Hamburg. In der zweiten Coronawelle werden wieder Vorräte angelegt – bei Hygieneprodukten und Hefe. Budni und Co. begrenzen die Einkäufe.
Skeptisch schaut die Kassiererin auf das Laufband. „Die können Sie nicht alle mitnehmen“, sagt sie und deutet auf die vier Pakete Hefe. Der Kunde bei Edeka ist überrascht. Er ist Lehrer und kein Hamsterkäufer, der Hamburger braucht die Kulturen eigentlich für ein Experiment im Chemieunterricht. „Es muss für alle Schüler in der Klasse reichen“, argumentiert er – und die Mitarbeiterin macht eine Ausnahme.
Das Erlebnis im Supermarkt in Bramfeld ist kein Einzelfall. Derzeit berichten wieder etliche Hamburger von Mengenbegrenzungen beim Einkaufen. Es kommen Erinnerungen hoch an an die Hamsterkäufe im Frühjahr, als sich etliche Bürger bevorrateten. Damals zeigten sich auch die Kulturunterschiede im europäischen Konsum: Es hieß, die Franzosen kauften in der Krise Kondome, die Italiener Rotwein und die Deutschen eben Klopapier.
Überlebensstrategien der Verbraucher scheinen sich im derzeitigen Lockdown light zu wiederholen
Diese unterschiedlichen Überlebensstrategien der Verbraucher scheinen sich im derzeitigen Lockdown light zu wiederholen. Bei Budnikowsky in Sasel und in Heimfeld warnen blaurote Schilder. Pro Einkauf werde „maximal eine Packung Toilettenpapier“ herausgegeben, heißt es seitens der Drogeriemarktkette. Bei Edeka Niemerszein sind mehrere Lebensmittel Beschränkungen unterworfen: Es dürfen nur je zwei Packungen Mehl und Reis und ein Päckchen Hefe mitgenommen werden, liest man an einem Aushang im Laden auf der Uhlenhorst.
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Der Handel reagiert mit diesen Restriktionen auf eine neue Welle von Vorratskäufen. Nudeln, Konserven und Toilettenpapier seien derzeit Kassenschlager in den Supermärkten, bestätigt Mareike Petersen, Geschäftsführerin des Handelsverbands Nord. Wie auch oft bei Sonderangeboten, dürften Kunden nun bei stark nachgefragten Produkten nur begrenzte Mengen kaufen, bestätigt Petersen. Die Märkte entschieden eigenständig, wer wie viel kaufen darf.
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Schon in der Woche ab dem 19. Oktober war der Absatz von Toilettenpapier deutschlandweit mehr als doppelt so hoch wie im Durchschnitt der Vorkrisenmonate August 2019 bis Januar 2020. In der letzten Oktoberwoche kauften die Verbraucher auch deutlich mehr Mehl (plus 101 Prozent), Hefe (plus 74 Prozent) und Zucker (plus 63 Prozent), meldet das Statistische Bundesamt.
Hamburger hamstern wieder Klopapier
Die Geschäfte in und um Hamburg erleben ganz unterschiedliche Konsumveränderungen ihrer Kunden. „Die Umsätze in einzelnen Kategorien und einzelnen Filialen sind in den letzten Wochen stärker angestiegen als in den Wochen davor“, sagt eine Sprecherin der Drogeriekette Budnikowsky. Dies habe zum Teil dazu geführt, dass der Nachschub und die Nachbestellung der Filialen nicht immer optimal stattgefunden hat. Daher gab es vereinzelt „zur Absicherung der Verfügbarkeit eine kurzfristige Einschränkung der Verkaufsmengen“, so die Sprecherin zu den Begrenzungen für die Käufer.
Es gebe teils eine „erhöhte Nachfrage im Bereich Papierwaren“, heißt es bei Aldi Nord mit Blick auf Toilettenpapier. „Die Warenverfügbarkeit in unseren Märkten ist aber sichergestellt“, ergänzt ein Sprecher des Discounters. Im Falle von Einkäufen, die „über haushaltsübliche Menge hinausgehen“, wiesen die Mitarbeiter bei Aldi die Kunden entsprechend darauf hin, heißt es zu den Reaktionen seitens der Handelskette. Vergleichbar ist die Lage bei Lidl.
Bei Edeka Niemerszein beobachten die Mitarbeiter vereinzelte Hamsterkäufe. „Das obligatorische Toilettenpapier ist dabei, auch mal der Bereich Konserven wie Tomatenmark und Tomaten“, sagt Geschäftsführer Frank Ebrecht. Die Begrenzungen im Handel sollen dabei helfen, Engpässe in der Warenversorgung zu vermeiden.
"Auslöser der Hamsterkäufe ist ein großes Ohnmachtsgefühl"
Die Sorgen der Kunden verringern die Hinweisschilder in den Regalen aber nicht. Für den Psychologen Stephan Grünewald vom Kölner Rheingold-Institut ist das Kaufverhalten in der Krise durchaus nachvollziehbar. „Auslöser der Hamsterkäufe ist ein großes Ohnmachtsgefühl. Wir sind einer Bedrohung ausgesetzt, die wir nicht sehen oder fühlen können, und gegen die wir nur wenig tun können. Das halten wir Menschen am schlechtesten aus“, sagt er. Mit der Bevorratung demonstrierten die Verbraucher ihre Handlungsfähigkeit. „Mit den Hamsterkäufen rüsten wir auf gegen unsere Ohnmacht: die Amerikaner mit Waffen, wir mit Reinigungsmitteln und Toilettenpapier.“
Bei Budnikowsky sieht man zudem eine praktische Ursache für die Nachfrage: „Als Grund der Verkaufssteigerungen sehen wir nicht ein Hamstern von Waren, sondern Veränderungen durch Covid-19 im Alltag der Verbraucher. Die Kunden sind mehr zu Hause.“
Die Hersteller etwa von Toilettenpapier stellt der erhöhte Bedarf zwar vor Herausforderungen, diese seien aber zu bewältigen, heißt es aus der Branche. Produzenten wie Fripa, Essity und Sofidel arbeiteten auch in der Pandemie weiter. „Es wird keine Unterversorgung geben, solange sich der Verbraucher normal verhält“, heißt es von Fripa. Die Sorge der Deutschen vor Knappheiten bestimmter Produkte führt derweil zu einen kuriosen neuen Service. So kann im Internet das eigene Kaufverhalten in Sachen Hygiene objektiv überprüft werden. Unter www.blitzrechner.de/toilettenpapier kann jeder Haushalt berechnen, wie lange der Vorrat an eigenem Klopapier wirklich hält.
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