Berlin. TUI-Deutschlandchef Andryszak über Urlaub in Corona-Zeiten. Der Reisekonzern bietet allen Reisenden eine kostenlose Covid-Versicherung.

Entspannter Urlaub in Zeiten von Corona? Für viele ist das wegen Reisebeschränkungen und Infektionsrisiko undenkbar. Was möglich ist und wie Europas größter Reiseveranstalter TUI durch die Krise kommt, erklärt Deutschlandchef Marek Andryszak im Interview.

Herr Andryszak, wie läuft die Urlaubssaison in Corona-Zeiten an?

Marek Andryszak: Wir haben Mitte Juni angefangen mit den ersten Flügen nach Portugal und einem Pilotprojekt für deutsche Urlauber auf Mallorca. Das diente dazu, die Maschinerie behutsam wieder anzuwerfen und gemeinsam mit den Kunden vor Ort Erfahrungen zu sammeln. Überraschenderweise war das Feedback sehr gut. Insbesondere der Aufenthalt im Hotel wurde besser bewertet als zuvor wegen der Hygienemaßnahmen und dem Umgang der Mitarbeiter mit den Gästen. Nur die Flüge wurden so beurteilt wie in der Zeit vor Corona. In der aktuellen Zeit fühlt sich der ein oder andere in einem vollen Flugzeug vielleicht noch etwas unwohl. Dabei haben wir ein anderes Betreuungskonzept erarbeitet und Maskenpflicht an Bord. Das Einsteigen läuft jetzt deutlich entzerrter. Seit Anfang Juli fliegen wir so wieder immer mehr Menschen in den Urlaub – inzwischen haben wir fast die Hälfte unseres üblichen Programms erreicht.

Welche Erfahrungen haben Sie bei dem Test auf Mallorca gesammelt?

Andryszak: Die Hoteliers waren zufrieden. Die Gäste sind freundlicher und großzügiger als in der Zeit vor Corona. Alle haben sich aufeinander gefreut. Siehe da: Eine Pause von drei Monaten erzeugt ganz neue Gefühle. Kommerziell sind wir zufrieden, weil die Flüge und Hotels gut ausgelastet waren. Die Gäste sind zufrieden – alles lief durchweg positiv.

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    Zuletzt machten dagegen Berichte von feierwütigen Massen in der berühmten Bierstraße auf Mallorca Schlagzeilen. Offenbar hielt sich kaum jemand an die Corona-Regeln. Wie sehen Sie das als Reiseveranstalter?

    Andryszak: Da haben einige überhaupt nicht verstanden, in was für einer Zeit wir momentan leben. Partymachen ist gerade einfach nicht angesagt. Jeder sollte Rücksicht auf sich selbst und seine Mitmenschen nehmen. Wir als TUI haben für das Jahr 2020 jegliche Partyreisen abgesagt. Damit setzen wir ein deutliches Zeichen, wie wir gegenüber dieser Form des Tourismus derzeit stehen. Wir stehen für einen ruhigen Urlaub. Das ist auch etwas Angenehmes, das wir ausprobieren sollen, anstatt auf Biegen und Brechen etwas zu machen, was derzeit einfach nicht angesagt ist.

    Wie sehen Sie als Reiseveranstalter die Diskussion um mögliche Ausreisesperren für Landkreise mit hohen Infektionszahlen?

    Andryszak: Über solche Sperren müssen erst einmal die lokalen Behörden entscheiden. Als Veranstalter können wir nur darauf reagieren. Es ist möglich, Corona-Tests sehr kurzfristig vor der Abreise durchzuführen. Wenn der Test negativ ist, dann ist es dem Gast erlaubt, zum jeweiligen Urlaubsziel zu reisen. Wir sehen uns hier als Dienstleister im Sinne des Guten und wollen für unsere Gäste den wohlverdienten Urlaub möglich machen.

    TUI-Deutschlandchef Marek Andryszak ruft Reisende dazu auf, während der Corona-Pandemie Rücksicht auf sich selbst und andere zu nehmen.
    TUI-Deutschlandchef Marek Andryszak ruft Reisende dazu auf, während der Corona-Pandemie Rücksicht auf sich selbst und andere zu nehmen. © imago/localpic | imago stock

    Wie wollen Sie die Menschen ermuntern, trotz Corona in den Urlaub zu reisen?

    Andryszak: Wir bieten unseren Kunden ab morgen eine Covid-Versicherung an, die drei wesentliche Punkte umfasst: Sollte ich selbst Corona-Krankheitssymptome haben, kann ich virtuell einen deutschsprachigen Arzt kontaktieren und dann einen Corona-Test vor Ort machen. Sollte ich wegen Covid-19 und einer Quarantäne länger an meinem Urlaubsort bleiben müssen, werden die Kosten dafür übernommen. Und das Dritte ist: Sollte eine Behandlung im Krankenhaus nötig sein, dann kann ich, wenn rechtlich und medizinisch möglich, auch nach Deutschland ausgeflogen werden. Das wird von unserer Seite mit unserem Partner Axa abgedeckt und ist für Pauschalreisende kostenlos. Dieser Schutz gilt für alle Abreisen in diesem Jahr, auch für bereits gebuchte Reisen, die ab diesem Sonnabend starten. Je nach Entwicklung der Situation werden wir das Angebot in das kommende Jahr verlängern.

