Hamburg. Ketten wie Dat Backhus und Junge spüren die Schließung der Cafébereiche. Doch offenbar will der Bund nun finanziell helfen.

Nur noch zwei Kunden dürfen zeitgleich in die Filiale von Dat Backhus im Hamburger Norden. Darauf weist ein Zettel an der Tür hin. Stühle und ein Schirmständer versperren den Durchgang zum Cafébereich. Bänke, Stühle und die zusammengeschobenen Tische sind verwaist. Seit Monatsanfang müssen die Bäckereien ihr gastronomisches Angebot erneut einstellen. Der Lockdown light untersagt ihnen den Verkauf von Speisen und Getränken zum Verzehr in den Geschäften – und sorgt für hohe finanzielle Einbußen.

„Durch die Schließung der Caféflächen und weniger verkaufter To-go-Produkte wie Kaffee und belegten Brötchen erzielt Dat Backhus zwischen 120.000 und 150.000 Euro weniger Umsatz pro Woche“, sagt Stefan Denkhaus. Der Rechtsanwalt ist Insolvenzverwalter von Dat Backhus. Das Unternehmen hatte Ende April überraschend Insolvenz beantragt. Der Auslöser war die Corona-Krise, die zu Erlöseinbrüchen führte. Wer im Homeoffice arbeitet, reist nicht, holt sich keinen Snack und geht nicht in die Kantine, hieß es damals.

Dat Backhus erzielt etwa 15 Prozent weniger Umsatz

Diese Aussage gilt nun wieder. Die Bundesregierung bittet, auf Reisen zu verzichten und möglichst von zu Hause aus zu arbeiten. In der Kasse von Dat Backhus wird der Effekt sichtbar. Verglichen mit dem Vorjahreszeitraum sinke der Gesamtumsatz um etwa 15 Prozent, sagt Denkhaus: „Generell ist der Verkauf im Cafébereich für alle Bäckereien sehr wichtig, weil es ein margenstärkeres Geschäft ist als der reine Brot- und Brötchenverkauf.“ Das von ihm betreute Unternehmen erziele rund ein Drittel des Umsatzes in dem Segment.

Dat Backhus ist mit nun noch 93 Filialen – von 26 Geschäfte trennte sich das Unternehmen im Sanierungsverfahren – der Platzhirsch in der Hansestadt. Aber auch die Konkurrenz merkt den Lockdown. Das Lübecker Unternehmen Junge eröffnet seit Jahren kontinuierlich neue Läden in Hamburg, mehr als 70 sind es mittlerweile an Alster und Elbe. Im Oktober wurde die traditionsreiche Stadtbäckerei am Gänsemarkt übernommen. Das Verzehrverbot von Speisen und Getränken in den Geschäften führe zu „spürbaren Umsatzverlusten“, sagt ein Unternehmenssprecher. Konkrete Zahlen wollte er nicht nennen.

Bäckerei Daube beliefert nun weniger Hotels und Restaurants

Katharina Daube wird deutlicher. „Bei uns liegt das Umsatzminus zwischen 28 und 30 Prozent“, sagt die Inhaberin der Bäckerei Daube. Zwar seien in ihren zwölf Filialen die Caféflächen nicht besonders groß. Dafür spielt für sie die Belieferung von Hotels und Restaurants mit Backwaren eine wichtige Rolle. Weil diese ebenfalls überwiegend geschlossen sind, fallen sie als Abnehmer weg – und bei Daube fehlen Erlöse. In der Backstube muss derzeit weniger Ware geknetet und in den Ofen geschoben werden, sodass die Produktion zu etwa einem Fünftel in Kurzarbeit ist.

Eine Situation, wie es sie in der Hansestadt häufiger gebe. Es seien einige Betriebe in Kurzarbeit, sagt Daube. Sie ist zudem Obermeisterin der Hamburger Bäcker-Innung und spricht damit auch für 27 Innungsbetriebe mit rund 250 Geschäften in der Stadt. Während Dorfbäckereien häufig ihre Brot und Brötchen fast nur im Laden an die Endverbraucher verkaufen würden und den Lockdown kaum merken würden, seien die Betriebe mit Cafébereich und Konzentration auf das Liefergeschäft stark betroffen.

Zentralverband macht in Berlin offenbar erfolgreiche Lobbyarbeit

Sorgen macht man sich daher auch beim Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks in Berlin. In der vergangenen Woche trommelte er dafür, dass die Bäckereicafés die von der Bundesregierung versprochenen Staatshilfen im November erhalten. Nach den Plänen der Politik sollen grundsätzlich bis zu 75 Prozent des Umsatzes aus dem Vorjahresmonat an Firmen gezahlt werden, die wegen des Lockdowns geschlossen sind. Doch für Bäckereien seien die Entschädigungen zunächst nicht vorgesehen gewesen, hieß es.

„Wer Bäcker wie Restaurants schließt, muss Bäcker auch wie Restaurants entschädigen“, sagte Hauptgeschäftsführer Daniel Schneider daher am Dienstag der vergangenen Woche. „Das ist andernfalls ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.“ Auch mit einer Klage wurde gedroht – nun hat die Lobbyarbeit wohl Früchte getragen.

Insolvenzverwalter fordert schnellere Finanzhilfen

Zufrieden nehme man zur Kenntnis, dass Bäckereien und Konditoreien mit angeschlossenem Cafébetrieb wie Restaurants von den Novemberhilfen profitieren werden, teilte der Bäckerverband mit. Bis zu drei Viertel der gastronomischen Umsätze der Cafés würden von der Bundesregierung erstattet, hieß es. Man habe sich vehement dafür eingesetzt. „Vielen Bäckern im Land dürfte mit dieser guten Nachricht eine große Sorge und Last genommen worden sein“, sagt Verbandspräsident Michael Wippler. Auch Daube hält Entschädigungszahlungen für angemessen.

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Bis die Gelder aus der Novemberhilfe aber zu den Unternehmen fließen können, wird es noch dauern. Insolvenzverwalter Denkhaus fordert, dass Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) unverzüglich dafür sorgen, dass die Formulare ins Netz gestellt werden. Nur dann könnten er und sein Team – und alle anderen betroffenen Betriebe – die Erstattung der Umsatzverluste von Dat Backhus beantragen. Vom 25. November soll das Antragstellen nun möglich sein. Zu spät, findet Denkhaus: „Das Geld muss Woche für Woche kommen. Die Menschen brauchen das Geld zum Leben, die Unternehmen zum Überleben.“

Dat Backhus hofft, ohne Kurzarbeit auszukommen

Für den von ihm sanierten Betrieb ist er zuversichtlich. Der Berliner Investor PrecapitalPartners übernahm Anfang Oktober die Anteile des Kieler Unternehmens Bartels-Langness (Famila) an Dat Backhus. Hinter der Beteiligungsgesellschaft soll eine wohlhabende Familie stecken, der langfristiges Interesse am Backhandwerk nachgesagt wird. Vor wenigen Tagen stimmten die Gläubiger der Sanierung einstimmig zu. Ende des Monats soll das Insolvenzverfahren beendet sein.

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Auch dank der Mitarbeiter, die durch den Verzicht auf das Weihnachtsgeld finanzielle Zugeständnisse machten. Trotz der Schließung der Caféflächen müssen sie nicht mit weiteren Einschnitten rechnen. Zwar werde die Personalplanung in den Filialen deswegen teilweise angepasst. Momentan reiche aber eine flexible Gestaltung des Dienstplanes aus, sagt Denkhaus: „Kurzarbeit ist derzeit nicht geplant.“

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