Hamburg. Hamburger Konzern leidet nicht unter Krise. Aufträge wachsen. Jetzt zahlt Körber jedem Mitarbeiter eine Corona-Prämie von 500 Euro.

Der Hamburger Maschinenbau- und Technologiekonzern Körber AG machte zuletzt vor allem mit Problemen in seiner Tabaksparte von sich reden. Etliche Jobs werden dort gestrichen. Jetzt überrascht das Unternehmen mit positiven Nachrichten – und das mitten in der Corona-Krise. Während viele Industriebetriebe in der Stadt ihre Geschäfte zurückfahren mussten, konnte Körber seine sogar ausweiten. „Wir sind bisher sehr gut durch die Krise gekommen. Keines unserer fünf Geschäftsfelder hat unter Corona gelitten“, sagt Vorstandschef Stephan Seifert im Gespräch mit dem Abendblatt.

„Wir haben im Vergleich zum Vorjahr einen Auftragszuwachs von acht bis zehn Prozent verzeichnet. Entsprechend wird auch der Umsatz höher ausfallen als 2019.“ Gleichwohl werden in einem Konzernteil massiv Arbeitsplätze abgebaut: beim zum Konzern gehörenden Hersteller von Zigarettenmaschinen Hauni und dessen Schwestergesellschaften in Bergedorf und Schwarzenbek.

700 von 2300 Stellen im Norden fallen weg

Fast jeder dritte Job fällt hier weg: Insgesamt sollen bis 2024 rund 700 von 2300 Stellen gestrichen werden. „Das hat mit Corona nichts zu tun, sondern wir stellen seit längerem fest, dass der klassische Tabakkonsum abnimmt“, so Seifert. Bereits 2015 hatte Körber die Streichung von rund 500 Stellen durchgesetzt. Damals mit der Brechstange. Die Folge war eine mehr als gereizte Stimmung im Unternehmen, wie Vorstandschef Seifert heute einräumt. Deshalb habe Körber dieses Mal einen anderen Weg gewählt und mit den Arbeitnehmern neben dem Abbau der Arbeitsplätze einen Zukunftstarifvertrag geschlossen.

Dieser sieht nun vor, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam an der Zukunft der Tabaksparte arbeiten. „Das ist in dieser Form einmalig, aber es hat zwei enorme Vorteile“, so Seifert der seit Oktober 2016 Vorstandschef des Unternehmens ist. „Erstens sorgt dieses Vorgehen für eine hohe Akzeptanz bei den Mitarbeitern. Zweitens lassen sich viele Themen einfach schneller lösen, wenn sie bereits im Vorfeld mit den Arbeitnehmern besprochen werden.“ Hauni habe dazu mehrere paritätisch besetzte Arbeitsgruppen eingerichtet. „Ziel ist es 1600 Arbeitsplätze in Bergedorf und Schwarzenbek langfristig zu erhalten. In den Arbeitsgruppen wird darüber geredet, wie das geschieht.“ Dabei will Seifert nicht ausschließen, dass Hauni auch in den E-Zigaretten-Markt einsteigt.

Qualifizierungen und Weiterbildungsmaßnahmen

In erster Linie gehe es aber um Qualifizierungen und Weiterbildungsmaßnahmen, da sich zahlreiche Jobprofile mit der Digitalisierung änderten. „Corona hat das beschleunigt, und nicht alles wird zurückgedreht, wenn die Pandemie überstanden ist.“ Als Bespiel nennt Seifert die Abnahme und Inbetriebnahme von gelieferten Maschinen. Durch die Reisebeschränkungen sei es Körber-Ingenieuren beispielsweise schwer gefallen, diese Maschinen vor Ort in Betrieb zu nehmen.

