Berlin. Verdi-Chef Frank Werneke kritisiert den Umgang mit den Corona-Alltagshelden. Der Gewerkschafts-Vorsitzende dringt auf höhere Löhne.
Sie wurden als Alltagshelden der Corona-Krise bejubelt, die Menschen applaudierten von den Balkonen: In der Pflege, im Supermarkt und bei der Müllabfuhr kamen Millionen Beschäftigte auch in der Hochphase der Einschränkungen aufgrund der Pandemie ihrer Arbeit nach.
Doch für Frank Werneke, Vorsitzender der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) ist dieser Respekt nicht nachhaltig genug. Es finde ein Stimmungsumschwung statt, bemängelt der 53-Jährige im Interview mit unserer Redaktion.
Herr Werneke, in der Corona-Krise haben viele Arbeitnehmer unterer Lohngruppen, etwa in der Pflege, der Müllabfuhr oder im Einzelhandel, durchgearbeitet. Andere Geringverdiener wie Friseure oder Beschäftigte im Handel sind in hohem Maße von der Kurzarbeit betroffen. Geht Corona auf Kosten der unteren Einkommensschichten?
Frank Werneke: Menschen mit niedrigen Einkommen, die nun von Kurzarbeit betroffen sind, trifft die Krise besonders hart. In vielen Branchen, etwa in der Gastronomie, bei Kinos, im Friseurgewerbe, aber auch bei Berufen von Solo-Selbstständigen in der Unterhaltungs- und Freizeitbranche, gab es vorher noch nie Kurzarbeit. Entsprechend gab es auch keine Vorkehrungen. Wer in Teilzeit arbeitet und vielleicht noch auf das Trinkgeld zählt, den trifft es hart, wenn er nur noch 60 Prozent seines Lohnes bekommt. Es ist ein wirkliches Manko, dass wir in Deutschland kein Kurzarbeitergeld haben, das unterschiedliche Einkommenshöhen beachtet.
Muss man also eine Aufstockung von Kurzarbeitergeld in Zukunft über Tarifverträge konsequenter angehen?
Frank Werneke: Es gibt ja bereits viele Tarifverträge, die das regeln. Aber die finden sich vor allem in Branchen, die bereits in der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09 von der Kurzarbeit betroffen waren. Dass es uns als ver.di aktuell dennoch gelungen ist, von der Filmbranche bis zur Abfallwirtschaft eine Aufstockung des Kurzarbeitergeldes über Tarifverträge zu erreichen, freut mich sehr. Aber in anderen großen Bereichen, etwa dem stationären Einzelhandel – mit Ausnahme von NRW - oder auch in der Hotel- und Gastronomiebranche gibt es keinen tariflichen Anspruch auf eine Aufstockung von Kurzarbeitergeld. Da herrscht jetzt echte Not.
Muss man also nachbessern?
Frank Werneke: Die Kurzarbeiterregelung in dieser Krise war eine Kraftanstrengung, die wichtig war. Aber sie hat einen Konstruktionsfehler. Die vollständige Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge durch die Bundesagentur für Arbeit zugunsten der Unternehmen hätte mit einer Verpflichtung zur Aufstockung des Kurzarbeitergeldes durch die Arbeitgeber verknüpft werden müssen. Das ist bei der Gesetzgebung im März versäumt worden, obwohl wir Gewerkschaften drauf hingewiesen haben. Werden künftig Sozialversicherungsbeiträge erstattet, muss auch das Kurzarbeitergeld aufgestockt werden. Insbesondere für Beschäftigte mit niedrigem Einkommen muss es von vornherein deutlich höher als 60 Prozent ausfallen.
Was wäre denn eine angemessene Höhe?
