Hamburg. Wer nur wenig Eigenkapital mitbringt, muss inzwischen teure Risikoaufschläge für sein Immobiliendarlehen zahlen.
An ermutigenden Zeichen bei der Zinsentwicklung, weitere Mieter in die eigenen vier Wände zu drängen, fehlt es nicht. In diesem Oktober liegen die Bauzinsen fast wieder auf dem Allzeittief vom März 2020. „Über den Sommer sind die Zinsen infolge der wirtschaftlichen Unsicherheiten der Corona-Krise und der Niedrigzinspolitik der Notenbanken leicht gesunken“, sagt Mirjam Mohr, Vorstand für das Privatkundengeschäft bei der Interhyp AG. Bei guter Bonität und günstigen Finanzierungskonstellationen sind laut des Vermittlers für Baufinanzierungen derzeit Bestkonditionen unter einem halben Prozent pro Jahr für zehnjährige Darlehen möglich, im Mittel liegen Angebotszinsen deutlich unter einem Prozent.
Doch von den historisch niedrigen Zinsen können immer weniger Immobilienkäufer profitieren. Meistens wird es deutlich teurer für die Kreditnehmer, müssen sie mehr doppelt so hohe Zinsen bezahlen. Das gilt vor allem für Metropolen wie Hamburg. Der Grund sind die hohen Kaufpreise für Immobilien.
Im Schnitt bezahlen die Hamburger 583.000 Euro für ihr Eigenheim, wie eine Auswertung von Interhyp zeigt. Für das Geld kann man einen Neubau erwerben, und zwar ein Reihenhaus in Neugraben-Fischbek mit 140 Quadratmeter Wohnfläche. Selbst wer mit weniger Raum auskommt, bezahlt dort mehr als 500.000 Euro. Bestandsobjekte können zwar günstiger sein, verschlingen aber zusätzlich mehrere Zehntausend Euro für die Sanierung.
Hohe Maklercourtage und Notargebühr belasten
Selbst wer 100.000 Euro angespart hat, wird bei der Finanzierung merken, dass er damit nicht weit kommt. Denn die Erwerbsnebenkosten steigen mit den explodierenden Kaufpreisen. Ob Makler, Notar oder Grunderwerbssteuer: Hohe Kaufpreise führen zu üppigen Steuern und Einnahmen der Beteiligten. Bis zu 13 Prozent des Kaufpreises können so zusätzlich fällig werden. Bei einem Objektpreis von 500.000 Euro sind das zum Beispiel rund 67.000 Euro.
So kommt es, dass für die eigentliche Finanzierung kaum noch Eigenkapital vorhanden ist, weil es häufig nur reicht, die extrem hohen Nebenkosten zu begleichen. Die Folge sind deutliche Zinsaufschläge, die seit einem Jahr zugenommen haben. Laut einer aktuellen Untersuchung der FMH-Finanzberatung müssen Immobilienkäufer, die ihr Objekt bis zu 90 Prozent beleihen, einen Aufschlag von 0,38 Prozentpunkten bezahlen. Wer die Grenze von 90 Prozent überschreitet, bei dem wird ein Aufschlag von 0,83 Punkten fällig. Gemessen wird der Aufschlag im Vergleich zu einer Standardfinanzierung.
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Darunter verstehen die Banken, dass der Kunde 40 Prozent Eigenkapital mitbringt und die Immobilie zu 60 Prozent beliehen wird. Die Durchschnittswerte verdecken dabei die großen Unterschiede, die es zwischen einzelnen Geldinstituten gibt. „Von 42 Anbietern, die eine 100-Prozent-Finanzierung anbieten, nehmen 27 Institute doppelt, einige sogar dreimal so hohe Effektivzinsen wie für ihre 60-Prozent-Finanzierungen“, sagt Max Herbst, Chef der FMH-Finanzberatung.
Umstritten ist allerdings, wie vielen Käufern diese Finanzierung gewährt wird
So gibt es die 60-Prozent-Finanzierung bei der PSD-Bank Nord für eine 15-jährige Zinsbindung zu einem Effektivzins von 0,86 Prozent. Wenn weniger als zehn Prozent Eigenkapital für den Kauf beigesteuert werden können, steigt der Zins auf 2,38 Prozent, ein Aufschlag von 1,52 Prozentpunkten. Ein solcher Zins wurde bei 15 Jahren Zinsfestschreibung im Schnitt im Jahr 2015 verlangt. Bei der Commerzbank beträgt der Aufschlag 1,22 Prozentpunkte. Bei einer Beleihung von 60 Prozent müssen so nur 0,95 Prozent Zinsen gezahlt werden, bei einer Beleihung von mehr als 90 Prozent 2,17 Prozent.
Mehr als ein Prozent teurer wird die Finanzierung auch bei der Postbank: Wer zum Objekt kaum Eigenkapital beisteuern kann, zahlt einen Effektivzins von 1,97 Prozent statt 0,86 Prozent. Der Zinssatz ist also mehr als doppelt so hoch. In diesem Umfeld schneidet die Hamburger Sparkasse mit deutlich unterdurchschnittlichen Aufschlägen ab, wie die Recherche der Zinskonditionen auf Basis der Daten der FMH-Finanzberatung zeigt. Für eine fast Vollfinanzierung verlangt die Haspa bei 15-jähriger Zinsbindung 1,32 Prozent Effektivzins. Das ist ein Aufschlag von 0,46 Prozentpunkten gegenüber der 60-Prozent-Finanzierung.
