Hamburg. Airbus schließt in der Corona-Krise betriebsbedingte Kündigungen nicht aus. IG Metall und Betriebsrat protestieren.

Es ist eine dieser Tatsachen, die nur allzu leicht in Vergessenheit geraten: Langfristig gesehen mag die Luftfahrt ein Wachstumsfeld sein, immer mal wieder ist der Markt jedoch äußerst heftigen Schwankungen unterworfen. Der Ausbruch der Corona-Pandemie hat auch Airbus in die schwerste Krise der Unternehmensgeschichte gestürzt. Allein in Hamburg sollen 2260 Arbeitsplätze abgebaut werden, wobei betriebsbedingte Kündigungen nicht ausgeschlossen sind.

Mit einer Art Mahnmal in Form von 2000 leeren Stühlen haben der Betriebsrat und die IG Metall Küste am Mittwochmittag vor dem Haupttor des Werks auf Finkenwerder gegen die geplanten Stellenstreichungen protestiert. Thomas Heinemann, der vor fast 40 Jahren als Feuerwehrmann bei Airbus anfing und später als Flugzeugbauer arbeitete, hat Erfahrung mit Krisenphasen: „Ich habe schon das Sparprogramm ,Dolores‘ in den 1990er-Jahren erlebt“, sagt er. „Im Moment ist die Stimmung im Unternehmen überhaupt nicht gut, die Ungewissheit ist einfach zu groß.“

Airbus-Betriebsrat und Gewerkschaft: Mit leeren Stühlen gegen Jobabbau

Weil die gesamte Branche leide, gebe es für Kollegen, deren Arbeitsplatz bei Airbus in den nächsten Monaten wegfallen solle, auch kaum Perspektiven außerhalb des Konzerns: „Das ist sehr schwierig für sie und für ihre Familien.“ Allerdings gibt Heinemann, der nun als Vertrauensmann für die Schwerbehinderten tätig ist, die Hoffnung nicht auf, dass der Abbau wenigstens teilweise noch abgewendet werden kann: „Der Zusammenhalt im Betrieb ist sehr stark, da ist ganz viel möglich.“

Wie es von der IG Metall hieß, konnte coronabedingt keine große Zahl von Airbus-Beschäftigten zu der Veranstaltung vor dem Werkstor kommen, praktisch alle der rund 100 Teilnehmer waren Personen mit einer Funktion im Betriebsrat oder in der Gewerkschaft. Viele der 2000 Klappstühle waren beklebt mit Fotos von Mitarbeitern und gemalten Bildern ihrer Kinder. „Sichere Arbeit für alle“ und „Erst Kurzarbeit, dann arbeitslos – nicht mit uns“, war auf Plakaten und Bannern zu lesen.

IG Metall sieht mehr Gründe als nur Corona: "Da steckt noch etwas anderes dahinter"

Im Rahmen eines bundesweiten „Aktionstags“ zu den Airbus-Plänen fanden ähnliche Kundgebungen auch an den Standorten Bremen und Stade statt, ebenso an den Werken der Konzerntochter Premium Aerotec in Varel und Nordenham. Bei Airbus in Deutschland sollen insgesamt mehr als 3200 Stellen wegfallen. Bei Premium Aerotec sind es 2800, davon rund 1000 im süddeutschen Werk Augsburg.

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„Der geplante Personalabbau ist überzogen und riskiert die Zukunftsfähigkeit von Airbus“, sagte Daniel Friedrich, Bezirksleiter der IG Metall Küste: „Wir brauchen keine Abrissbirne, sondern eine Brücke in die Zukunft.“ Es erscheine zudem geradezu paradox, wenn gerade in Hamburg, dem konzernweiten Kompetenzzentrum für Kurz- und Mittelstreckenjets, so viele Jobs gestrichen werden: „Auch nach Einschätzung von Airbus wird sich dieses Marktsegment als erstes wieder erholen. Man wird doch lieber wieder von Hamburg nach Wien fliegen als nach Buenos Aires.“ Der IG-Metall-Bezirksleiter argwöhnt daher, die Corona-Krise sei nicht die einzige Erklärung für den Abbauplan: „Da steckt noch etwas anderes dahinter.“

Airbus will Geld vom Staat, um Arbeitsplätze zu erhalten

Friedrich kritisierte auch den Zeitplan für das Sparprogramm: „Man schickt die Beschäftigten jetzt mit der Frage in den Urlaub: Was wird mit meinem Arbeitsplatz, was wird mit diesem Standort? So geht man nicht mit Menschen um.“ Schließlich gehe es um Kollegen, „die für dieses Unternehmen ihr Herzblut gegeben haben“, sagte Jan-Marcus Hinz, Vorsitzender des Airbus-Gesamtbetriebsrats. Dem Konzern gehe es derzeit schlecht, das bezweifele niemand. „Aber diese Krise ist irgendwann vorüber“, so Hinz. Er erwarte daher, dass die Firmenleitung gewissenhaft prüfe, ob sich mit Fördermitteln aus dem Konjunkturpaket eine Überbrückung schaffen lasse.

Zuletzt hatte Airbus Druck auf die Bundesregierung gemacht. Wenn das Kurzarbeitergeld auf zwei Jahre verlängert werde, könne Airbus in Deutschland 1500 der gefährdeten Jobs in der Verkehrsflugzeugsparte erhalten, hatte Produktionschef Michael Schöllhorn gesagt. Staatliche Forschungsgelder für die Entwicklung umweltfreundlicherer Flugzeuge könnten weitere 500 Stellen sichern. Was das für den Standort Hamburg mit rund 15.000 fest angestellten Beschäftigten bedeuten würde, bezifferte Airbus jedoch nicht.

Airbus: "gute Gespräche" mit Betriebsrat und Gewerkschaft

Ein erstes Treffen zwischen der Firmenleitung und den Arbeitnehmervertretern zu den geplanten Stellenstreichungen fand am Donnerstag voriger Woche statt. Wie ein Unternehmenssprecher dem Abendblatt am Mittwoch sagte, befinde man sich „in guten Gesprächen“ mit dem Betriebsrat und der Gewerkschaft. Zum Inhalt und zum Zeitplan äußerte sich der Sprecher nicht. Früheren Angaben zufolge soll bis September klar sein, wie viele Positionen tatsächlich wegfallen, bis spätestens Sommer kommenden Jahres soll der Abbau umgesetzt sein. Betriebsbedingte Kündigungen sind in Deutschland zumindest bis Ende 2020 durch den sogenannten Zukunftstarifvertrag ausgeschlossen.

Hintergrund der Sparpläne ist eine Kürzung der Flugzeugproduktion um rund 40 Prozent bis Ende 2021. Nach den Worten des für Deutschland zuständigen Airbus-Arbeitsdirektors Marco Wagner prüft das Unternehmen unter anderem eine Ausweitung von Altersteilzeit und eine vorübergehende Reduzierung der Arbeitszeit bei weniger Lohn, sodass mehr Menschen während der Produktionsdrosselung weiterbeschäftigt werden können.

Sollte Airbus aber am Ende doch betriebsbedingte Kündigungen beschließen, dann gibt es laut Sophia Kielhorn, Vorsitzende des Betriebsrats am Standort Hamburg, als Antwort darauf „eine Aktion, wie man sie hier noch nicht gesehen hat.“