Frank Werneke: In Österreich ist das Kurzarbeitergeld etwa von 80 bis 90 Prozent gestaffelt. Wer ein höheres Einkommen hat, erhält ein niedriges Kurzarbeitergeld, aber immer noch höher als der gesetzliche Anspruch in Deutschland. Wer dagegen wenig verdient, muss geringere Abschläge hinnehmen. Das halte ich für ein sinnvolles Modell. So haben wir es auch über den Tarifvertrag im öffentlichen Dienst umgesetzt. Bei Einkommen von knapp über 3000 Euro im Monat erhalten die Beschäftigten 90 Prozent ihres Einkommens an Kurzarbeitergeld, bei Einkommen unter 3000 Euro darunter 95 Prozent.
Viele Pfleger wurden in der Krise mit Applaus als Helden gefeiert. Im Konjunkturpaket werden sie aber kaum bedacht. Wurden sie vergessen?
Frank Werneke: Ziel des Konjunkturpaketes ist es, über zusätzliche Staatsverschuldung einen Konjunkturimpuls zu setzen, der in den nächsten Wochen und Monaten wirkt. Die bessere Bezahlung im Einzelhandel, in der Altenpflege oder im Gesundheitswesen kann daher nicht im Rahmen des Konjunkturpakets erfolgen, sondern muss über die regulären Wege finanziert werden: die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens, über die Sozialversicherungsbeiträge oder über Steuern. Aber ich nehme schon ein Umdenken wahr. Der Applaus war gestern. Jetzt ist die Undankbarkeit zurück. Zum Beispiel im Supermarkt: Dort wurden die Mitarbeiter bejubelt, sie haben aber – wenn überhaupt –nur einen einmaligen Warengutschein erhalten. Und jetzt lehnen die Arbeitgeber in vielen Branchen Lohnsteigerungen mit dem Argument ab, dass es ja allen anderen gerade schlecht geht.
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Und auch bei den kommunalen Arbeitgebern im öffentlichen Dienst stoßen Sie auf Widerstand.
Frank Werneke: Wir wollten den Beginn der Tarifrunde in Verbindung mit einer Einmalzahlung auf das Frühjahr des kommenden Jahres verschieben. Uns fehlen drei Monate Vorbereitungszeit und wir hatten nicht einmal die Gelegenheit, über die Forderungen unserer Mitglieder zu diskutieren, weil wir keine Präsenzsitzung durchführen konnten. Von den Kitas bis zu den Krankenhäusern herrscht immer noch eine Ausnahmesituation. Die Arbeitgeber lehnen einen späteren Beginn aber komplett ab. Sie pochen auf die Tarifrunde im September, wohlwissend, dass dann die Gefahr einer zweiten Infektionswelle besteht. Das ist ihnen egal. Zudem haben sie schon angekündigt, dass eigentlich kein Geld da sei, auch nicht für die Beschäftigten in den kommunalen Krankenhäusern. Das ist genau der Punkt. Applaudiert haben sie zur Hochphase der Krise alle. Aber die Löhne werden dennoch niedrig gehalten. Es überrascht mich nicht mehr, aber es enttäuscht mich immer noch. Und vor allem enttäuscht es die Beschäftigten, die so viel in dieser Krise leisten.
Altenpfleger verdienen in der Stunde rund elf Euro. Das ist kein heldenhafter Verdienst. Wie lange wird es noch dauern, bis wir einen bundesweiten Tarifvertrag in der Pflege bekommen?
Frank Werneke: In der Langzeit- und Altenpflege gibt es deutliche Unterschiede in der Bezahlung, besonders niedrige Gehälter gibt es in Ostdeutschland. Es ist uns aktuell immerhin gelungen, für die Altenpflege einen Bonus von 1500 Euro für mehr als eine Million Beschäftigte durchzusetzen. Wir sind weiterhin dabei, einen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag vorzubereiten und befinden uns im Verfahren mit den kirchlichen Trägern. Bei den profitorientierten privaten Altenpflegekonzernen treffen wir aber auf beinharten Widerstand, besonders bei ihrem Cheflobbyisten Rainer Brüderle. Ob dort Vernunft siegt und Empathie vorhanden ist, da habe ich meine Zweifel. Es braucht politische Unterstützung, um hier voranzukommen.
