Hamburg. Der Flughafen erwartet dieses Jahr nur noch acht Millionen Passagiere: Zehn Prozent aller Stellen sollen wegfallen, Ausbau gestoppt.
Wer in den vergangenen Wochen am Hamburger Flughafen war, der konnte die Auswirkungen der Corona-Pandemie gar nicht übersehen: Fast alle Parkplätze frei. Terminal 2 gesperrt, Terminal 1 nahezu menschenleer, Läden und Restaurants lange Zeit geschlossen. Die Anzeigetafel war zwar überraschend gut gefüllt. Doch beim genauen Betrachten sah man, dass die Flüge der nächsten drei Tage draufstanden. Der Luftverkehr war weltweit nahezu lahmgelegt mit den entsprechenden Konsequenzen.
Die Corona-Krise habe den Hamburg Airport „wirtschaftlich schwer getroffen“, teilte das Unternehmen am zweiten Tag der Hamburger Sommerferien mit und bezifferte erstmals seit Krisenbeginn Mitte März den Umfang der Auswirkungen – sie sind für Passagierzahl, Finanzkraft, Mitarbeiter und Ausbaupläne massiv.
Flughafen Hamburg von Corona "getroffen wie ein Blitzschlag"
Eigentlich hatte der Flughafen für dieses Jahr mit einem Prozent Plus auf 17,5 Millionen Passagiere gerechnet. Die ersten beiden Monate seien auch „vernünftig“ gewesen, sagte Flughafen-Chef Michael Eggenschwiler am Freitag vor Journalisten in einem Konferenzraum des Airports: „Dann kam Corona und hat unseren Flughafen getroffen wie ein Blitzschlag.“ Von einem auf den anderen Tag brach der Flugverkehr ein.
Der 11. April sorgte für einen Negativrekord: Nur 177 Passagiere nutzten den Helmut-Schmidt-Airport. Zum Vergleich: Im Vorjahr waren es im Schnitt pro Tag 47.397 – also das 267-Fache. Zwar kehren die Fluggesellschaften seit einigen Wochen wieder nach Fuhlsbüttel zurück und weiten ihr Streckenangebot aus. Doch es ist klar, dass man weit unter der Passagierprognose bleiben wird. Bis zum 24. Juni zählte der Airport 2,68 Millionen Fluggäste. Ein Minus von 66 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Wegen der unsicheren, dynamischen Krisenlage arbeite man mit Szenarien für die Zukunftsplanung. Die für Eggenschwiler wahrscheinlichste in diesem Jahr: „Im Moment gehen wir davon aus, dass wir auf rund acht Millionen Passagiere kommen werden.“ Das wäre mehr als eine Halbierung.
Mehr als 100 Millionen Euro Verlust für den Hamburg Airport
Selbst in den jetzt begonnenen Sommerferien – normalerweise Hochsaison in Fuhlsbüttel – werde nur mit 5000 Reisenden pro Tag gerechnet. Das entspricht zehn Prozent des einstigen Aufkommens. Frühestens ab 2025 könne man ähnliche Passagierzahlen wie vor der Krise erwarten, sagte Eggenschwiler: „Die Folgen werden noch viele Jahre für den Flughafen spürbar sein.“
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Auf der wirtschaftlichen Seite heißt das: Es wird tiefrote Zahlen geben. Starts und Landungen von Airlines sowie das Abfertigen von Passagieren spülen für gewöhnlich das Geld in die Kasse. Diese Einnahmen fielen mit Beginn der Krise nahezu auf null. Mit Läden und Restaurants laufen Gespräche über eine Stundung der Mieten. Tchibo habe als erstes und einziges Unternehmen bisher seine Fläche gekündigt. „Wir rechnen im Moment für dieses Jahr mit einem Verlust von deutlich über 100 Millionen Euro“, sagte Eggenschwiler.
2019 hatte der Flughafen noch mehr als 32 Millionen Euro Gewinn gemacht
Auch in den nächsten Jahren dürfte man in den roten Zahlen bleiben, wenn das Geschäft nicht kräftig anzöge. Der Flughafen sei ein Fixkostengeschäft. Die Kosten für Vorhaltung und Betrieb der Infrastruktur lägen bei 120 Millionen Euro im Jahr und machten etwa die Hälfte der Gesamtkosten aus. Bisher bekamen die Gesellschafter – zu 51 Prozent die Stadt Hamburg und zu 49 Prozent die AviAlliance GmbH, hinter der der kanadische Infrastrukturinvestor PSP Investments steckt – hohe Gewinne ausgezahlt. 2019 waren es 32,2 Millionen Euro.
