Berlin. Freiberufler und Kleinstunternehmer dringen auf mehr Soforthilfe von Bund und Länder. Der Mittelstand fordert einen Schuldenerlass.

Geschlossene Theater, Kontaktverbote und abgesagte Veranstaltungen haben in der Corona-Krise tausenden Freiberuflern vom einen auf den anderen Tag ihr Geschäftsmodell unter den Füßen weggezogen. Theater-Schauspieler konnten plötzlich nicht mehr auf der Bühne stehen, Fußpfleger und Masseure mussten ihren Praxen schließen und Dozenten konnten keine Kurse mehr geben.

Die Politik reagierte schnell, um den Freiberuflern zu helfen. Solo-Selbstständige und Kleinst-Unternehmer mit bis zu fünf Beschäftigten können noch bis Monatsende eine sofortige Einmalzahlung von bis zu 9000 Euro beantragen, Selbstständige mit bis zu zehn Beschäftigten sogar bis zu 15.000 Euro. Das reicht aber nicht aus, kritisiert der Bundesverband der Freien Berufe (BFB).

Soforthilfe: Freiberufler fordern längeren Beantragungszeitraum

„Der Corona-Rettungsschirm lässt gerade kleine Unternehmen auch bei den Freien Berufen im Regen stehen. Bei der Soforthilfe und den Kreditangeboten muss dringend nachgesteuert werden“, sagte BFB-Präsident Wolfgang Ewer unserer Redaktion.

Ewer fordert, dass die Frist der Antragsstellung verlängert werden muss – mindestens bis Ende August. Denn bei vielen Freiberuflern würden die Umsatzrückgänge und Liquiditätsengpässe zeitversetzt eintreten. Wenn beispielsweise Physiotherapeuten zehn Behandlungseinheiten verhandelt haben, kann es passieren, dass die Abrechnung in den Juni fällt. Wenn dann die Kunden neue Behandlungen aufgrund der Situation meiden, kommt es somit erst später zu Umsatzausfällen.

Freiberufler verunsichert wegen möglichen Sanktionen

Zudem forderte Ewer, der als BFB-Präsident die freiberuflichen Kammern und Verbände sowohl von 1,43 Millionen Selbstständigen als auch von über vier Millionen Angestellten vertritt, dass die Hilfen ausgeweitet werden. „Die Soforthilfe soll ausgeweitet werden auf die Deckung des Lebensunterhalts und sich nicht ausschließlich auf Betriebsmittel erstrecken“, sagte Ewer.

Viele Freiberufler würden aus den laufenden Einnahmen ihren Lebensunterhalt decken, oft diene die Wohnung auch als Arbeitsstätte. Eine Unterscheidung zwischen privaten und beruflichen Bereich sei daher oft kaum möglich, so Ewer. Dies führe zu Verunsicherungen, teilte der BFB mit. So habe eine Umfrage unter den Landesverbänden ergeben, dass viele Freiberufler keine Anträge stellen, da sie Sanktionen aufgrund unwissentlich unberechtigt gestellter Anträge fürchten.

Die Banken prüfen die geleisteten Zahlungen derzeit genau – und das aus gutem Grund. Denn die Landesbanken hatten einen regelrechten Ansturm auf die Soforthilfen erlebt, allerdings waren auch viele Betrüger darunter. So sollen beispielsweise Berliner Clans Soforthilfe kassiert haben, auch in der Salafisten-Szene wurde wegen Betrugs bei den Corona-Hilfen ermittelt. Um an die Daten der Betrogenen zu kommen, fälschten die Betrüger unter anderem die Webseiten von Ministerien. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) kündigte an, hart gegen Betrüger vorgehen zu wollen.

KfW-Kredite kommen nicht bei Freiberuflern an

Wer keine Soforthilfe bezieht, kann unter Umständen Anspruch auf einen zinsgünstigen KfW-Kredit haben. Doch auch hierbei äußern die Freiberufler Kritik. Die Umfrage unter den Landesverbänden habe ergeben, dass viele Freiberufler weiterhin von einem restriktiven Verhalten ihrer Hausbanken berichten.

Zu Beginn der Krise mussten die Hausbanken noch mit 10 Prozent ihres Eigenkapitals bei der Kreditvergabe bürgen, mittlerweile trägt die staatliche Förderbank KfW 100 Prozent des Risikos. Die Kredite laufen aber nach wie vor über die Hausbanken. Der Mittelstand fordert daher, dass die KfW direkt Kredite vergeben soll.

Schnellkredite kommen für Freiberufler oft nicht in Betracht, da sie für Unternehmen mit mehr als zehn Mitarbeitern vorgesehen sind, der durchschnittliche Freiberufler aber nur drei Mitarbeiter habe. „So können Kleinstunternehmen nicht auf die zu 100 Prozent staatlich garantierte Kreditlinie der KfW zurückgreifen. Hier muss eine Lösung geschaffen werden“, sagte Ewer.

Altmaier plant weitere Milliardenhilfen für Mittelstand

Unterstützung erhalten die Freiberufler vom Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW). Mittelstands-Präsident Mario Ohoven spricht sich für einen Schulden-Erlass für Kleinstunternehmen und Solo-Selbstständige in der Krise aus.

Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) fordert einen Schulden-Erlass für Kleinstunternehmen und Solo-Selbstständige in der Corona-Krise. „Diese Kleinstunternehmen, die im Zuge der Corona-Krise Kredite bekommen, dürfen nicht mittelfristig in die Insolvenz getrieben werden. Hier ist der Staat gefordert und muss ihnen die so entstehenden Schulden erlassen“, sagte Mittelstandspräsident Mario Ohoven unserer Redaktion.

Ein Ruf, der im Wirtschaftsministerium offenbar Gehör findet. So plant Altmaier nach einem Bericht der „Neuen Osnabrücker Zeitung“, Firmen mit bis zu 249 Mitarbeitern von Juni bis Dezember mit monatlich bis zu 50.000 Euro unter die Arme zu greifen, um deren Existenz zu sichern. Die Zeitung bezieht sich auf ein Eckpapier, das nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur aus dem Wirtschaftsministerium stammt.

Auch Unternehmen, die bereits Soforthilfen vom Bund oder von den Ländern bekommen, dürfen weitere Unterstützung beantragen. Generell sollen Firmen aus allen Wirtschaftsbereichen sowie Solo-Selbstständige und Freiberufler Anträge stellen können. Ihre Umsätze müssen dafür im April und Mai um mindestens 60 Prozent gegenüber den Vorjahresmonaten eingebrochen sein. Das Ministerium rechnet bis August laut Bericht mit Kosten von 25 Milliarden Euro.

Zusatzzahlungen wie der von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) geplante 300-Euro-Bonus für Kinder erteilt Mittelstands-Präsident Ohoven dagegen eine Absage. „Der Mittelstand lehnt Helikoptergeld ab. Im Unterschied zu den USA würde das staatliche Geldgeschenk in Deutschland bei zu vielen Menschen ankommen, die nicht darauf angewiesen sind“, sagte Ohoven. Helikoptergeld sei eine „radikale Notlösung“, die erst genutzt werden sollte, wenn andere geldpolitische Instrumente nicht mehr weiterhelfen.

(mit dpa)

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