Hamburg. Eine Hamburger Firma entwickelt die Nachrüstung zur Luftreinigung alter Maschinen. Sie werde „noch dieses Jahr verfügbar“ sein.

Es gibt schon viele Ideen, wie sich die Coronavirus-Ansteckungsgefahr im Flugzeug verringern ließe. Doch manche davon würden die ohnehin schwer angeschlagenen Airlines finanziell noch zusätzlich stark belasten, andere sind nicht wirklich praktikabel oder muten geradezu skurril an. In die erste Kategorie gehört der Ansatz, den Mittelsitz stets frei zu lassen – damit würde ein Drittel der potenziellen Einnahmen wegbrechen.

Mehrere Zulieferer haben Plexiglas-Abtrennungen entwickelt, die zwischen den Sitzen angebracht werden sollen und ein wenig an altmodische Trockenhauben aus dem Friseursalon erinnern. Aber diese Scheiben würden das Flugzeuggewicht spürbar erhöhen und im Fall einer Evakuierung ein Risiko darstellen, vom erheblichen Reinigungsaufwand ganz abgesehen. Korean Air geht einen anderen Weg und stattet die Flugbegleiter mit Einweg-Schutzanzügen und Plastikschutzbrillen aus.

Auch der auf Kabinentechnik spezialisierte Zulieferer Diehl Aviation, der in Hamburg Bordtoiletten und -küchen entwickelt, arbeitet bereits an Lösungen, die das Fliegen in Corona-Zeiten sicherer machen sollen. Das Unternehmen hat sich drei Aufgabenfelder vorgenommen, auf denen man marktreife Produkte schon innerhalb der nächsten Monate präsentieren will. Es geht dabei um eine möglichst virenfreie Innenluft, eine weitgehend kontaktlose Benutzung von Kabineneinbauten wie etwa dem Waschraum sowie um die Desinfektion mittels ultraviolettem Licht (UV).

Weitere Technologien zur Luftreinigung in der Planung

Zwar argumentiert die Luftfahrtbranche, eine Ansteckung an Bord sei sehr unwahrscheinlich, weil die Luft an Bord mit sogenannten Hepa-Filtern gereinigt werde und in der Kabine nur von oben nach unten ströme, anstatt sich im Raum zu verteilen. „Tatsächlich ist die Luftqualität im Flugzeug besser als in jedem Büro und deutlich besser als etwa in einem Zug“, sagt Helge Sachs, Leiter Produktinnovation bei Diehl Aviation.

Experten wie Ralf Möller, Professor am Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), weisen allerdings darauf hin, dass der Luftstrom in der Realität eben nicht unbedingt so strikt vertikal verläuft, wie das unter dem Gesichtspunkt des Infektionsschutzes wünschenswert wäre. Stattdessen gibt es auch eine seitliche Luftbewegung.

„Das können wir ändern, indem wir Kunststoff-Formteile aus dem 3-D-Drucker in die Klimaanlage einsetzen und damit die Strömung umlenken“, sagt Sachs. „Diese Lösung wäre für die Nachrüstung in bestehende Flugzeugflotten noch in diesem Jahr verfügbar.“ Künftig will Diehl für die Luftreinigung außer den üblichen Hepa-Filtern auch weitere Technologien, die Sachs noch nicht verraten möchte, zum Einsatz bringen.

Ebenfalls dem Schutz vor einer Ansteckung soll die berührungslos benutzbare Bordtoilette dienen: Mittels einer Art Bewegungsmelder kann ein Passagier den Waschraum betreten, den Toilettendeckel anheben, die Spülung betätigen, den Wasserhahn einschließlich der Temperaturregelung sowie den Seifenspender bedienen und den Raum wieder verlassen, ohne etwas angefasst zu haben. Wie das geht, führt Sachs an einem Demonstrationsmodell im Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung (ZAL) auf Finkenwerder vor. Spätestens Anfang nächsten Jahres will man das Produkt marktreif gemacht haben. „Damit sind wir offenbar weiter als die Wettbewerber“, sagt der Manager, der von 2009 bis 2017 bei Lufthansa Technik arbeitete.

Grund für den Entwicklungsvorsprung

Für den Entwicklungsvorsprung gibt es einen guten Grund: Diehl stellte ein erstes Konzept des kontaktlosen Waschraums bereits im Frühjahr 2018 auf der Hamburger Flugzeugkabinenmesse Aircraft Interiors Expo vor – an eine Virus-Pandemie hatte dabei noch niemand gedacht. Studien zeigten, dass für die Passagiere die gefühlte Hygiene immer wichtiger werde, hieß es damals. Ein Kunde fand sich jedoch nicht. Die Fluggesellschaften scheuten offenbar die Kosten. Schließlich kostet schon ein herkömmlicher Waschraum so viel wie ein Mittelklasseauto und ein Aufpreis von zehn bis 15 Prozent summiert sich über eine gesamte Flotte zu erheblichen Beträgen auf.

Coronavirus – die Fotos zur Krise

„Wir werden die Kontaktlos-Technologie aber auch zur Nachrüstung in bestehenden Waschräumen anbieten“, sagt Sachs. Sein Team plant, das Öffnen und Schließen der Gepäckfächer sowie die Betätigung der Sonnenblenden an den Fenstern ebenfalls berührungslos zu ermöglichen.

Desinfektion der Bordwaschräume mittels UV-Strahlung

Sehr schnell realisieren ließe sich eine wirksame Desinfektion der Bordwaschräume mittels UV-Strahlung: Eine entsprechende Lampe kann mit einer Teleskopstange einfach in den Raum geklemmt und schon nach 30 bis 60 Sekunden wieder entfernt werden. „Auf diese Weise reduziert sich der Zulassungsaufwand durch Luftfahrtbehörden, der für alle fest eingebauten Komponenten erheblich höher ist“, erklärt Sachs. Derzeit prüfen die Diehl-Ingenieure zudem, ob die in neueren Jets für die Kabinenbeleuchtung üblichen LED-Lampen so gesteuert werden können, dass auch sie im keimabtötenden UV-Spektrum strahlen. Damit ließe sich dann der gesamte Flugzeuginnenraum ohne größeren technischen Zusatzaufwand desinfizieren.

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Generell ist die Idee, UV-Licht für die Desinfektion von Flugzeugkabinen einzusetzen, nicht neu: Ein US-Unternehmen stellte bereits im Jahr 2014 ein Gerät vor, das wie ein Kabinenwagen mit ausklappbaren Flügeln aussieht, nach der Landung einfach den Mittelgang entlanggezogen wird und den Passagierraum eines Kurz- und Mittelstreckenjets angeblich in wenigen Minuten keimfrei machen kann. Doch keine Fluggesellschaft entschied sich dafür. Die Kosten erschienen angesichts des damals angenommenen Nutzens wohl nicht gerechtfertigt. Die Corona-Pandemie könnte eine solche Einstellung verändert haben.