Das wird sich mit dem Rutschen in die Verluste ändern. „Das ist ein Thema, das wir mit den Gesellschaftern besprechen müssen“, sagte Eggenschwiler: „Als Gesellschafter ist der Steuerzahler mit involviert, aber in welcher Form ist noch zu früh zu sagen.“
Zehn Prozent aller Stellen sollen wegfallen
Mit einem „Modernisierungsprogramm“ will sich der Flughafen nun fit für die Zukunft machen. Grundsätzlich sei das Unternehmen gesund, so Eggenschwiler. Bereits im Sommer 2019 hatte man das Programm „HAM Flex“ aufgelegt, bei dem die Kosten um mindestens zehn Millionen Euro pro Jahr gesenkt und die Erlöse beispielsweise durch das Erschließen neuer Geschäftsfelder um mindestens fünf Millionen Euro gesteigert werden sollten. Hintergrund: Seit 2016 (48,1 Millionen Euro) sank das Ergebnis Jahr für Jahr. Hamburg Airport profitiere nun davon, ein solches Programm aufgesetzt zu haben, so Eggenschwiler. Kostenersparnisse und Erlössteigerungen seien eingeleitet worden.
Es wird weitere Maßnahmen geben. „Wir werden bis 2023 unseren Personalbestand um zehn Prozent anpassen müssen“, sagte Eggenschwiler. Der Betriebsrat sei bereits informiert. Rund 200 Stellen gebe es zu viel. Betriebsbedingte Kündigungen sollen möglichst vermieden werden. Über Fluktuation und Ruhestandsregelungen wolle man das Ziel erreichen. Neueinstellungen wird es vorerst nicht geben. Frei werdende Positionen werden nicht mehr oder durch interne Rotation besetzt. „Unser klares Ziel ist es, die bestehenden Arbeitsplätze so weit wie möglich zu erhalten. Das hat oberste Priorität“, sagte Eggenschwiler.
Shuttle Gates? "Brauchen wir in den nächsten Jahren schlicht nicht"
Hilfreich sei dabei das Kurzarbeitergeld, bei dem die Agentur für Arbeit bis zu 67 Prozent des Nettolohns übernimmt. Für die Bezugsdauer von einem Jahr stockt das Unternehmen für alle 2000 Beschäftigten den Lohn freiwillig auf 90 Prozent auf. Weitere finanzielle Einschnitte drohen dem Personal offenbar nicht. „Wir haben gültige Tarifverträge. Die Mitarbeiter leisten über die Kurzarbeit ihren Beitrag“, sagte Eggenschwiler. Zudem sei es wichtig, auf der Tarifvertragsseite Ruhe zu haben.
Ruhig wird es zukünftig vermutlich auch bei den Shuttle Gates bleiben. Auf dem Vorfeld 2 in der Nähe zu Lufthansa Technik steht seit Monaten ein Interimsterminal nahezu fertig gebaut. Die Passagiere sollten aus den bisherigen Terminals mit dem Bus dorthin gebracht werden und dann zu Fuß zu den Flugzeugen gehen. „Wir werden die Shuttle Gates im Moment gar nicht in Betrieb nehmen. Das brauchen wir in den nächsten Jahren schlicht nicht“, sagte Eggenschwiler. Mehr als 20 Millionen Euro habe man bereits in das Gebäude gesteckt. Das sei „bitter“, räumte der Airport-Chef ein. Aber das sei Teil des Flughafengeschäfts. Man müsse langfristig denken, um teure Infrastrukturen bereitzustellen und trage dann das Risiko, dass der Bedarf später nicht wie erwartet da ist.
Ausbau der Pier Süd wird auf Eis gelegt
Zudem wurde auch das Projekt Pier Süd auf Eis gelegt. Dort sollten auf der Rückseite fünf weitere Fluggastbrücken errichtet werden. Zumindest innerhalb der nächsten fünf Jahre werde der Ausbau vermutlich nicht stattfinden. Die Erneuerung der Gepäckförderanlage wurde um 1,5 Jahre nach hinten verschoben.
Eggenschwiler schloss seinen Vortrag mit den Worten: „Wir haben da viel vor der Brust im Moment.“