Hamburg. Banken und Sparkassen nehmen höhere Gebühren. Doch das könnte sich rächen. Denn die Kunden sind wechselwillig.

Die rund 200.000 Kunden der Sparkasse Holstein, die in Hamburg mit sieben Standorten wie in Sasel oder Barmbek vertreten ist, haben jetzt die Qual der Wahl. Sie müssen sich bis Anfang November für ein neues Kontomodell beim Girokonto entscheiden. Die neuen Konten mit Namen wie „Leichte Brise“ oder „Frischer Wind“ ähneln bis hin zum Preis sehr den Joker-Konten der Hamburger Sparkasse (Haspa), die ihre Mehrwertkonten mit zahlreichen Zusatzleistungen bereits 1999 eingeführt hatte. Für viele der Kunden der Sparkasse Holstein kann es teurer werden.

Bewegten sich die regulären Preise der verschiedenen Kontomodelle bisher in einer Spanne von 2,95 bis 8,95 Euro, so liegt die Preisspanne der neuen Mehrwertkonten zwischen 7,70 und 16,90 Euro. Thomas M. aus Hamburg, Kunde der Sparkasse Holstein, zahlte bisher 4,95 Euro. Nun muss er sich entscheiden, ob er ein neues, teureres Konto nimmt – oder sich eine neue Bank sucht.

Unter Kostendruck prüfen Banken und Sparkassen ihre Kontomodelle. Weiter sinkende Zinserträge durch die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) und jährliche Kostensteigerungen der Institute von vier Prozent sind die wichtigsten Ursachen. Mit den höheren Kontogebühren kann allerdings nur ein kleiner Teil der sinkenden Erträge im Zinsgeschäft kompensiert werden.

2019 erhöhten 400 deutsche Banken Preise für Girokonten

Seit Anfang Oktober zahlen auch die Kunden der Deutschen Bank höhere Kontoführungsgebühren. Allein das Aktivkonto hat sich innerhalb von zwei Jahren um 38 Prozent verteuert. „Wir sehen, dass die Banken an vielen Stellschrauben drehen, nicht immer ist der Grundpreis des Kontos betroffen“, sagt Ania Scholz-Orfanidis von der FMH-Finanzberatung.

So verlangt die Commerzbank für jede beleghafte Überweisung jetzt 2,50 Euro statt 1,50 Euro. Bereits im Vorjahr hatten laut einer Umfrage des Verbraucherportals Biallo rund 400 von 1300 deutschen Geldhäusern ihre Preise für Girokonten erhöht. Im Schnitt stiegen die Preise für Online- und klassische Filialkonten um rund 30 Prozent und für Premiumkonten, die einen Großteil gängiger Bankdienstleistungen abdecken, um etwa 20 Prozent.

Thomas Wollmann, Vorstand von Investors Marketing
Thomas Wollmann, Vorstand von Investors Marketing © Investors Marketing | Investors Marketing

Doch mit solchen Preiserhöhungen werden sich die Bankkunden künftig voraussichtlich nicht mehr abfinden. Die Wahrscheinlichkeit der Abwanderung zu einer anderen Bank steigt. Das geht aus einer neuen Girokonto-Studie der Managementberatung Investors Marketing zum Girokonto hervor. Bei preissensiblen Kunden sei die Schmerzgrenze erreicht, so die Studie. „Simple Erhöhungen des Grundpreises, etwa um 1 Euro oder 2 Euro, lassen sich nicht mehr ohne erhöhte Abwanderungsgefahr durchsetzen“, sagt Thomas Wollmann, Vorstand von Investors Marketing.

Das Konto kostet 3,90 Euro im Monat

Vielleicht hat sich die Sparkasse Holstein auch deshalb für ein völlig neues Kontomodell entschieden. „Wir haben eine Giroplattform gebaut, die das Lebensgefühl der Menschen in unserer Region verbindet, und haben sie um Mehrwerte und Leistungen unserer Stiftungen angereichert“, sagt Steffen Müller, Pressesprecher der Sparkasse Holstein. Um den Kunden die Entscheidung zu erleichtern, wurde für sie ein Konto vorausgewählt. Wer keinen Bedarf an den Zusatzleistungen hat, „kann sich für das Alternativmodell GiroPur mit Einzelpreisabrechnung entscheiden“, sagt Müller. Das Konto kostet 3,90 Euro im Monat. Da aber jede Leistung vom Dauerauftrag über die Überweisung bis zur Kartenzahlung im Supermarkt einzeln bezahlt werden muss, kann es schnell teuer werden.