Die Corona-Krise hat also nicht zu einem Umdenken geführt?
Frank Werneke: Zumindest bei Rainer Brüderle kann ich noch kein Umdenken feststellen. Aber natürlich gibt es ein Momentum. Und deshalb nehmen wir jetzt einen neuen Anlauf mit den konstruktiven Arbeitgebern in der Altenpflege. Wir sind dazu auch im Gespräch mit dem Bund und einigen Ländern, sodass ich größere Chancen sehe, zu einer besseren Regelung zu kommen, als dass noch vor ein paar Monaten der Fall gewesen wäre. Aber aus Dankbarkeit passiert nichts.
Die Bonuszahlungen kamen nicht allen Pflegern zugute sondern galten nur für Alten- und Langzeitpfleger. Wer dagegen beispielsweise Menschen mit Behinderungen pflegt, die auch zur Risikogruppe gehören, geht leer aus.
Frank Werneke: Die gesetzliche Regelung einer Bonuszahlung für die Alten- und Langzeitpflege mit über einer Million Beschäftigten ist wichtig. Und es gibt eine ganze Reihe von Bundesländern und auch Trägern, die für alle Mitarbeiter in Gesundheits- und Pflegeberufen einen Krisenbonus zahlen, die Richtung stimmt also. Wir haben vor einigen Tagen eine vergleichbare Regelung auch für die Einrichtung der Behindertenhilfe eingefordert. Ich bin optimistisch, dass wir weitere Erfolge haben werden.
Sie haben sich für eine vollständige Tilgung der Altschulden der Kommunen eingesetzt. Das hat der Bund nicht umgesetzt.
Frank Werneke: Ein Konjunkturpaket ist immer ein Kompromiss. Der öffentliche Sektor ist erstmals in einem Konjunkturpaket in größerer Dimension berücksichtigt. Elf Milliarden Euro werden in den kommunalen Schutzschirm investiert, der höhere Anteil des Bundes beim Wohngeld bringt den Kommunen eine jährliche Entlastung von vier Milliarden Euro und auch der öffentliche Personennahverkehr wird unterstützt. Wir haben viel erreicht. Aber die Frage der Altschulden bleibt und ist mit dem Konjunkturprogramm keinesfalls von der Tagesordnung genommen. Es braucht eine Lösung für verschuldete Kommunen.
Wie stehen Sie zur temporären Absenkung der Mehrwertsteuer?
Frank Werneke: Die Senkung der Mehrwertsteuer kostet fast 20 Milliarden Euro, der Kinderzuschlag weitere 4,3 Milliarden Euro – das sind große Konjunkturimpulse. Und sie sind richtig, denn sie fördern in der Breite. Trotzdem ist die Senkung der Mehrwertsteuer aus meiner Sicht nicht die beste Wahl. Deutlich zielgerichteter wären befristete Konsumschecks gewesen. Und auch ein höherer Kinderbetrag, etwa von 600 Euro, wäre besser gewesen. Bei der Mehrwertsteuer besteht die Gefahr, dass sie an vielen Stellen nicht weitergeben wird.
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Wie groß sind Ihre Befürchtungen, dass die Deutschen keine Lust haben, das Geld auszugeben?
Frank Werneke: Eine abgesenkte Mehrwertsteuersenkung kann man nicht auf sein Sparbuch einzahlen, daher ist der Weg sinnvoller als etwa Helikoptergeld, bei dem die Menschen Geld ohne Bedingungen erhalten. Ein Konsumimpuls über den Weg der Mehrwertsteuerabsenkung ist nicht optimal, sie wird dennoch Wirkung entfalten. Einige Handwerker können sich aktuell schon kaum noch vor Anfragen retten. Das ist ein gutes Zeichen.
Haben Sie den Eindruck, dass Soloselbstständige zu den Verlierern der Pandemie-Hilfen gehören?
