Hamburg. Volkmar Kerkow ärgert mit seinem Produkt die Konkurrenten wie Thule und Westfalia. Corona lässt das Fahrradträger-Geschäft boomen.

Volkmar Kerkows Trophäensammlung hängt unter dem hohen Dach vor der Einfahrt zur Service-Werkstatt. In luftiger Höhe sind dort knapp zwei Dutzend Fahrradträger befestigt, die früher am Heck eines Autos befestigt waren. Thule, Uebler, Westfalia – es sind Produkte der bekannten, großen Hersteller und jedes davon hat in früheren Zeiten einige Hundert Euro gekostet. „Kunden haben sie hiergelassen, als sie sich ihren neuen Paulchen abgeholt haben“, sagt Kerkow und lächelt.

Für den 75-Jährigen ist es der Beleg, dass er mit den Fahrradträgern, die in seiner kleinen Firma am Grandkuhlenweg in Osdorf entstehen, nicht nur mit den Größen der Branche mithalten kann, sondern dass das Transportzubehör mit dem niedlichen Namen sogar besser ist als jenes der mächtigen Konkurrenz.

Fahrradträger am Auto: Wie Paulchen groß wurde

Kerkow erklärt Besuchern gerne und ungefragt, was es mit den ausrangierten Trägern unter dem Dach auf sich hat. Obwohl: Überzeugungsarbeit bei potenziellen Kunden muss er derzeit nur im Ausnahmefall leisten. Die Geschäfte der Firma Paulchen Heckträger System e. K. – so der vollständige Name – laufen seit Monaten fast von allein. Jedenfalls so gut, dass auf der Firmen-Homepage unübersehbar ein Warnhinweis prangt: „Produktionsverzögerung“ und „Momentan kommt es leider zu Verzögerungen von bis zu zehn bis elf Arbeitstagen beim Versand der Ware!“, steht da zu lesen. Und dass man derzeit nur eingeschränkt erreichbar sei. In Werkstatt und Versandhalle ist so viel zu tun, dass bisweilen niemand Zeit hat, an das Telefon zu gehen.

Kerkow gehört zu den heimlichen Gewinnern der Corona-Pandemie

Kerkow und seine Firma gehören zu den heimlichen Gewinnern der Folgen der Corona-Pandemie für den Tourismus. Der Trend zum Urlaub in Deutschland und zu Fahrradtouren mit Sicherheitsabstand befeuerte nach dem Ende der Zwangsschließungen der Geschäfte zunächst die Verkäufe der Fahrradhändler. Und bald darauf auch die der Fahrradträgerbauer.

Wie stark der Umsatz bei diesem Autozubehör nach oben gegangen ist, wird statistisch nicht erfasst. Kerkow sagt: „Bei uns schätzungsweise um 70 Prozent. Wir verschicken derzeit täglich etwa 80 bis 100 Systeme.“ Um das zu schaffen, hat er Personal eingestellt. Derzeit beschäftigt er zwei Dutzend Mitarbeiter – sechs mehr als vor Corona. Beim Gesamtverband Autoteile-Handel (GVA), in dem Händler wie Matthies aus Hamburg organisiert sind, weiß man über die Marktentwicklung immerhin: Die Kunden kaufen Fahrradträger verstärkt online – und: Seit Jahren gibt es einen Trend weg vom Fahrradtransport auf dem Dach und hin zum Heckträger.

Paulchen verkauft von jeher ausschließlich Heckträger

Paulchen verkauft von jeher ausschließlich Heckträger. Mehr noch: Volkmar Kerkow war Ende der 1970er-Jahre so etwas wie der Erfinder des Heckträgers. So jedenfalls will es die offizielle Firmenhistorie. Der gelernte Techniker managte damals den Fuhrpark eines Hamburger Reisebus-Unternehmens, am Wochenende ging es regelmäßig mit der Familie im VW-Campingbus an die Ostsee. Zuerst gehörte ein Schlauchboot zur Freizeitausrüstung, dann auch ein Außenbordmotor. „Meine Frau konnte den Benzingeruch im Wagen nicht ab.“ Er selbst hatte aber keine Lust, regelmäßig den schweren Motor auf das Autodach zu wuchten.