    Viele Reisende beschweren sich über eine schleppende Erstattung abgesagter Reisen. Wie ist die Lage bei TUI?

    Andryszak: Wir haben den Rückstau abgearbeitet. 99 Prozent aller Kundenanfragen sind durch. Bei einer solchen Menge gibt es aber immer einige Spezialfälle, etwa wegen technischer Schwierigkeiten. Ich weiß, für dieses eine Prozent an Kunden ist das extrem ärgerlich und dafür entschuldige ich mich. Alles was jetzt neu zu erstatten ist, erledigen wir innerhalb von 14 Tagen. Wer eine Rückzahlung möchte, erhält diese auch innerhalb der Frist. Etwa die Hälfte unserer Kunden entscheidet sich für einen Gutschein. Daran hat sich durch die neue zusätzliche staatliche Absicherung nicht viel geändert.

    Wie hat sich TUI zur Bewältigung der Krise aufgestellt?

    Andryszak: Unsere Teams haben wir in den vergangenen Monaten neu ausgerichtet. Am Anfang haben wir das Krisenmanagement massiv hochgefahren und die Rückholung unserer Urlauber organisiert. Nach den ersten zwei, drei Wochen ging es darum, den Finanzbereich und Kundenservice bei den Rückzahlungen zu stärken. Jetzt arbeiten wir verstärkt am Neustart. Dieser ist viel komplexer als der Stopp zu Beginn der Corona-Krise. Beim Stopp müssen Sie bevorstehende Anreisen absagen und leere Flugzeuge an die Urlaubsorte schicken, um die Reisenden zurückzuholen. Das hat in kleinerem Ausmaß in den vergangenen Jahren immer mal wieder stattgefunden – wegen Vulkanausbrüchen, Naturkatastrophen oder politischen Unruhen. Was weniger eingeübt ist, ist der Neustart des Geschäfts.

    Bei dem offenbar nicht alles rundläuft, wie Reisende beklagen …

    Andryszak: Der Neustart ist ein sehr komplexer Prozess, der leider in manchen Fällen Unzufriedenheit verursachen kann. Die Nachfrage ist derzeit geringer, daher können wir vorerst nicht das normale Flugangebot bieten. Wenn wir nur einen Teil anbieten, müssen wir einen anderen Teil stornieren oder umbuchen. Manche Hoteliers schließen wegen der geringen Auslastung für die restliche Saison. Damit haben einige Gäste auf den Flügen, die stattfinden, dann wieder kein Hotel. Wir spielen hier nicht Roulette und werfen Dinge wahllos durcheinander, sondern stellen weiterhin ein schönes Urlaubserlebnis zusammen. Das ist ein sehr komplexes Gebilde mit Abhängigkeiten, die auf den ersten Blick vielleicht nicht sichtbar sind. Aktuell konzentrieren wir uns darauf, das zu managen und den Kunden einen anderen Termin, Flughafen oder auch ein anderes Reiseziel anzubieten. Ich bin mir sicher, dass wir in der zweiten Sommerhälfte wieder eine deutlich höhere Stabilität erreichen können.

    Ihre Kreuzfahrtschiffe liegen seit Monaten an der Kette. Wann geht es wieder los?

    Andryszak: Die „Mein Schiff 2“ startet am 24.7. mit Kreuzfahrten in der Nordsee. Häfen werden unterwegs erst einmal nicht angefahren. Die Gäste können die Landschaften vom Schiff aus betrachten und an Bord entspannen. Ich gehe davon aus, dass es in der Sommersaison erst nach und nach möglich sein wird, Landgänge anzubieten. Das ist eine andere Erfahrung als bisher. Aber die Buchungszahlen sind positiv. Für manche ist es eine Gelegenheit, eine Kreuzfahrt ohne lange Anreise kennenzulernen und sich später für eine größere Reise zu entscheiden.

    Wie steht es um Hygienemaßnahmen an Bord?

    Andryszak: Auf den Schiffen ist es kaum anders als im Hotel, die Hygienemaßnahmen sind sehr ähnlich. Wir werden zunächst maximal 60 Prozent der Kapazität der Schiffe nutzen. Auf den Kabinenfluren wird um das Tragen eines Mund-Nase-Schutzes gebeten, an den Büffets übernehmen die Service-Teams die Ausgabe der Speisen. Zudem wird etwa das Entertainment- und Sportprogramm in deutlich kleineren Gruppen organisiert. Unsere Programme im Theater spielen wir mehrfach. Und die Besatzung und das Equipment des Bordhospitals wird vorsorglich aufgestockt.

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