Hamburg. Steuerzuschlag fällt weg, Gehälter steigen. Finanzexperten sagen, wie man das Plus auf dem Konto für die Altersvorsorge nutzen kann.
Ab Januar werden die Steuerzahler deutlich entlastet. Auch, wenn eine Gehaltserhöhung gar nicht ansteht, wird es für die allermeisten Beschäftigten ein Plus auf der Verdienstabrechnung geben. Der Grund ist die Abschaffung des Solidaritätszuschlages (Soli) für rund 90 Prozent aller Lohn- und Einkommensteuerzahlenden in Deutschland. Die monatliche Ersparnis reicht – je nach Gehalt – von 10 Euro bis zu 155 Euro für ein gut verdienendes Ehepaar. Wer diesen Betrag spart und etwa für die Altersvorsorge anlegt, statt ihn auszugeben, kann bis zur Rente bis zu 100.000 Euro ansammeln. Wie viel bringt die weitgehende Abschaffung des Soli? Welche Anlageformen sind geeignet? Was muss beachtet werden und wie hoch sind die Kosten? Im Abendblatt beantworten Finanzexperten die wichtigsten Fragen.
Was ist der Soli?
Der Steuerzuschlag wurde im Juli 1991 zur Finanzierung der deutschen Einheit eingeführt. Anfangs wurden auf die Einkommensteuer noch einmal 7,5 Prozent aufgeschlagen, ab 1998 waren es noch 5,5 Prozent.
Wie hoch ist die Entlastung?
Die Hamburger Sutor Bank hat ausgerechnet wie stark unterschiedlich hohe Einkommen entlastet werden. „Entscheidend ist die sogenannte Freigrenze, bis zu der in Zukunft kein Solidaritätszuschlag erhoben wird“, sagt Michael Gott von der Sutor Bank. „Diese jährliche Freigrenze beträgt derzeit noch 972 Euro der Steuerzahlung, in Zukunft wird sie auf 16.956 Euro angehoben.“ Bei einem zu versteuernden Jahreseinkommen von rund 62.000 Euro bei Einzelveranlagten, also Singles, ist die Entlastung demnach am größten (siehe Grafik). Die Ersparnis liegt dann bei rund 930 Euro im Jahr. Mit steigendem Einkommen nimmt sie aber wieder wieder ab. Ein Single mit einem zu versteuernden Einkommen von 40.000 Euro spart 458 Euro im Jahr und kann monatlich 38 Euro zur Seite legen. Bei zusammen Veranlagten, etwa einem Ehepaar, liegt die höchste Ersparnis bei einem Jahreseinkommen von insgesamt rund 124.000 Euro und beträgt knapp 1860 Euro pro Jahr. Danach nimmt sie ebenfalls wieder ab. Steuerzahler mit hohem Einkommen müssen weiter mindestens einen Teil oder sogar den gesamten Soli zahlen.
Warum ist die Entlastung bei höheren Einkommen geringer?
Sobald die gezahlte Einkommensteuer die künftige Freigrenze auch nur um einen Euro überschreitet, würde das Gehalt in voller Höhe mit dem Soli belastet. Um das zu vermeiden, wurde eine sogenannte Milderungszone eingeführt, die bis zu einem zu versteuernden Einkommen von 96.409 Euro gilt. Für Verheiratete verdoppelt sich dieser Betrag. Wer mehr als 96.409 Euro verdient, muss den Soli weiterhin voll entrichten. Singles mit einem Einkommen von 100.000 Euro und mehr sowie gemeinsam veranlagte Paare mit mehr als 200.000 Euro Einkommen erhalten gar keine Entlastung. Das betrifft etwa 3,5 Prozent der Steuerzahler. Doch 90 Prozent müssen den Soli gar nicht mehr abführen, etwa 6,5 Prozent der Steuerzahler werden zumindest teilweise entlastet. Dabei ist das zu versteuernde Jahreseinkommen aber nicht identisch mit dem Bruttoeinkommen. Von diesem können noch eine Reihe von Beträgen steuerlich abgesetzt werden, beispielsweise Sozialbeiträge, Kinderfreibeträge oder der Pauschalbetrag für Werbungskosten. Das Bundesfinanzministerium schätzt, dass Singles bis zu einem Bruttolohn von rund 73.000 Euro und Paare bis zu etwa 151.000 Euro gemeinsamem Einkommen keinen Soli mehr bezahlen. Tipp: Die Ersparnis lässt sich leicht auf dem Gehaltszettel ablesen, denn der Solidaritätszuschlag wird dort gesondert ausgewiesen.
Was spricht dafür, den eingesparten Solizuschlag anzulegen?
Wer es sich leisten kann, sollte ernsthaft über eine effektive Anlage des Betrages nachdenken. „Anleger sollten dieses quasi staatlich ermöglichte Vermögensaufbau-Programm unbedingt nutzen, denn daraus kann in Jahrzehnten ein kleines Vermögen werden“, sagt Michael Gott. Wer allerdings noch Schulden wie Konsumentenkredite hat, sollte zuerst diese abzahlen, wenn die Zinsen dafür höher sind als die Rendite der Geldanlage, raten Verbraucherschützer. Auch wer einen Immobilienkredit abbezahlt, kann das eingesparte Geld für eine Sondertilgung nutzen, sofern das der Kreditvertrag ermöglicht.
