Hamburg. Norddeutsche Jugendliche machen bei grünem Start-up mit. Landwirte sollen profitieren. Mögliche Gewinne fließen in den Naturschutz.

Für Lenya Beyersdorff ist es eine Premiere. Sie hat zum ersten Mal ihr eigenes Produkt in der Hand. „Das kleine Frühstück riecht so gut, wie ein Müsli – auch für uns Menschen schon sehr ansprechend“, sagte die Jungunternehmerin. Als Essen für den Homo sapiens ist die Mischung aus in Öl geschwenkten Haferflocken, Sonnenblumen- und Erdnusskernen sowie Rosinen aber nicht gedacht. „Es ist auch Oregano drin, das gut für die Darmflora der Vögel ist“, sagt die 16-Jährige über das selbst zusammengestellte Futtermittel.

Im September startete das Projekt

Die Schülerin der Ganztagsschule St. Pauli ist Teil eines erst im September gegründeten Projekts. Die Internetseite www.wildvogel-futter.de bezeichnet sich selbst als erstes deutschlandweites grünes Schüler-Start-up. Neun Schüler aus vier Bundesländern machen derzeit mit, kommuniziert wird über Videomeetings. Der Kopf dahinter ist Elke Freimuth. Sie arbeitete früher als Französisch- und Sportlehrerin in New York und Blankenese. Anschließend machte sie sich mit einer Geschäftspartnerin als Unternehmerin selbstständig. Sie bauten die Firma Eat the world auf, die kulinarische Stadtführungen anbietet. Nach dem Verkauf an Gruner + Jahr im Jahr 2017 widmete sie sich dem Umweltschutz und gründete die Naturschutzorganisation www.wilde-natur.org.

In diesem Sommer entstand bei ihr die Idee für das Start-up. „Ich habe in Amerika gesehen, dass durch Corona der Heimtiermarkt extrem stark hochgegangen ist“, sagt Freimuth, die mittlerweile in Belum bei Cuxhaven lebt. Die Menschen seien mehr zu Hause, mehr im Garten, möchten etwas für die Tiere tun und auch Wildvögel füttern. In die Karten spielte ihr, dass sie vor ein paar Jahren ohnehin die Domain www.wildvogel-futter.de gekauft hatte. Sie sprach mit früheren Kolleginnen darüber, die das Projekt an den Schulen vorstellten. Das Feedback war gut. Nach und nach meldeten sich interessierte Schüler, die an dem freiwilligen Projekt teilnehmen wollten. Freimuth lernte sie per Videochat kennen und teilte sie in Teams ein. „Ich kann mein Unternehmerwissen jetzt an Schüler weitergeben. Und wir versuchen gemeinsam, Naturschutz in die Landwirtschaft zu bringen“, sagt Freimuth.

Ein Bauer aus Stinstedt macht bereits mit

Ein Bauer aus Stinstedt sei schnell Feuer und Flamme für das Projekt gewesen. Die ersten Arbeiten auf dem Acker hat er schon erledigt. Im März wird er säen: Auf fünf Hektar sollen naturschutzfreundlich – ohne Spritzmittel – Sonnenblumen, Buchweizen, Leinsamen, Mohnsamen und Futterhanf angebaut werden. „Das ist eine sehr hochwertige Mischung, abgestimmt mit Herrn Professor Peter Berthold“, sagt Freimuth. Der Biologe leitete früher das Max-Planck-Institut für Ornithologie und ist ebenso wie der Naturschutzbund und ein weiterer Biologe Berater der Schüler.

Hanf sei beispielsweise sehr fett- und proteinreich und daher viel besser für Vögel geeignet als Weizen, der im Standardvogelfutter häufig ein wesentlicher Bestandteil ist. Dieser werde meist von den gefiederten Tieren zur Seite geschmissen und als Letztes gegessen. Wenn er aber länger liegen bleibt, kann er schimmeln. Fressen die Vögel den Weizen trotzdem, werden sie krank.

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Alles soll heimisch angebaut werden

„Das Ziel ist, dass wir unser komplettes Vogelfutter heimisch anbauen lassen“, sagt Freimuth. Perspektivisch könnten statt Erdnüssen Sojabohnen in den Mischungen verwendet werden. Der Anbau soll sich für den Landwirt finanziell lohnen. Weil die Produkte über die Internetseite wildvogel-futter.de im Direktmarketing ohne Zwischenhändler verkauft werden, könne sie ihm mehr zahlen. Das Ziel des Unternehmens ist es ohnehin, dass der Landwirt profitabel arbeiten kann. Fallen bei der Schülerfirma Gewinne an, würden diese an die Naturschutzorganisation www.wilde-natur.org weitergereicht, so Freimuth. Die erste Ernte aus eigenem Anbau wird der Bauer aus Stinstedt aber erst im Herbst 2021 einfahren. Dann soll das Futter als „saisonaler und regionaler Mittagstisch“ verkauft werden. Das junge Schüler-Start-up wollte aber jetzt schon Produkte anbieten. Daher wird die Ware zunächst von einer Fremdfirma bezogen, die hochwertig produziere.

Für Themen wie Onlinemarketing und Pressearbeit ist Lenya Beyersdorff zuständig, die auch schon früher wenig Plastik benutzte und Fridays-for-Fu­ture-Demos mitorganisierte. „Ich lerne viel darüber wie Onlinemarketing funktioniert und ein Unternehmen aus dem Nichts aufgebaut wird“, sagt die Schülerin: „Ich denke, das bringt mir irgendwann auf jeden Fall noch einmal etwas.“ Ihre Kenntnisse über die Umwelt, deren Schutz und Verpackungen hätten sich stark verbessert. Zwei- bis dreimal wöchentlich gibt es einen Onlinechat mit ihren Mitstreitern, freitagnachmittags treffen sich alle virtuell für 30 Minuten.

Fast täglich gibt es Bestellungen

Am 1. November ging die Webseite online. „Wir haben fast täglich Bestellungen und sind sehr zufrieden“, sagt Beyersdorff. Zwischen einem und fünf Aufträge gingen im Schnitt pro Tag ein. Künftig kann sich das Team vorstellen, das Sortiment in Unverpackt-Läden anzubieten. In große Geschäfte wolle man hingegen nicht. Beim Packen der Sendungen helfen bisher noch Bekannte. Es gibt aber Gespräche, dass Förderschüler in das Projekt einscheren und die Logistik übernehmen. Auch weiteren interessierten Schülern stehen die (virtuellen) Türen offen.

Bisher sind in verschiedenen Größen neben dem kleinen auch das große Frühstück erhältlich. Dort enthalten sind zusätzlich noch Buchweizen, Hanf- und Leinsamen. Die grüne Papiertüte als Verpackung hat Beyersdorff selbst entworfen. Auch die bekannten Meisenknödel gibt es. Sie heißen bei dem Schüler-Start-up allerdings anders: One-Pot-Knödel hielten die Schüler für passender, weil das Futter nicht nur von Meisen gepickt wird. 100 Knödel à 95 Gramm kosten 20 Euro zuzüglich Versandkosten. Im Internet sind natürlich günstigere Anbieter zu finden, aber auch teurere Produkte. Im Gegensatz zu vielen anderen Herstellern haben die Knödel kein grünes oder gelbes Plastiknetz drum herum. Sie seien fest und gingen nicht im Versand kaputt, sagt Beyersdorff: „Ich habe mit den Knödeln sogar jongliert.“