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Also konstruierte er einen Motorträger und schraubte ihn ans steile Heck des Campingbusses. „Das war damals an sich gar nicht erlaubt, aber ich habe mich darauf berufen, dass es ja auch Reisebusse mit Skiträgern am Heck gibt“, sagt Kerkow. Als die ersten Zettel mit der Frage: „Wo haben Sie diesen Träger gekauft?“ am VW-Camper klebten, ahnte er, dass es da einen größeren Bedarf geben könnte. Bald nachdem er den ersten selbst gebauten Heckträger für mehrere Hundert D-Mark verkauft hatte, gründete er 1981 sein eigenes Unternehmen. Und schon wenige Jahre später hatte Kerkow als Zulieferer für VW so viele Aufträge, dass er sich den Bau eines eigenen Firmensitzes leisten konnte.

Die Produkte gehören nicht zu den billigsten

Während die Konkurrenten, die schon bald heranwuchsen, vorwiegend Heckträger anbieten, die auf einer Anhängerkupplung montiert werden, ist Paulchen seit jeher Spezialist für Anbauteile, die an Heck- oder Kofferraumklappe befestigt sind. Die Kunst ist, die Verbindungsteile so zu konstruieren, dass sie auch bei scharfen Bremsmanövern sicher halten, weder den Lack zerkratzen noch das Blech eindellen und die Klappe trotz Träger geöffnet werden kann. Nur diese Verbindungsteile werden auch heute noch am Grandkuhlenweg entwickelt und gefertigt. Den eigentlichen Träger und die Fahrradschienen bezieht Kerkow von einem Zulieferer. Es sind aufwendig gegen Rost geschützte Standardteile. Kauft der Besitzer ein anderes Auto, müssen nur die Befestigungselemente getauscht werden.

„Paulchen ist nicht der Billigste“, sagt Kerkow freimütig – und setzt gleich etwas dagegen. „Ein Auto mit einer Anhängerkupplung nachzurüsten, kostet mindestens 800 Euro, je nach Modell können es auch mehrere Tausend sein.“ Bei ihm kostet der klassische Heckträger zwischen 360 und 540 Euro. Die Fahrradschienen sitzen dann aber bei den meisten Autos so hoch, dass das Aufladen eines mehr als 20 Kilo schweren E-Bikes kaum noch machbar ist. Stark gefragt sind deshalb seit Jahren die aufwendiger konstruierten und einige Hundert Euro teureren sogenannten Tieflader. Die Schienen sitzen bei ihnen nur 30 bis 40 Zentimeter über Straßenniveau.

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Das Sortiment der Firma umfasst heute Träger für mehrere Dutzend Automarken und „um die 1000 unterschiedliche Modelle“, sagt Sohn und Juniorchef Morris Kerkow. Die gängigsten Pkw auf deutschen Straßen gehören dazu, für manche exotischeren Modelle bietet aber ausschließlich Paulchen ein passendes Trägersystem an. „Für den Elektro-BMW i3 gab es keine Alternative. Wir haben reichlich verkauft, bis nach Skandinavien. Derzeit läuft es mit dem Tesla S ganz gut“, sagt sein Vater. Der Träger für die Maserati-Limousine Quattroporte hingegen wurde bislang nur sechsmal abgesetzt. „Das hat sich nicht gerechnet.“ Jüngste Neuerscheinung: ein Träger für das wasserstoffgetriebene Hyundai-SUV Nexo.

Paulchen für den Porsche Panamera als Sonderanfertigung

Fahrradbegeisterte Besitzer eines Porsche Panamera aber können allenfalls darauf hoffen, dass ihnen im Winter und mit reichlich Preisaufschlag am Grandkuhlenweg eine Sonderanfertigung gemacht wird. Vorausgesetzt, auch in diesem Jahr geht zum Ende der Saison im Oktober die Nachfrage nach den Heckträgern mit den seltsamen Namen zurück. Der wurde bald nach der Gründung der Firma ersonnen, die anfangs noch Universal Trägersysteme hieß. „Meine Frau wollte es gerne etwas emotionaler“, erinnert sich Volkmar Kerkow. Der Namensgeber war ein Mitbewohner – der Familienkater.