktiert, bei der die Kanzlerin für Wirecard warb. Vor einem Monat musste sich bereits der frühere Chef von Wirecard, Markus Braun, in einer denkwürdigen Sitzung den Fragen der Abgeordneten stellen.