Hamburg. Der Flugzeugbauer bietet Beschäftigten Abfindungen an. IG Metall sieht noch immer die Gefahr von Entlassungen im nächsten Jahr.

Airbus-Chef Guillaume Faury hat nicht mit dramatischen Warnungen zur Lage der Luftfahrtbranche und des Unternehmens gegeizt, um seine Beschäftigten auf harte Einschnitte einzustimmen. „Wenn wir nicht jetzt agieren, ist das Überleben von Airbus fraglich“, schrieb der Franzose bereits im April in einem internen Brief an die Mitarbeiter.

Auf die Corona-Krise antwortete er mit einer für den Flugzeugbauer beispiellosen Produktionskürzung. So werden nun nicht mehr 60 Kurz- und Mittelstreckenjets der A320-Familie im Monat gebaut, sondern nur noch 40 – was den Standort Hamburg hart trifft, denn mehr als jeder zweite dieser Flieger entsteht im Werk auf Finkenwerder.

Corona-Krise: Airbus verlängert Kurzarbeit

Parallel zu den Verhandlungen mit der Arbeitnehmerseite über den damit verbundenen Stellenabbau übte die Unternehmensführung allerdings auch sanften Druck auf die Politik aus: Sollte die Bundesregierung das Kurzarbeitergeld auf zwei Jahre verlängern und mehr Forschungsgelder für die Entwicklung von klimaverträglicheren Flugzeuge bereitstellen, müssten in Deutschland statt der eigentlich geplanten 5100 Jobs in den Airbus-Werken und bei der Zuliefertochter Premium Aerotec nur etwa 3100 wegfallen, hieß es. Was das für Hamburg bedeuten könnte – hier stand ein Abbau von 2260 der rund 15.000 Arbeitsplätze im Raum – wurde nicht beziffert.

Doch obwohl die Verlängerung der Kurzarbeit nun beschlossen ist und Airbus „gute Unterstützung von Bund und Ländern“ erhält, wie Deutschland-Chef André Walter am Montag sagte, wird der Umfang der Stellenstreichungen nun doch nicht reduziert. „Die Situation hat sich gegenüber unseren Erwartungen aus dem Sommer eher verschlechtert“, so Walter: „Der Markt zieht noch nicht wieder an.“ Am zuversichtlichsten sei das Management noch für die A320-Reihe: „Da könnte im Jahr 2022 eine Erholung einsetzen.“ Bei den Langstreckenmodellen aber, für die in Hamburg große Teile des Rumpfs gebaut werden, sei damit aber nicht vor 2024/2025 zu rechnen, erklärte Walter.

Keine Stellenstreichungen bis Ende März 2021

„In den Verhandlungen mit der Arbeitnehmervertretung über den Sozialplan haben wir uns auf eine freiwillige Phase bis Ende März 2021 verständigt“, berichtete Marco Wagner, Mitglied der Geschäftsführung von Airbus Deutschland und Arbeitsdirektor des Unternehmens. Bis dahin werde es keine betriebsbedingten Kündigungen geben. Man biete den Beschäftigten Abfindungsprogramme an und wolle eine Qualifizierungsgesellschaft gründen, um wechselwilligen Mitarbeitern den Umstieg zu erleichtern. Wagner sieht zwar eine „realistische Chance“, auf Entlassungen verzichten zu können, ausschließen wollte er sie am Montag aber nicht.

„Die Gefahr von Kündigungen ist noch nicht gebannt“, sagte auch Daniel Friedrich, Bezirksleiter IG Metall Küste. Er sieht die Einigung auf die Abfindungsregelung aber erst als „Zwischenschritt“ an. „Wir stehen mit Airbus weiter in Verhandlungen über Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich.“ Auch die IG Metall müsse jedoch zur Kenntnis nehmen, „dass sich die Lage der Luftfahrtbranche zuletzt nicht verbessert hat“.

Außerhalb der Stammbelegschaft hat der Flugzeugbauer seit März schon in erheblichem Umfang die Beschäftigung reduziert. „Wir sind in Norddeutschland mit 3000 Leihkräften in die Krise hineingegangen, bis jetzt haben wir 1600 davon abgebaut“, sagte Wagner. Man werde die Leiharbeit noch weiter zurückschrauben.

40 Prozent weniger Flugzeuge ausgeliefert als im Vorjahr

Erst am Freitag hat Airbus Zahlen bekannt gegeben, die zeigen, dass die Produktion sich – nach einem extrem tiefen Einbruch zu Beginn der Pandemie – nun ungefähr auf dem neu geplanten Niveau stabilisiert: Im September wurden insgesamt 57 Flugzeuge ausgeliefert, davon 43 Jets der A320-Familie. Zum Vergleich: Im April konnten gerade einmal zwölf dieser Kurz- und Mittelstreckenmaschinen an die Kunden übergeben werden. In den ersten drei Quartalen lieferte Airbus insgesamt 341 Jets aus, das sind etwa 40 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum (571). Wie das Unternehmen außerdem mitteilte, gingen in diesem Jahr bisher immerhin Neubestellungen von über 300 Flugzeuge ein.

Sollte es beim aktuellen Tempo der Auslieferungen bleiben, würde Airbus in diesem Jahr rund 510 Maschinen absetzen. Damit würde der Konzern auf das Niveau des Jahres 2010 zurückfallen. Nur: Damals hatte man einen Auftragsbestand von 3552 Jets in den Büchern, heute sind es mit 7441 Fliegern mehr als doppelt so viele. Es ist jedoch unklar, für wie lange es bei den im Frühjahr beschlossenen Fertigungsraten bleibt – und ebenso fraglich ist, wie viele Jets man aus dem Orderbuch streichen muss, weil Kunden die Krise nicht überleben und für die Flugzeuge kein anderer Abnehmer gefunden werden kann.

Airbus-Aktie wieder auf „Kaufen“ hochgestuft

Vor diesem Hintergrund rechnet der Hamburger Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt mit einer „zweiten Welle der Kürzungen“. Aus seiner Sicht werden noch immer zu viele Jets der A320-Reihe produziert, wie er vor wenigen Tagen dem Abendblatt sagte: „Die Rate von 40 Flugzeugen pro Monat liegt über dem, was der Markt verkraften kann.“

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Beim Hamburger Privatbankhaus Berenberg ist man aber zuversichtlich, dass Airbus zumindest mittelfristig wieder auf den Wachstumspfad zurückkehren kann. Die Berenberg-Experten stuften die Aktie wieder auf „Kaufen“ hoch, nachdem sie im März auf „Halten“ gesetzt worden war. Nach Einschätzung der Analysten werden die Auslieferungszahlen des Jahres 2019 von Airbus im Jahr 2024 nahezu wieder erreicht und 2025 überschritten. Voraussetzung dafür sei allerdings eine Erholung des Luftverkehrs, die durch systematische Corona-Tests vor dem Fliegen und schließlich durch Fortschritte bei der Einführung eines Impfstoffs ermöglicht werde.