Der weltweiten Vernetzung sei Dank, ist dies aber auch gar nicht mehr in jedem Fall notwendig. Mit Virtual-Reality-Brillen können die Ingenieure von Hamburg aus sehen, was die Leute vor Ort machen und eine Inbetriebnahme begleiten. Etwa 80 Maschinen wurden von Körber auf diese Weise bereits vor der Inbetriebnahme virtuell abgenommen. „Für unsere Ingenieure ist das natürlich eine Umstellung.“

Inspektionsmaschinen prüfen Ampullen auf Schäden

Die Körber AG, deren Alleineigentümerin die Körber-Stiftung ist, hat insgesamt fünf Geschäftssparten. Neben der Herstellung von Zigarettenmaschinen sind das der Bereich Digitales, in dem der Einsatz Künstlicher Intelligenz für Maschinen vorangetrieben wird, der Bereich Pharma, bei dem es um die Herstellung von Maschinen für die Dosierung und Verpackung von Arzneimitteln geht, die Sparte Supply Chain, die Software und Automatisierungsprodukte für die Logistikindustrie anbietet, und das Geschäftsfeld Tissue, das Maschinen für die Herstellung von Toilettenpapier, Papierhandtüchern und Servietten vertreibt. Körber beschäftigt rund 10.000 Mitarbeiter an 100 Standorten weltweit und hat im vergangenen Jahr einen Umsatz von etwas mehr als zwei Milliarden Euro erwirtschaftet.

Der Körber-Konzern, der ursprünglich ein reiner Maschinenhersteller war, hat gerade in der Digitalisierung ein Alleinstellungsmerkmal entwickelt und vereint nun mehrere Firmen in seinem Portfolio, die in ihrem speziellen Bereich Weltmarktführer sind. Amerikanische und chinesische Unternehmen dominieren das Endkundengeschäft im Internet. Im Maschinenbau und in der industriellen Fertigung ist das jedoch nicht der Fall. Dort bieten sich enorme Chancen für die Hamburger. Das Unternehmen verdient nicht nur am Verkauf neuer Produkte, sondern auch der Lizenz zur Erweiterung älterer Maschinen. Körber garantiert dabei eine zuvor festgelegte Produktivitätssteigerung. Wird diese erreicht, ist eine Bonuszahlung fällig.

Dass es in diesem Jahr besonders gut läuft, liegt nicht zuletzt daran, dass sich das Unternehmen aktiv auf die Corona-Pandemie eingestellt hat. So spielen Körber-Erfindungen auch bei der Bereitstellung des Impfstoffes eine große Rolle. „Viele große Pharma-Hersteller greifen auf unsere Maschinen für die Verpackungen von Impfstoffen zurück“, so Seifert.

Körber entwickelt Mundschutz zum Abreißen

Da zumindest der deutsche Corona-Impfstoff der Firma Biontech bei minus 70 Grad gekühlt werden muss, seien auch die Maschinen darauf eingerichtet worden, in Kälteräumen zu arbeiten. In dem stark regulierten Pharmamarkt werden zudem die Produktionsschritte streng überwacht. Körber ist auch hier Weltmarktführer für die Bereitstellung von sogenannten Inspektionsmaschinen, die Ampullen und Glasröhrchen auf Defekte hin untersuchen.

Der Bereich Tissue hat an seinem Standort im italienischen Lucca innerhalb von acht Wochen eine Weltneuheit entwickelt: Eine Maschine für Papierrollen von denen sich einfache Mund-Nasen-Schutzmasken aus Papier abreißen lassen. Gerade in Schwellenländern, wo sich viele Menschen keine herkömmlichen Schutzmasken besorgen könnten, sei das eine einfache aber massentaugliche Lösung, so Seifert. „Und sie ist zu 100 Prozent biologisch abbaubar.“ Maschinen für „Myfacerroll“ wie das Produkt heißt, werden schon in die USA und nach Chile geliefert.

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Da das Unternehmen bisher gut durch die Corona-Krise gekommen ist, hat sich Vorstandschef Seifert ein besonderes Dankeschön einfallen lassen. „Wir zahlen jedem Mitarbeiter weltweit, unabhängig von seiner Position und der Dauer seiner Betriebszugehörigkeit eine Corona-Prämie von 500 Euro“, sagt er. „Damit wollen wir unseren Mitarbeitern für ihren unermüdlichen Einsatz in der Krise danken.“

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