Frank Werneke: Ja und nein. Es gab ja diverse Programme für Solo-Selbstständige. Aber es zeigt sich, dass Soloselbstständige mit niedrigem Einkommen sowie Minijobber durch die sozialen Sicherungssysteme fallen. Sie sind in aller Regel nicht durch die Arbeitslosenversicherung erfasst und haben somit auch keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Hier muss eine Lehre aus der Corona-Krise gezogen werden. Es kann nicht sein, dass ganze Gruppen durch die sozialen Sicherungssysteme fallen. Das betrifft sowohl Phasen von Auftragslosigkeit als auch das Thema Altersabsicherung. Auch das steht noch auf der politischen Agenda für Soloselbstständige.
Was schlagen Sie vor?
Frank Werneke: Es gibt auch jetzt schon die Option für Solo-Selbstständige, freiwillig in die Arbeitslosenversicherung einzubezahlen. Das müsste aus meiner Sicht obligatorisch geschehen, wenn ansonsten der Weg in die Grundsicherung droht. Nur braucht es dafür auch attraktive Modelle, die die Betroffenen nicht überfordern. Das gilt auch für die Rente. Man kann nicht alle Solo-Selbstständigen in die gesetzliche Rentenversicherung ziehen, solange nicht geklärt ist, wer eigentlich den Arbeitgeber-Anteil zahlt.
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Der ÖPNV ist der große Mobilitätsverlierer, die Menschen sorgen sich vor der Ansteckungsgefahr. Erwarten Sie einen dauerhaften Vertrauensverlust?
Frank Werneke: Die Fahrgastzahlen beim ÖPNV sind in der Corona-Krise gesunken. Deshalb ist es gut, dass die Einnahmeausfälle durch Bund und Länder ausgeglichen werden. Ich bin sehr zuversichtlich, dass sich die Situation nun normalisiert. Und langfristig wird der ÖPNV nicht an Bedeutung verlieren, im Gegenteil. Der große Gewinner der Krise ist das Fahrrad. Aber auch der ÖPNV wird wieder stark nachgefragt werden.
Es stehen bald Tarifverhandlungen beim ÖPNV an. Ist Ihre Verhandlungsposition geschwächt?
Frank Werneke: Nein, die Tarifrunde wäre auch ohne Krise anspruchsvoll geworden und sie bleibt es. Die Klagelieder der Arbeitgeber sind immer laut. Aber der Einbruch beim ÖPNV wird von Bund und Ländern ausgeglichen. In wenigen Wochen endet die Friedenspflicht, dann haben wir erstmals seit zwei Jahrzehnten wieder alle Nahverkehrs-Tarifverträge zum gleichen Zeitpunkt offen. Das werden wir zu nutzen wissen. Und wenn noch nicht am 1. August, dann halt am 1. September oder am 1. Oktober. In der Ruhe liegt die Kraft.
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Ist der Tourismus auf Bewährung?
Frank Werneke: Das kann man so pauschal nicht sagen. Die Gastronomie beispielsweise in den inländischen Urlaubsgebieten könnte jetzt profitieren. Die Urlaubsregionen in Deutschland sind voll, da könnte es zu einem regelrechten Boom kommen. Anders sieht die Lage beim Flugverkehr aus. Wir werden für längere Zeit ein deutlich reduziertes Fluggastaufkommen haben. Entsprechend brauchen wir auch längerfristige Lösungen. Es ist ganz wichtig, dass das Kurzarbeitergeld von aktuell zwölf auf 24 Monate ausgeweitet wird. Ansonsten ist die Durststrecke im Flugverkehr und an den Flughäfen nicht zu stemmen. Und das beschränkt sich nicht nur auf den Flugverkehr, beispielsweise auch in der Automobilindustrie werden wir länger als zwölf Monate Kurzarbeit brauchen.
Die Lufthansa hat neun Milliarden Euro an Staatshilfe erhalten und könnte trotzdem bis zu 11.000 Stellen in Deutschland streichen. Ist das angemessen?
