Hamburg. Komplette Freigabe in der zweiten Jahreshälfte. Die Wirtschaft ist zufrieden, Umweltschützer sind enttäuscht. Und ein Problem bleibt.

Auf diese Nachricht hat Hamburgs Wirtschaft lange warten müssen: Die Elbvertiefung ist vollzogen. Nachdem die Hafenverwaltung Hamburg Port Authority (HPA) ihren Teil der Vertiefungsarbeiten bereits vor einigen Wochen abschließen konnte, folgte nun auch der Bund, der für die Baggerarbeiten auf der langen Strecke zwischen Hamburgs Landesgrenze und der Elbmündung zuständig ist. „Die Baggerarbeiten zur Vertiefung und Verbreiterung der Fahrrinne sind von der HPA und der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes in diesem Monat vollständig abgeschlossen worden, sodass voraussichtlich ab Anfang Mai verbesserte zulässige Höchsttiefgänge freigegeben werden können“, so eine Sprecherin der Wirtschaftsbehörde.

Zuletzt hatte der Tieflöffelbagger „Samson“ noch in der Elbmündung vor Brunsbüttel (Kreis Dithmarschen) große Hindernisse wie Wrackteile und Findlinge aus dem Weg geräumt. Nun sind nur noch Restarbeiten notwendig. Unter anderem zieht sich die neue Befestigung der Uferböschung in der Köhlbrandkurve hin. Die eigentlichen Vertiefungsarbeiten sind aber abgeschlossen.

Elbvertiefung: Im September 2006 ging es los

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) frohlockte: „Der Bund hat geliefert: Die Wasserbauarbeiten an der Elbe zwischen der Nordsee und Hamburg sind abgeschlossen. Damit liegen wir an der Bundesstrecke bislang sowohl im Zeit- als auch im Kostenplan und können so absehbar den Verkehr zum und aus dem Hamburger Hafen wesentlich erleichtern.“ Hans-Heinrich Witte, Präsident der Generaldirektion Wasserstraßen des Bundes, ergänzte: „Eine Mammutaufgabe ist geschafft, eines der wichtigsten Verkehrsprojekte steht vor dem Abschluss.“

Lange hat es gedauert, eines der größten deutschen Bauprojekte der vergangenen Jahre abzuschließen, bei dem mehr als 40 Millionen Kubikmeter, Sedimente ausgebaggert werden mussten. Im September 2006 hatte Hamburg das Planfeststellungsverfahren beantragt. 15 Jahre später – nach mehrfachen Umplanungen, umfangreichen Gerichtsprozessen und etwa eineinhalb Jahren Bauzeit – ist es nun so weit. Künftig sollen Schiffe mit einem Tiefgang von 13,50 Metern die Elbe jederzeit befahren können, mit 14,50 Metern tideabhängig.

Lesen Sie auch:

Freigabe in zwei Stufen

Doch wer eine sofortige Freigabe der gesamten ausgebaggerten Tiefgänge erwartet hat, sieht sich enttäuscht, diese soll nämlich in zwei Stufen erfolgen. „Voraussichtlich ab kommendem Mai werden die den Hafen anlaufenden Seeschiffe die mit der Fahrrinnenanpassung erlangten Tiefgangsverbesserungen zunächst zu etwa der Hälfte ausnutzen können. Nach der zweiten und abschließenden Freigabestufe, die voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte 2021 umgesetzt wird, können die verbesserten Tiefgänge voll ausgeschöpft werden“, sagte die Sprecherin der Wirtschaftsbehörde.

Sie nannte zwei Gründe: Zum einen könnten nach Abschluss der Baggerarbeiten noch nachlaufende Veränderungen an den Unterwasserböschungen bis in die Fahrrinne hinein auftreten. Zum anderen sollten Schiffsführungen, insbesondere aber auch die Lotsen sowie die Verkehrszentralen nach der ersten Freigabestufe die Gelegenheit haben, Erfahrungen mit den veränderten Rahmenbedingungen zu sammeln.

Der Schlick bleibt ein Problem

Dass Hamburg zudem Probleme hat, große Mengen Schick loszuwerden, darauf ging die Sprecherin nicht ein. Allerdings nimmt die Opposition in der Bürgerschaft dieses Thema aufs Korn: Dass die Elbvertiefung abgeschlossen ist, sei zwar gut, aber es drohe weiter Ungemach, sagte Goetz Wiese, wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion. „Der Senat bekommt das Thema Schlick nicht in den Griff. Es fehlen Lagerstellen, und die Kosten steigen. 2019 hat das Ausbaggern schon 18 Prozent mehr gekostet als im Jahr zuvor, Tendenz steigend. Genehmigungen fehlen.“ Die HPA spreche selbst von erheblichen Risiken für eine nachhaltige Verkehrsfreigabe auf der Elbe. „Der Senat setzt die Hafenwirtschaft damit erheblichen Risiken aus“, so Wiese.

Auch Norbert Hackbusch von der Links-Fraktion äußert sich zum Schlick: „Die Elbvertiefung war und ist ökologisch äußerst fragwürdig. Außerdem war sie sehr teuer. Aber dafür haben Senat und Hafenwirtschaft mehr Umschlag und Arbeitsplätze versprochen. Dieses Versprechen war augenscheinlich falsch. Stattdessen reagiert der Fluss mit einer kräftigen Verschlickung des Hafens, die nur unter großen Anstrengungen und mit hohen finanziellen Mitteln entsorgt werden kann.“

Elbvertiefung "schlechte Nachricht" für Umweltschützer

Von einer „schlechten Nachricht“ für die Elbe sprachen gar die im Aktionsbündnis Tideelbe zusammengeschlossenen Umweltverbände Nabu, BUND und WWF. Der Zustand des Flusses verschlechtere sich zusehends, lautet ihr Resümee „Stintsterben, zunehmende Trübung und eine immer höher auflaufende Tide sind dafür klare Belege“, heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung. Zudem verschlickten die Randbereiche des Flusses immer stärker, sodass immer mehr Flachwasserzonen als Kinderstube für die Elbfische nicht mehr zur Verfügung stünden und die Sauerstoffproblematik in den Sommermonaten verstärkt würde. „Da Hamburg aktuell nicht weiß, wohin mit den zusätzlichen Sedimenten, bleibt die Frage offen, ob die zugesagte Solltiefe tatsächlich überall erreicht und gehalten werden kann.“

Die Fahrrinnenanpassung biete eine große Chance für den Hafen, sagte hingegen der Präses der Handelskammer, Norbert Aust. „Wir werden diese Chance aber nur ergreifen, wenn wir gleichzeitig eine energische und konsequente Zukunftsausrichtung des Gesamtsystems Hafen anstoßen, wie wir dies in unserem Zukunftsplan Hafen 2040 vorschlagen.“ Basis für den neuen Hafenentwicklungsplan des Senats müsse eine unabhängige Potenzialanalyse sein.

Für Wirtschaftssenator Michael Westhagemann kommt die Nachricht jedenfalls zum richtigen Zeitpunkt. Der parteilose Politiker spricht in diesen Tagen per Video mit den wichtigsten Hafenkunden weltweit. Auch dort wurde die Nachricht bereits sehr positiv aufgenommen, hieß es aus der Behörde.