Hamburg. Grüne Umweltbehörde stoppt Planfeststellungsverfahren für Steinwerder Süd. Gefahr durch Schwermetalle ist zu groß.

Nur drei Kilometer Luftlinie von der Hamburger Innenstadt entfernt soll ein neuer Hafenteil entstehen. Das ehemals als Mittlerer Freihafen bezeichnete Areal Steinwerder Süd umfasst 32,6 Hektar und gehört zu den letzten zusammenhängenden Flächen im Hamburger Hafen. Es gilt deshalb als eine Perle, quasi als Garten Eden der Hafenentwicklung, und so wird das Areal auch von Hafenplanern und vom Senat gesehen. Als die Container noch in Massen nach Hamburg kamen, plante man hier ein riesiges, automatisiertes Containerterminal zu entrichten.

Später, als der Containerstrom nachließ, gab es mehrere Machbarkeitsstudien, um neue Ideen zur Nutzung des Geländes zu sammeln. Zuletzt sorgte ein Ideenwettbewerb für Aufsehen, den chinesische Investoren gewannen, die aus Steinwerder Süd ein großes Logistiklager mit Umschlagsterminal machen wollten. Auch die heutigen Koalitionäre aus SPD und Grünen drängen auf eine Nutzung der Flächen – möglichst CO2-neutral, mit hoher Wertschöpfung und sicheren Arbeitsplätzen. Die zuständige Hafenverwaltung Hamburg Port Authority (HPA) führe dazu zeitnah ein Planfeststellungsverfahren durch, heißt es im Koalitionsvertrag. Die Betonung liegt auf „zeitnah“.

Doch genau das könnte sich nun als Problem erweisen. Denn die Umweltbehörde hat das Planfeststellungsverfahren der HPA zunächst gestoppt. Damit wird es sich um etwa eineinhalb Jahre verzögern. Der Politiker, der das Verfahren zum Stillstand brachte, hat zugleich am Koalitionsvertrag mitgeschrieben: Umweltsenator Jens Kerstan von den Grünen. Offensichtlich sind die umweltrechtlichen Bedenken gegen die Bauweise so schwerwiegend, dass Kerstan gar nicht anders handeln konnte.

Heikles Verfahren

Um die verwinkelten, kleinen Hafenbecken, die von heutigen Schiffen kaum mehr genutzt werden können, modernen Standards anzugleichen, ist nämlich eine Verfüllung des Oderhafens geplant. Dort, wo sich früher Stückgut-Kräne drehten, sollen die Wasserflächen zwischen dem früheren Ross- und Hansa-Terminal aufgeschüttet werden, um Industrieflächen zu gewinnen. Zudem soll eine lange Kaikante entstehen, die für größere Schiffe der heutigen Zeit geeignet ist. Geplant war eine offene Ausbauweise, bei der man das durch die Sandaufschüttung herausgepresste Wasser direkt in die Elbe leitet. Die HPA, der das Verfahren wohl selbst heikel erschien, hatte sich hier sogar durch eine Rechtsanwaltskanzlei abgesichert.

Doch es half nichts. Bereits auf der zweiten Seite ihrer 19-seitigen Stellungnahme hat die von Kerstan geführte Umweltbehörde der Bautechnik eine Absage erteilt: „Der beantragten offenen Ausbauweise wird nicht zugestimmt“, heißt es in dem Schreiben, das dem Abendblatt vorliegt. Die Umweltbehörde fordert stattdessen eine geschlossene Ausbauweise. Dabei wird das Baufeld abgetrennt und das Abwasser vor seiner Einleitung in die Elbe gereinigt.

„Mit Blick auf das Schlickproblem und die Wasserqualität der Elbe müssen wir vermeidbare Zusatzbelastungen vermeiden. Aus ökonomischen und ökologischen Gründen sollten wir die technischen Möglichkeiten nutzen, Schwermetalle wie Arsen aus belasteten Sedimenten zu entziehen. Es erscheint aus unserer Sicht nicht verantwortbar, neue und erhebliche Schwermetallbelastungen in die Elbe zu tragen“, sagte der Sprecher der Umweltbehörde, Jan Dube. Er fügte hinzu: „Mittlerweile wird für den Oderhafen nach unserer Kenntnis wieder ein geschlossenes Ausbauverfahren favorisiert.“

Neues Beteiligungsverfahren im Sommer 2021?

Das bestätigt die für die HPA zuständige Wirtschaftsbehörde. „Das Beteiligungsverfahren hat in seinem besten Sinn zum Ergebnis gehabt, dass die Planung sogar noch verbessert werden kann, wenn mit einem veränderten Bauverfahren eine noch größere Schonung der Umweltschutzgüter herbeigeführt wird. Das liegt natürlich im Interesse der HPA, wenn und weil gleichzeitig eine bedarfs- und marktgerechte Bereitstellung der neuen Flächen auch dann noch gewährleistet ist“, sagte eine Behördensprecherin.

Man habe es aber auch nicht eilig. „Bei einer Hafenentwicklungsplanung wie dieser gibt es keine Fixierung auf etwaige Fertigstellungstermine, sondern es ist der Markt zu beobachten und die rechtzeitige Angebotsfähigkeit der HPA im Blick zu behalten. Beides ist gewährleistet.“ Das widerspräche aber dem Wort „zeitnah“ im Koalitionsvertrag. Also kommt die Behörde nicht umhin, den Zeitverzug einzuräumen. So sagte die Behördensprecherin: „Die HPA rechnet derzeit damit, das neue Beteiligungsverfahren im Sommer 2021 eröffnen zu können. Der Verlauf des Planfeststellungsverfahrens hängt aber – wie immer – von den Ergebnissen der Beteiligung ab.“ Das wäre ziemlich genau zwei Jahre nach dem ersten Beteiligungsverfahren.

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Damit wird auch Steinwerder Süd wie die Elbvertiefung oder die sogenannte Westerweiterung des Containerterminals Eurogate zu einem langwierigen Projekt der Hafenentwicklung. Bereits vor mehr als zehn Jahren hat die Politik die Entscheidung gefällt, den Mittleren Freihafen zu reaktivieren. Im Jahr 2009 schloss die HPA dann mit der Hafenfirma Buss, die auf dem besagten Gelände ihren Umschlagsbetrieb hatte, eine Vereinbarung zur vorzeitigen Räumung des Geländes.

Buss hatte einen Pachtvertrag bis 2025. 118 Millionen Euro Steuergeld zahlte der Senat damals, damit Buss Steinwerder vorzeitig verlässt. Inzwischen stellt sich die Frage, ob die Ausgabe gerechtfertigt war, oder ob es nicht einfacher gewesen wäre, den Pachtvertrag der Firma auslaufen zu lassen. Denn ob hier vor 2025 etwas Neues angesiedelt wird, ist beim derzeitigen Tempo eher unwahrscheinlich.

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