Hamburg. Lufthansa, Easyjet und Eurowings können nicht alle Maschinen auslasten. Die Verbraucher sind verärgert. Und es gibt noch mehr Probleme.

Frisch verliebt nach Nizza, für acht Tage. So war der Plan von Janek S. und seiner Freundin Lana. Ende Mai – die Corona-Krise hatte ihren Höhepunkt hinter sich gelassen, die Airlines warben wieder um Kunden – buchte das junge Paar einen Flug von Hamburg nach Nizza mit der Lufthansa-Tochter Eurowings, zurück sollte sie Easyjet bringen.

Kurz nach der Bestätigungsmail buchten sie eine kleine Ferienwohnung an der französischen Riviera und eine Schnorcheltour. Die Vorfreude stieg – bis zum 30. Juni. Denn an diesem Tag fanden sie in ihrem E-Mail-Fach eine Nachricht von Eurowings mit dem Titel: „Flugplanänderung“.

Eurowings strich den Flug komplett

Doch die Lufthansa-Tochter verschob den Flug nach Nizza nicht etwa um wenige Stunden, sie strich ihn komplett – warme Worte inklusive: „Es tut uns leid, dass wir Sie nicht wie geplant befördern können, und wir entschuldigen uns für die Unannehmlichkeiten, die diese Flugplanänderung für Sie bedeutet. Leider können wir Ihnen an diesem Flugdatum keine Alternative anbieten.“

Und weiter: „Die Planung der Flugkapazitäten stellt uns aktuell vor enorme Herausforderungen, da wir tagtäglich auf verschiedenste Unsicherheitsfaktoren, die die Flugplanung beeinflussen, reagieren müssen. Nicht zuletzt verpflichten die aktuellen Rahmenbedingungen alle Fluggesellschaften zu einem möglichst wirtschaftlichen wie auch ökologischen Einsatz ihres Fluggeräts.“ Das junge Paar war fassungslos, stand es doch plötzlich ohne Hinflug da.

Oft fällt der ganze Urlaub ins Wasser

Mit seiner Erfahrung steht das Pärchen nicht alleine da. Obwohl viele Fluggesellschaften erst vor Kurzem einen neuen Sommerflugplan aufgelegt haben, werden immer wieder Flüge kurzfristig gestrichen. Dies führt nicht nur zur Verärgerung der betroffenen Verbraucher, sondern oft auch zum kompletten Verzicht auf den geplanten Urlaub, da keine alternativen Flüge mehr gefunden werden.

„Offenbar sind die Airlines noch in der Findungsphase, was ihre Flugpläne angeht“, sagt der Luftverkehrsexperte Cord Schellenberg. Selbst wenn man jetzt für August einen Flug buche, „kann es gut sein, dass es diesen Flug in zwei Wochen nicht mehr gibt“, sagt Schellenberg.

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    Das gesamte Flugprogramm ist „in Bewegung“

    Betroffen seien nicht wie sonst nur wenige einzelne Verbindungen, „nun ist offensichtlich das komplette Flugprogramm ständig in Bewegung“. Eine Ursache ist teilweise fehlende ausreichende Auslastung der Flüge. Es sei im Moment „extrem schwer vorherzusehen“, wie viele Passagiere ihren gebuchten Flug tatsächlich antreten werden, so Eurowings, die Billigtochter des Lufthansa-Konzerns.

    Eurowings räumt sogar ein, dass manche Starts auch wegen zu geringer Auslastung abgesagt würden. „Falls unser im Voraus geplantes Angebot höher ist als die eigentliche Nachfrage durch unsere Kunden, müssen wir einige Flüge wieder streichen“, sagte Firmensprecherin Jannah Baldus.

    Auch Lufthansa schließt Flugstreichungen nicht aus

    Nicht nur die „aktuell schwierige Lage“ verpflichte alle Airlines dazu, „nicht mit fast leeren Flugzeugen zu starten“, sagte Baldus. Eurowings trage zudem eine „ökologische Verantwortung, die wir in der Krise nicht außer Acht lassen.“

    Auch bei Lufthansa, die derzeit etwa 40 Prozent ihrer bisherigen Strecken anfliegt, heißt es auf Nachfrage unserer Redaktion: „Wir können nicht ausschließen, dass es im Einzelfall zu Flugstreichungen kommt.“ So könne es zudem kurzfristig auch zu Landeverboten in Ländern kommen, in denen die Infektionszahlen ansteigen.

    Airlines berufen sich auf „Gesundheitsschutz“

    Auch das Passagierentschädigungsportal Ersatz-Pilot berichtet von vermehrten Stornierungen und Umbuchungen. „Das betrifft zwei Kategorien von Flügen“, sagt Geschäftsführer Christopher Wekel: „Solche, die schon vor Ausbruch der Corona-Pandemie angesetzt waren und nicht aus dem Flugplan gestrichen wurden, aber auch Verbindungen, die etwa durch die Lufthansa-Gruppe oder von Billigfliegern erst kürzlich wieder aufgenommen wurden und auf denen die Nachfrage doch nicht so stark anzieht wie erwartet.“

    Werden Flüge wegen zu schwacher Auslastung gestrichen, berufen sich die Airlines teilweise auch auf den „Gesundheitsschutz“, berichtet Wekel: „Das ist paradox, denn wenn man die Passagiere mehrerer Flüge dann mit einem einzigen Jet befördert und dieser entsprechend dicht besetzt ist, erhöht das ja gerade das Infektionsrisiko für die Gäste.“

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      Die Callcenter sind oft überlastet oder nicht erreichbar

      Für die Fluggäste beginnt bei den Absagen meistens ein mühevoller Hürdenlauf, Kontakt mit den Airlines aufzunehmen und ihr Geld zurückzubekommen. Die Callcenter sind oft überlastet oder nicht erreichbar. „Entweder es ist besetzt, oder es läuft eine Bandansage, dass wegen des erhöhten Anfrageaufkommens alle Mitarbeiter im Gespräch seien“, berichten Betroffene. E-Mails bleiben unbeantwortet.

      Die Rechtslage ist klar, doch nicht alle Airlines halten sich daran: Wird ein Flug mehr als 14 Tage vor dem Start gestrichen, muss die Airline innerhalb von sieben Tagen den Ticketpreis zurückzahlen. Weil aber die ohnehin angeschlagenen Fluggesellschaften das einmal eingenommene Geld – bei der Lufthansa handelte es sich Ende Juni um rund eine Milliarde Euro an noch zu erstattenden Beträgen – lieber in der Kasse behalten möchten, bieten sie den Passagieren zunächst einmal Gutscheine anstelle der Rückzahlung an.

      Manche Fluggesellschaften tricksen, um an Geld zu kommen

      Die Praxis ist aber noch tückischer: Nach Angaben des europäischen Verbands der Flugentschädigungsagenturen (APRA) stellen sogar manche Airlines derzeit Flüge im Internet zur Buchung bereit, nur um sie wenige Stunden später wieder zu stornieren und den Ticketkäufern lediglich Gutscheine anzubieten – laut APRA ein „verwerflicher Trick“, um auf billige Weise an Liquidität zu kommen.

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