Dagegen sind bei den Mehrwertkonten alle üblichen Bankdienstleistungen im Preis enthalten. Mit Ausnahme des günstigsten Mehrwertkontos für 7,70 Euro gibt es bei den anderen beiden Modellen auch eine Standard-Kreditkarte kostenlos dazu. Zu den Zusatzleistungen außerhalb des Bankbereichs gehören Rabatte bei der Buchung von Reisen sowie bei Partnern aus den Bereichen Freizeit, Gastronomie und Einzelhandel. „Besonders beliebt sind bisher der Handwerkernotfallservice, die Glasbruchversicherung bei Handys oder der Türöffnungsservice“, sagt Müller. Wer auf Immobiliensuche ist, sieht die Angebote der Sparkasse einige Tage früher als alle anderen Interessenten. „Wir reagieren mit dem Konto nicht auf Angebote von Mitbewerbern, sondern verfolgen mit unseren neuen Kontomodellen eine eigene Strategie“, sagt Müller.

Haspa hat sich mit Mehrwertkonten erfolgreich am Markt platziert

Die Haspa hat sich mit ihren Mehrwertkonten jedenfalls erfolgreich am Markt platziert, die von 850.000 Kunden genutzt werden. Damit werden rund 80 Prozent der Girokonten als Jokerkonten geführt. „Wir scheinen also einiges richtig gemacht zu haben, denn der Joker überzeugt nicht nur unsere Kunden, sondern auch andere Sparkassen“, sagt Has­pa-Sprecherin Stefanie von Carlsburg. Nachdem die Preise 2016 angehoben wurden, „sind derzeit keine Änderungen der Kontoführungsgebühren geplant“, sagt von Carlsburg. Gegenwärtig läuft eine Schnupper-Aktion, bei der Kunden das Konto Joker comfort (10,90 Euro) für ein halbes Jahr zum Preis des Kontos Joker smart (7,90 Euro) nutzen können.

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Das Girokonto, auf dem das Gehalt eingeht, ist nach dem Verständnis der meisten Kunden die sogenannte Hausbankverbindung. „70 Prozent der Kunden definieren ihre Hausbank über den Gehaltseingang auf dem Girokonto“, sagt Wollmann von Investors Marketing. Sparkassen und Volks- sowie Raiffeisenbanken verzeichnen eine Hausbankquote von mehr als 90 Prozent.

Dagegen weisen Geschäftsbanken eine Quote von knapp 58 Prozent und Direktbanken von nur rund 39 Prozent auf. „Folglich ist es Direkt- und Geschäftsbanken in der Vergangenheit zwar gelungen, mit Neukundenmaßnahmen erfolgreich Konten am Markt zu gewinnen. Für eine nachhaltige Durchdringung und emotionale Kundenbindung ist aber mehr als das Konto notwendig“, sagt der Experte.

Viele Banken korrigieren ihre Strategie

Deshalb korrigieren viele Banken ihre Strategie. Jahrelang hat die Commerzbank mit ihrem kostenlosen Girokonto geworben und bei diesen Aktionen auch auf den eigentlich notwendigen monatlichen Geldeingang verzichtet. Damit ist jetzt Schluss. Vom 1. Oktober an zahlen Commerzbank-Neukunden, die keinen Mindestgeldeingang von 700 Euro vorweisen können, 9,90 Euro Kontoführungsgebühr pro Monat. Bei Bestandskunden wird auf diese Regel verzichtet.

Auch bei der ING ist jetzt ein monatlicher Geldeingang von 700 Euro Voraussetzung für die kostenlose Kontoführung. Die Volkswagen Bank hat das Gratis-Girokonto abgeschafft. „Die Banken wollen aktive Kunden haben und keine Kontoleichen“, sagt Scholz-Orfanidis von der FMH-Finanzberatung: „Es wird zwar in den kommenden Jahren weiterhin kostenfreie Girokonten geben, aber sie erfordern zunehmend einen bestimmten Geld- oder Gehaltseingang.“

Ausnahmen wird es immer geben

Doch Ausnahmen wird es immer geben. So verspricht die HypoVereinsbank für fünf Jahre Kostenfreiheit bei ihrem PlusKonto, das eigentlich 9,90 Euro im Monat kostet. Danach kann der Preis weiterhin bei null Euro liegen, wenn man entsprechend viele andere Finanzprodukte der HypoVereinsbank nutzt. Das Vergleichsportal Biallo hat noch 38 Girokonten gefunden, die ohne Bedingungen kostenlos sind.

Dazu gehören Angebote der Degussa Bank, Santander Bank, Comdirect, Norisbank, Consorsbank, DKB und 1822direkt, die Direktbank der Sparkassen. Zwar bietet auch die Sparda-Bank Hamburg ein kostenloses Girokonto an, wird aber von Biallo nicht mitgezählt, weil für die EC-Karte eine Jahresgebühr fällig wird.

Ein weiterer Anbieter für ein kostenloses Konto ist jetzt an den Start gegangen. Die C24-Bank des Vergleichsportals Check24 bietet neben einem kostenlosen Konto auch ein Premium-Konto für 9,90 Euro an, das Rückvergütungen bei Einkäufen auf Check24 ebenso enthält wie umfangreiche Versicherungsleistungen. Allerdings haben die Konten keine EC-Karte, sondern nur eine Kreditkarte, mit der kostenlos Geld an Automaten abgehoben werden kann.