Hamburg. Nordakademie-Professor gibt Tipps für die Zeit nach Corona. Wann Mitarbeiter ihre besten Ideen haben.

Für Henrique Schneider ist es schon länger erstaunlich, dass Länder wie Deutschland, Frankreich und die Schweiz seit Jahren viel Geld in die Digitalisierung stecken, die Produktivität der Volkswirtschaften aber nur vergleichsweise gering zulegen. Der Ökonom, der seit 2018 als Professor an der Nordakademie lehrt, spricht von einem „Rätsel der Produktivität“. Zugleich hat er während der Pandemie eine erstaunliche Entdeckung gemacht.

In den ersten Monaten der Corona-Krise 2020 hat es in den drei Ländern einen Zuwachs an Produktivität wie selten zuvor gegeben, berichtet der Volkswirt. Die Produktivität definiert Schneider, indem er die Wertschöpfung einer Volkswirtschaft durch die geleisteten Arbeitsstunden teilt. Seine Erklärung: Die Beschäftigten – vor allem im Homeoffice – haben gezielter, effizienter gearbeitet.

Beschäftigte konzentrieren sich stärker auf den Kern ihres Jobs

Auf den ersten Blick unproduktive Tätigkeiten wie der Plausch mit Kollegen in der Kaffeepause sind weggefallen, die Beschäftigten haben sich stärker auf den Kern ihres Jobs konzentriert, Freiräume gab es kaum.

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Schneider warnt Unternehmen dennoch davor, Homeoffice langfristig als bessere und produktivere Alternative zum Arbeiten im Büro zu verherrlichen. Sicherlich liege es mit Blick auf mögliche Kosteneinsparungen (Abmieten von Büros) nahe, die Beschäftigten auch nach der Pandemie primär im Homeoffice arbeiten zu lassen. Doch Schneider ist sich sicher: Das würde den Unternehmenserfolg langfristig gefährden.

Soziale Funktionen in Betrieben seien weggefallen

Die Begründung des Ökonomen: Im Lockdown seien durch das breit angelegte Homeoffice soziale Funktionen in Betrieben weggefallen, die auf den ersten Blick als unproduktiv gelten: eben der Plausch in der Kaffeepause, das gemeinsame Gespräch einer Abteilung beim Mittagessen, die kurze Begegnung auf dem Flur.

Henrique Schneider lehrt und
forscht an der
Nordakademie
Hochschule der
Wirtschaft.
Henrique Schneider lehrt und forscht an der Nordakademie Hochschule der Wirtschaft. © Nordakademie | Nordakademie

Doch genau bei diesen spontanen, oft zufälligen Treffen entstünden mit die besten Ideen für ein Unternehmen. Diese Geistesblitze könne man nicht in fest vereinbarten Video-Konferenzen auf Knopfdruck abrufen.

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Schneider ist sich sicher: „Digitale Konzepte können physische Zusammenkünfte nicht ersetzen.“ Aus seiner Sicht muss es auch nach der Pandemie regelmäßige Treffen mit Abteilungen geben, die nicht unter der Überschrift „Arbeit“ stehen dürften.

So könne man sich zum Beispiel einmal in der Woche auf ein Glas Wein treffen, schlägt der Ökonom vor „Es müssen Möglichkeiten des gemeinsamen Austauschs geschaffen werden, ohne ein konkretes Ziel.“ Wer langfristig auf zu viel Homeoffice setze, da ist sich Schneider sicher, gefährde wichtige kreative Prozesse – und auch den Zusammenhalt in der Firma.