Hamburg. Ende einer langen Firmengeschichte. Arno Schmidt über Gründe, eine große Erleichterung – und eine allerletzte kleine Hoffnung.
Es ist das Ende einer Ära. Ein großes Wort, doch es ist für die Geschichte des Wäschehauses Möhring nicht zu hoch gegriffen. Wenn das Geschäft heute ein letztes Mal für seine Kunden öffnet, gehen 218 Jahre hanseatischer Handelstradition zu Ende.
Schon zu Zeiten, als Segelschiffe das Bild des Hafens prägten, versorgte Möhring die Hamburger. Mit „Weißwaren und Flachwäsche“, wie es in der Historie der Firma heißt. Anfangs fuhren die Kunden noch in Kutschen vor, mehrere Generationen von Familien bezogen ihre Aussteuer in dem Fachgeschäft.
1902 feierte Möhring das 100-jährige Bestehen an der ABC-Straße. Nach dem Krieg beschlagnahmten die Engländer den Laden, eine Notunterbringung in den Räumen des Schuhhauses Elsner an der Mönckebergstraße verhinderte die Schließung. Und auch in den nachfolgenden Jahrzehnten gab es Hochs und Tiefs in dem Fachgeschäft für edle Bettwäsche und Badetücher.
Aus für das Wäschehaus Möhring: "Alle sind traurig"
„Aber nun ist Schluss“, sagt Inhaber Arno Schmidt. Gemeinsam mit den Kunden, die letzte Waren derzeit per Call & Collect bei ihm abholen und hinter einer Abschirmung aus Plexiglas ihre Pakete mit Pyjamas entgegennehmen, lässt er vergangene Zeiten Revue passieren. „Alle sind traurig, aber sie haben auch Verständnis und machen uns die schönsten Komplimente“, sagt der Unternehmer bescheiden, ein Patriarch alter Schule, der mit Einstecktuch und welligem grauen Haar auch äußerlich dem Ideal eines hanseatischen Kaufmanns entspricht.
Handel ist Wandel. Das hat Schmidt in seiner nunmehr 63 Jahre währenden Laufbahn in der Branche am eigenen Leib erfahren. Er begann seinen Werdegang mit einer Lehre bei Peek & Cloppenburg in Düsseldorf, übernahm Möhring als geschäftsführender Gesellschafter 1997, musste dann 2017, nach dem Umzug an den Großen Burstah, noch einmal in vielen Dingen neu anfangen.
1000 Töpfe, Lenffer und Brinkmann mussten schließen
Dieser Standortwechsel, der Wegzug vom Neuen Wall, hat wohl den Ausschlag gegeben für das Ende der Marke Möhring. Für das Verschwinden eines Namens, der sich einreiht in die Häuser, die einst den Hamburger Handel prägten und doch schließen mussten, wie Brinkmann, 1000 Töpfe oder Lenffer. 1000 Töpfe konnte bei den günstigeren Internetpreisen nicht mehr mithalten, es war neben Brinkmann das zweite Fachgeschäft für Elektronik und Haushalt, das aufgeben musste. Lenffer, bekannter Name für feine Tischkultur, schloss ebenfalls am Großen Burstah seinen Laden – nach mehr als 50 Jahren.
Dabei gehörte das jetzige Sorgenkind Großer Burstah früher zu den renommiertesten Einkaufsstraßen der Hansestadt. „Doch nun fehlen wohl noch einige Jahre, bis das wieder so sein wird“, sagt Schmidt. Während dereinst das Deutsche Familienkaufhaus an dem Prachtboulevard residierte und Passanten die Jugendstil-Fassaden der Geschäftshäuser bestaunten, bescherten später zahlreiche Baustellen dem Burstah Probleme: Die Straße wurde vielerorts zum staubigen Schutthaufen. Der Lärm der Presslufthämmer dominiert bis heute die Verbindungsader zwischen Rathaus und Rödingsmarkt.