Umstritten ist allerdings, wie vielen Käufern diese Finanzierung gewährt wird. „Nach unseren Erfahrungen aus der Beratung macht die Haspa keine Finanzierungen mehr, die über 90 Prozent Fremdkapital hinausgehen“, sagt Alexander Krolzik, Baufinanzierungsexperte der Verbraucherzentrale Hamburg. Dem widerspricht die Haspa. „Wir vergeben auch weiterhin, und nicht nur im absoluten Einzelfall, private Baufinanzierungen, wenn der Beleihungsauslauf bei mehr als 90 Prozent liegt“, sagt Baufinanzierungsexpertin Ulrike Zobel. Entscheidend sei, dass der Kunde die Belastungen langfristig tragen kann und die Finanzierung flexibel gestaltet ist, um Veränderungen beim Haushaltseinkommen zu überstehen. „Dafür werden auch die Entwicklungen auf dem Arbeits- und Immobilienmarkt intensiv beobachtet und bei den Kreditentscheidungen berücksichtigt“, sagt Zobel.
Verbraucherschützer sieht eine Zweiklassengesellschaft bei der Finanzierung
Unabhängig von der Haspa sieht Verbraucherschützer Krolzik eine Zweiklassengesellschaft bei der Finanzierung: „Bei bestimmten Kreditnehmern wird die Finanzierung mit wenig Eigenkapital gewährt, und bei anderen passt es dann eher nicht.“ Gute Karten haben nach seiner Beobachtung Beamte, Angestellte im öffentlichen Dienst, Ärzte, Anwälte und Angestellte in unbefristeter Vollzeit, wenn sie nicht gerade aus Krisenbranchen kommen. Andere haben es eher schwer.
Dazu zählen auch Selbstständige, für die es noch einmal weitere Zinsaufschläge gibt. „Wer Bilanzen vorlegt, wo Umsätze und Gewinne sinken, wird kaum einen Kredit fürs Haus bekommen“, sagt Krolzik. Experte Herbst sieht die Ursachen für die höheren Zinsaufschläge in der Corona-Pandemie. „Denn je höher die Beleihung, desto höher ist das Risiko für die Bank. Und das ist in unsicheren Zeiten wie diesen, mit steigender Arbeitslosenzahl und möglichen Insolvenzen, auch noch mal höher als üblich“, sagt Herbst. Mögliche Ausfälle wollten die Banken mit kräftigen Aufschlägen abfedern.
Erstmals seit dem Jahr 2016 berichtet ein nennenswerter Anteil der Banken, dass sie ihre Kreditrichtlinien verschärft haben, die darüber entscheiden, ob ein Baudarlehen gewährt wird oder nicht, schreibt die Bundesbank in einer Umfrage zum Kreditgeschäft der Banken. Das Lager der strengeren Banken ist danach um rund 20 Prozent größer als das Lager der lockernden Banken. Die wichtigsten Gründe für eine Verschärfung bei der Vergabe von Immobilienkrediten sind die Konjunkturaussichten.
Manchen mögen angesichts der niedrigen Zinsen die Unterschiede zwischen normalen Konditionen und Zinsen mit Aufschlag gering erscheinen.
Manchen mögen angesichts der niedrigen Zinsen die Unterschiede zwischen normalen Konditionen und Zinsen mit Aufschlag gering erscheinen. „Doch über die Laufzeit des Kredits summiert sich das zu hohen Beträgen“, sagt Krolzik. Wer nur auf die monatliche Belastung schaue, erkenne diese Dimension meist nicht. Das Abendblatt hat für die verschiedenen Anteile von Kredit und Eigenkapital mithilfe des Vergleichsportals der FMH-Finanzberatung die jeweils günstigsten und teuersten Angebote für eine 15-jährige Zinsbindung ermittelt (siehe Grafik). Je höher die Beleihung, desto mehr lohnt sich ein Vergleich der Konditionen.
Bei einer Beleihung mit 60 Prozent liegt der Unterschied der monatlichen Belastung bei nur 100 Euro. Wird die Immobilie mit 95 Prozent beliehen, geht es um rund 300 bis 400 Euro Unterschied im Monat. Entsprechend unterschiedlich hoch fallen auch Zinszahlungen innerhalb von 15 Jahren aus. Bei den teuersten Konditionen zahlt der Kreditnehmer im Schnitt bei einer Beleihung mit 95 Prozent rund 45.400 Euro mehr als bei den günstigsten Anbietern. Bei einer Beleihung mit 60 Prozent liegt der Unterschied bei 16.200 Euro in 15 Jahren.
Ob viel oder wenig Eigenkapital: „Immobilienkäufer sollten immer mehrere Finanzierungsangebote einholen und nicht nur den Konditionen der Hausbank vertrauen“, sagt Krolzik. Der Vergleich zeigt, auch bei hohen Beleihungen gibt es günstige Anbieter. Allerdings nimmt die Auswahl der Banken ab, je weniger Eigenkapital für den Immobilienkauf zur Verfügung steht.