Hamburg. Fluglinie macht Milliardenverlust. Bei Hamburger Technik-Tochter mussten bereits Hunderte Beschäftigte gehen.

Geduld ist sicherlich keine Eigenschaft, die man Managern zuschreibt. Und auch für Carsten Spohr dürfte sie ein Fremdwort sein. So machte der Lufthansa-Vorstandschef am Donnerstag mehrfach deutlich, dass ihn das Tempo der Verhandlungen mit den Gewerkschaften über den Sparbeitrag der Arbeitnehmer stört. „Es geht mir viel zu langsam“, sagte Spohr und fügte hinzu: „Wir haben keine Zeit mehr.“

Der heftig von der Corona-Krise getroffene, mit Staatshilfe gestützte und im zweiten Quartal erneut ein Milliardenminus ausweisende Kranich-Konzern hat im Frühjahr einen Personalüberhang von 22.000 Stellen festgestellt, die Hälfte davon hierzulande. Von 8300 Mitarbeitern habe man sich weltweit bereits getrennt, in der Bundesrepublik seien es nur ein paar Hundert gewesen.

Nun drohen harte Einschnitte. „Ohne betriebsbedingte Kündigungen zurechtzukommen in Deutschland erscheint uns nun nicht mehr realistisch“, sagte Spohr in einer Telefon-Pressekonferenz. Vorher hatte der Vorstand die Mitarbeiter per interner Mail über den Strategieschwenk in Kenntnis gesetzt.

„Wir beginnen jetzt den Abbauprozess“

Eigentlich hätten die Gespräche mit den Gewerkschaften bis zur Hauptversammlung im Juni beendet sein sollen. Doch lediglich mit der Flugbegleiter­gewerkschaft UFO konnte ein Sparpaket geschnürt werden, dem die UFO-Mitglieder noch zustimmen müssen. Die Stewards sollen unter anderem bei verkürzter Arbeitszeit auf Lohn sowie Entgelterhöhungen verzichten. Zudem wurde ein Abfindungsprogramm aufgelegt. Im Gegenzug gibt es einen vierjährigen Kündigungsschutz. Daraus ergebe sich ein Einsparpotenzial von mehr als einer halben Milliarde Euro bis Ende 2023.

Mit der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit sei nach 60 Verhandlungstagen ein Abkommen zustande gekommen – bis Cockpit kurz darauf die Zustimmung zurückzog. Auch mit der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di liefen die Gespräche schleppend. „Wir beginnen jetzt den Abbauprozess“, sagte Spohr und kündigte an, nun über Interessenausgleich und Sozialplan verhandeln zu wollen. Es gebe keine Airline auf der Welt, die noch nicht mit einem Jobabbau begonnen habe.

Ver.di verschickte hingegen gleichzeitig mit Spohrs Auftritt eine Pressemitteilung, dass die Gespräche mit Lufthansa am heutigen Freitag weitergingen. „Die Beschäftigten haben bereits für ihren Beitrag weitgehende Angebote gemacht“, konterte die stellvertretende Ver.di-Vorsitzende Christine Behle die Kritik von Spohr: „Jetzt ist Lufthansa in der Verantwortung, Arbeitsplätze zu sichern und mit ihren Forderungen nicht die Beschäftigten zu überfordern.“ In der Spitze sollten die Beschäftigten auf bis zu 28 Prozent ihres Bruttoarbeitslohnes verzichten, hieß es. Das sei insbesondere für niedrige Lohngruppen zu viel.

In Hamburg hat Lufthansa 10.000 Mitarbeiter

„Es gibt eine große Verunsicherung bei den Beschäftigten, insbesondere auch in Hamburg“, sagte Mira Neumaier dem Abendblatt. Sie ist Bundesfachgruppenleiterin Luftverkehr bei Ver.di. Der Konzern beschäftigt in der Hansestadt rund 10.000 Mitarbeiter, mit etwa 8800 (Ende 2019) sind die meisten für die Konzerntochter Lufthansa Technik tätig. Die Verunsicherung in der Belegschaft resultiere auch daraus, „dass Andeutungen über die Zukunft der Lufthansa Technik gemacht werden und zugleich von den Beschäftigten Zugeständnisse verlangt werden“, sagte Neumaier.

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Der Hintergrund: Ende Juni stellte die Bundesregierung dem Unternehmen rund neun Milliarden Euro zur Verfügung. Doch dieses Geld muss zurückgezahlt werden. Als eine Perle des Konzerns gilt Lufthansa Technik, der weltweit größte Wartungs-, Reparatur- und Überholungsspezialist für Flugzeuge.

Die Tochter, die in normalen Zeiten stabile Gewinnmargen ausweist, könnte Geld in die klammen Kassen spülen. Denn im zweiten Quartal – als der Großteil der Flotte eingemottet war, das Passagieraufkommen um 96 Prozent sank und die Ticketeinnahmen auf eine Minisumme schrumpften – verbrannte der Konzern im Schnitt pro Monat 550 Millionen Euro.

Von 761 Millionen Euro Gewinn zu 1,84 Milliarden Euro Verlust

Gab es vor einem Jahr noch einen Gewinn vor Zinsen und Steuern von 761 Millionen Euro, waren es nun 1,84 Milliarden Euro Verlust. Spohr erwägt daher, den Hamburger Flugzeugdienstleister mit 40 internationalen Standorten zu versilbern, um die Staatshilfen zurückzuzahlen.

Es könne eine Lösung sein, einen Minderheitsanteil an die Börse zu bringen oder eine strategische Partnerschaft einzugehen, sagte Spohr am Donnerstag und bekräftigte vor Wochen gehegte Pläne. Das Problem: Das Marktumfeld sei dafür derzeit schrecklich. Ver.di fordert hingegen einen klares, stimmiges Zukunftskonzept für die Technik-Tochter, Beschäftigungssicherung und einen Schutz vor Ausgründungen.

Lufthansa Technik macht 194 Millionen Euro Verlust

Erwartungsgemäß konnte sich auch Lufthansa Technik dem Corona-Tief nicht entziehen. Weil die Flotten weitgehend am Boden blieben, brachen die Aufträge für Wartungen, Reparaturen und Überholungen ein.

Der Umsatz sank im zweiten Quartal im Vergleich zum Vorjahresraum von 1,6 Milliarden um 57 Prozent auf 688 Millionen Euro – was immerhin gut ein Drittel des Umsatzes des Gesamtkonzerns ausmachte, der um 80 Prozent sank. Wurden 2019 vor Zinsen und Steuern 112 Millionen Euro verdient, waren es nun 194 Millionen Euro Minus – obwohl Investitionen wie der Abriss der alten Hochhäuser am Eingang und der Neubau der Hydraulikwerkstatt vorerst auf Eis gelegt sind. Laufende Kosten wie für Infrastruktur und Personal seien trotz Kurzarbeitergeld hoch, hieß es.

Die im Juni angekündigte Massenentlassung wurde im Übrigen mittlerweile umgesetzt. Nach Abendblatt-Informationen mussten am Firmensitz in Fuhlsbüttel rund 300 überwiegend junge Beschäftigte gehen, die noch in der Probezeit waren. Lufthansa-Technik-Sprecher Jens Krüger wollte die Zahl nicht bestätigen, sagte aber: „Es wurde jeder Einzelfall angesehen, aber es ist eine dreistellige Zahl an Leuten nicht weiterbeschäftigt worden. Wir bedauern das extrem, aber es war nicht anders möglich.“