Stammkunden haben Standortwechsel nicht mitgemacht
Schmidt begrüßt, dass in der City bald weniger Autos durch die Einkaufsstraßen rollen sollen. Denn „verkehrsberuhigt heißt ja nicht umsatzberuhigt“, findet der Kaufmann. Doch an der neuen Adresse gebe es kaum Laufkundschaft. „Und einige unserer Stammkunden haben den Wechsel auch nicht mitgemacht“, sagt Schmidt, der in diesen Worten leichte Wehmut mitschwingen lässt, aber nie jammert. Und den Umzug auch nicht bereut. „
Wir konnten am Neuen Wall bei den Mieten einfach nicht mehr mithalten.“ Am Großen Burstah funktioniere das Flanieren jedoch nicht wie am Neuen Wall, sagt der Kaufmann, der mit Luxustextilien aus der Schweiz, England oder „Made in Germany“ perfekt in die Ecke passte: An der Edelmeile gab und gibt es für hochwertiges Porzellan Weitz, für Mode Unger, dort spielte die Musik für die wohlhabende Klientel.
Möhring-Mitarbeiter schon vor Monaten informiert
Nun ist es die richtige Zeit zu gehen, sagt Schmidt, und wirkt zumindest äußerlich gelassen, wenn es um das Ende seines Berufslebens geht. Immerhin ist der Mann 80 Jahre alt, doch dieser Umstand hätte den agilen Unternehmer wohl nicht zum Aufgeben gebracht. „Ich fühle mich dem Namen Möhring verpflichtet, wie auch den Kunden, und natürlich unseren Mitarbeitern.“
Die Beschäftigten hat Schmidt schon vor Monaten darüber informiert, dass ihr Arbeitgeber vor dem Aus steht. „Wir wollten alles regeln, ohne dass eine finanzielle Lücke entsteht. Aber wir wussten auch, dass wir ein Versprechen für die Zukunft des Geschäfts nicht halten könnten“, sagt Schmidt über sein Ziel, das Haus solvent zu schließen.
Inzwischen hätten fast alle seine Mitarbeiterinnen eine neue Stelle. Dass die Beschäftigten, die oft über Jahrzehnte bei ihm arbeiteten, nun eine berufliche Zukunft gefunden hätten, empfindet Schmidt „als ganz große Erleichterung“.
Nicht die Pandemie hat Möhring den Todesstoß versetzt
Zugleich betont der Unternehmer, dass es nicht die Pandemie war, die dem Haus den Todesstoß versetzt hat. „Wir haben auch keine Hilfen beantragt“, sagt der Kaufmann, der Lauf der Dinge habe sich eben schon vor Corona abgezeichnet. Beispiel Internet: „Wir haben eine Webpräsenz, hätten aber nicht die Mittel gehabt, um die Wünsche der Kunden an einen Onlineshop zu erfüllen, mit großem Lager und schneller Lieferung“, nennt Schmidt eine weitere Herausforderung heutiger Zeiten, der Möhring nicht mehr gewachsen war.
Lesen Sie auch:
- Otto will sein Kantinenessen ins Homeoffice liefern
- Mit Bio-Tofu „made in Hamburg“ durch die Corona-Zeit
- Deutsche Bank schließt Filialen – auch Hamburg betroffen
Zuletzt habe seine Enkelin Anna, mit 18 Jahren mit dem Internet aufgewachsen, den Auftritt im Netz noch etwas verbessert, auch seine Tochter Sandra-Valeska, eine Journalistin, habe ihn und seine Frau, die ebenfalls seit Jahrzehnten täglich im Geschäft steht, unterstützt. Doch eine Lösung für die Nachfolge sei in der Familie nie infrage gekommen.
Lange Arbeitswoche bei Möhring war selbstverständlich
„Ich werde jetzt mit meinem Mann die Zeit genießen“, sagt seine Gattin Susanne, „mal spazieren gehen an der Elbe, wenn das Wetter schön ist.“ Denn die Spontaneität solcher Unternehmungen in der Nähe ihrer Wohnung in Blankenese hätten sie sich bisher nicht zugestanden.
Eine Fünf- bis Sechs-Tage-Woche bei Möhring war für beide Ehepartner selbstverständlich. „Und für mich geht es jetzt wieder häufiger im Indianertrab, zwischen Laufen und Gehen, durch den Hirschpark“, sagt Arno Schmidt. Nach mehr als 60 Jahren im Handel werde er die Kunden vermissen, sagt er leise, strafft sich dann und kommt zum Positiven zurück: „Weniger fehlen wird mir allerdings der Zwang, ständig gute Zahlen schreiben zu müssen.“
So unabänderlich für Schmidt selbst die Entscheidung ist, heute bei Möhring seinen letzten Arbeitstag zu haben – so ganz möchte er die Hoffnung auf einen Fortbestand der Firma nicht aufgeben. „Vielleicht findet sich doch noch jemand, der den Namen weiterleben lässt.“