Frank Werneke: Nein. Wer staatliche Mittel erhält, muss auch Verantwortung übernehmen. Das schließt den Verzicht auf Dividenden an die Aktionäre ebenso ein wie auf die Optimierung von Erträgen in Steuerparadiesen. Und vor allem gibt es eine besondere Verantwortung zum Erhalt möglichst vieler Arbeitsplätze. Das muss der Anspruch sein. Wenn die Bundesrepublik Deutschland etwa bei der Lufthansa mit neun Milliarden Euro in die Mitverantwortung geht, dann muss der Bund auch Mitgestaltungsmöglichkeiten haben – auch über den Aufsichtsrat.
Diese politische Unterstützung hat zuletzt bei der von der Automobilindustrie geforderten Kaufprämie für Autos mit Verbrennungsmotoren gefehlt, kritisieren Ihre Gewerkschaftskollegen von der IG Metall. Daraufhin ist auch eine Debatte zum Verhältnis der Gewerkschaften zur SPD entbrannt. Wie ist Verdis Verhältnis zur SPD?
Frank Werneke: Ich kann die Debatte nicht nachvollziehen. Wir als ver.di pflegen eine professionelle Zusammenarbeit mit allen demokratischen Parteien .Diesem Bild vom gestörten Liebesverhältnis zwischen den Gewerkschaften und SPD kann ich überhaupt nichts abgewinnen. Ich finde das ist eine unprofessionelle Betrachtungsweise, für ver.di mache ich mir die nicht zu eigen.
Können Sie den Ärger der IG Metall nachvollziehen?
Frank Werneke: Ich kann die Not der Kolleginnen und Kollegen gut nachvollziehen. Aber auch für die Automobilindustrie gibt es keine Ausnahmestellung. Sie ist ein hauptbetroffener Bereich, ebenso wie andere Bereiche – insbesondere in der Dienstleistung- auch stark betroffen sind. Im Vorfeld hat es Umfragen zur Abwrackprämie gegeben, nur neun Prozent der Deutschen waren dafür. Ich denke, dass bei den Mitgliedern der Gewerkschaften im Deutschen Gewerkschaftsbund dieser Wert nicht signifikant höher war. Am Ende ist ein Kompromiss entstanden. Wie das bei Kompromissen so ist, ist man damit nie ganz zufrieden. Ich habe ja auch Punkte, die ich im Konjunkturpaket vermisse.
Eine unabhängige Mobilitätsprämie zum Beispiel.
Frank Werneke: Eine unabhängige Mobilitätsprämie in der Höhe eines Jahrestickets, also zwischen 700 und 800 Euro, wäre sinnvoll gewesen. So hätten ÖPNV- und Fernverkehrstickets gekauft werden können, aber das Geld hätte eben auch in schadstoffarme Autos oder in ein Fahrrad investiert werden können. Das wäre ein sinnvoller Ansatz gewesen.
Am Freitag ist die erste Lesung des Konjunkturpakets im Bundestag. Haben Sie das Gefühl, der Staat übernimmt sich mit den Ausgaben?
Frank Werneke: Wir werden am Ende des Jahres vermutlich eine Staatsverschuldung im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt von ungefähr 80 bis 85 Prozent haben. Das ist für die Bundesrepublik Deutschland ein absolut stemmbarer Wert, der vor allem keine Verschlechterung bei der Refinanzierung an den internationalen Finanzmärkten nach sich zieht, weil auch die anderen Staaten von der Corona-Krise in gleicher Weise betroffen sind. Ohne nationale und auch europäische Investitionen würde es zu einer langanhaltenden Rezession kommen – und genau das muss verhindert werden. Deshalb halte ich den eingeschlagenen Weg für richtig. Und es kann sein, dass weitere Maßnahmen im Jahr 2021 notwendig sind, je nachdem, wie sich die Wirtschaft entwickelt. Aber: Durch Wachstum werden wir diese Staatsverschuldung über die Jahre wieder abbauen können. Es wäre völlig falsch, jetzt in die Krise hinein zu sparen.
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