Welche Anlageform bietet sich an?
Das Geld auf dem Giro- oder Tagesgeldkonto anzusammeln, ist keine gute Idee, es sei denn, der Betrag wird in absehbarer Zeit für andere Ausgaben benötigt. Denn langfristig wird die Inflation höher sein als der Zins, sofern es überhaupt einen gibt. „Durch die Corona-Pandemie wird sich die zinslose Phase deutlich verlängern“, sagt Bernd Schimmer, Wertpapierstratege der Hamburger Sparkasse (Haspa). Er rechnet mit einem Zeitraum von mindestens fünf bis zehn Jahren. „In dieser Phase werden Substanzwerte wie etwa Aktien eher eine reale Rendite bringen.“ Die Sutor Bank empfiehlt eine renditeorientierte Anlage etwa in sogenannten Indexfonds mit dem Fokus auf Aktien. „Infrage kommen Exchange Traded Funds (ETF) auf den MSCI World Index, der rund 1600 Aktien aus 23 Industrienationen bündelt, oder der MSCI All Countries World Index, der Aktien von rund 3000 Unternehmen aus Industrie- und Schwellenländern umfasst“, sagt Anlageexperte Gott.
Wie lässt sich eine solche Anlage
umsetzen?
Viele Geldinstitute bieten Sparpläne auf solche ETFs an. Ein besonders umfangreiches Angebot haben Direktbanken wie Comdirect oder ING. Letztere bietet solche Sparpläne bereits ab einem Euro an. Damit lässt sich der ab Januar eingesparte Soli punktgenau in eine solche Anlage umsetzen. Oft gelten bei ETF-Anlagen monatliche Sparraten von 25, 50 oder 100 Euro. „In Zeiten mager verzinster klassischer Sparprodukte wollen wir unseren Kunden den Einstieg in den Kapitalmarkt erleichtern“, sagt Thomas Dwornitzak, der Leiter des Firmenbereichs Sparen und Anlegen bei der ING Deutschland. Der Anlagebetrag wird monatlich mit einem Dauerauftrag auf den Sparplan eingezahlt. Notwendig ist auch ein Depot, das es bei einigen Banken kostenlos gibt. Wer einen höheren Betrag spart, kann auch mehrere ETFs kombinieren. Zum Beispiel solche, die den Deutschen Aktienindex (DAX) oder den europaweiten Aktienindex EuroStoxx50 abbilden. Wichtig ist für ETF-Anleger eine gewisse Ausdauer, denn ungünstig wäre, wenn das angelegte Geld zu einem Zeitpunkt benötigt wird, zu dem die Aktienkurse niedrig sind.
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Welche Renditen sind bei einer solchen Anlage möglich?
Die Sutor Bank rechnet mit einer durchschnittlichen Rendite von fünf Prozent. Sie stützt sich dabei auf Statistiken des Fondsverbandes BVI. Demnach erzielte die Fondsgruppe „Aktienfonds global“ bei regelmäßigen Einzahlungen über 20 Jahre hinweg in der Vergangenheit eine Wertentwicklung von durchschnittlich 5,4 Prozent pro Jahr, über einen Zeitraum von 30 Jahren sogar von 6,5 Prozent pro Jahr. In den Beispielrechnungen (siehe Grafik) werden fünf Prozent Rendite angenommen. Zudem werden in der Berechnung auch Kosten in Höhe von 1,5 Prozent der jeweiligen Sparrate berücksichtigt. Ein gut verdienendes Ehepaar (beide 40 Jahre alt), das bis zur Rente mit 67 regelmäßig die 155 Euro des eingesparten Soli in einen solchen Aktiensparplan steckt, kommt demnach auf insgesamt 103.000 Euro. Ein 30 Jahre alter Single hat mit einer monatlichen Rate von 38 Euro nach 37 Jahren rund 47.000 Euro angespart.
Sind Aktien nicht schon recht teuer für eine Anlage?
„Alle Anlageklassen sind teuer, nicht nur Aktien, sondern auch Staatsanleihen oder Gold“, sagt Haspa-Experte Schimmer. Und: Anleger müssen auch mit Rückschlägen an der Börse rechnen. „Aber bei einem langfristigen Sparplan spielt der Startzeitpunkt keine Rolle“, so Schimmer. „Der richtige Zeitpunkt ist immer jetzt.“ Mit regelmäßigen, konstanten Einzahlungen werden Kursschwankungen langfristig ausgeglichen.
Was kann den Anlageerfolg schmälern?
Paradoxerweise der Soli. Wenn der Sparerpauschbetrag von 801 Euro (Verheiratete 1602 Euro) ausgeschöpft ist, zieht die Bank neben der 25-prozentigen Abgeltungssteuer weiter auch 5,5 Prozent Solidaritätszuschlag ab. Denn für Sparer und Anleger hat Bundesfinanzminister Olaf Scholz den Soli nicht abgeschafft.