Hamburg. Die meisten Gründer erhalten keine Hilfen, weil die Bedingungen sie ausschließen. 80 Prozent der jungen Firmen sehen sich in Gefahr.
Sportveranstaltungen sind durch die Corona-Pandemie seit März zu einer Seltenheit geworden. Da liegt es nahe, dass Andreas Kitzing gerade erhebliche Einbußen hinnehmen muss. Schließlich hat er sich mit seinem Hamburger Team darauf spezialisiert, Sponsoring-Gelder von Unternehmen an Sportler zu vermitteln.
„Durch die Corona-Krise gehen uns voraussichtlich Umsätze im niedrigen sechsstelligen Bereich verloren und Gewinne im mittleren bis hohen fünfstelligen Bereich“, sagt Kitzing, über dessen Firma Sponsoo jeweils mehr als 4000 Mannschaften und Einzelsportler um Geld von Sponsoren werben, darunter das Beachvolleyball-Nationalteam und der Hamburger Ruderweltmeister Torben Johannesen.
Hamburger Start-up: Corona bedroht Existenz
„Unsere Liquidität sollte eigentlich mehr als ein Jahr reichen“, sagt Kitzing. „Obwohl wir schon weniger neue Mitarbeiter einstellen als geplant, zehren wir jetzt unsere Reserven deutlich schneller auf, sodass die Mittel nur noch bis zum Ende des Jahres reichen.“ Das sehe bei anderen Gründungen „sogar noch deutlich dramatischer aus“.
Eine Umfrage des Bundesverband Deutsche Startups bestätigt diese Einschätzung; demnach sehen sich mehr als 80 Prozent der Jungfirmen durch Corona in ihrer Existenz bedroht. Gerade auch in Hamburg drohen somit sehr viele Insolvenzen.
„Hamburg konkurriert mit München im Hinblick auf die Zahl der Start-ups um den zweiten Platz in Deutschland hinter Berlin“, sagt Heiko Milde, Geschäftsführer IFB Innovationsstarter GmbH, Tochter der Hamburgischen Investitions- und Förderbank (IFB). Die Zahl der Start-ups in der Hansestadt wird auf 600 bis 1000 geschätzt.
Start-ups können Corona-Hilfen kaum beantragen
Erheblich gefährdet sind sie schon deshalb, weil die bisherigen staatlichen Krisenhilfen für sie meist aus formalen Gründen nicht infrage kommen. „Die Corona-Soforthilfeprogramme sind für den Friseur oder das Restaurant total sinnvoll gestaltet“, sagt Kitzing. Leider seien sie jedoch so gestaltet, „dass wir und viele andere betroffene Start-ups keine Hilfe beantragen können.“
Denn diese Firmen „funktionieren anders als normale Unternehmen“, heißt es in einem offenen Brief, den neun Hamburger Gründer an Heiko Milde geschickt haben, um eine Änderung der Kriterien anzuregen. So muss für die Soforthilfe ein Liquiditätsengpass innerhalb der nächsten drei Monate zu erwarten sein.
Start-ups, die in der Regel mit Verlust arbeiten, müssen jedoch über hohe Rücklagen verfügen, die bis zur nächsten Finanzierungsrunde oder bis zum Erreichen der Gewinnzone allmählich aufgezehrt werden: „Kaum ein Gemüsehändler hat 100.000 Euro oder mehr auf dem Konto liegen, bei uns als Start-ups ist das normal“, heißt es in dem Brief. Somit treffe die Corona-Krise die Gründer mit Verzögerung.
WeddyBird: Kundenanfragen um 50 Prozent zurückgegangen
So ist das auch bei Markus Fasselt, der seine Firma WeddyBird erst seit dem Jahresanfang in Vollzeit betreibt. Sie bietet eine Art Baukasten für persönlich gestaltete Hochzeitshomepages an. „Da geht halt gerade nicht so viel“, sagt Fasselt. „Die Kundenanfragen sind um mehr als 50 Prozent zurückgegangen.“
Fasselt ist Software-Entwickler und hat seine Firma, über die seit 2016 schon 25.000 Hochzeits-Internetpräsenzen erstellt wurden, zunächst nebenberuflich betrieben. „Ich habe WeddyBird ohne Investorenkapital aufgebaut, aber immer sehr zurückhaltend gewirtschaftet – und daher habe ich auch noch Reserven auf dem Konto“, sagt Fasselt.
Zwei Aushilfen sind weiter stundenweise für die Firma tätig, unter anderem um die Kunden bei Terminverschiebungen bereits geplanter Hochzeiten unterstützen zu können. „Eigentlich hatte ich geplant, jetzt eine erste Vollzeitkraft einzustellen“, so Fasselt. „Daraus wird erst einmal nichts.“
Auch kreditbasierten Hilfsprogramme oft nicht geeignet
Doch nicht nur mit den für Kleinfirmen bestimmten Soforthilfen in Zuschussform haben Start-ups ein Problem, sondern auch mit den KfW-Darlehen für Unternehmen mit mehr als zehn Mitarbeitern.
„Die kreditbasierten Corona-Hilfsprogramme haben in der Regel zur Voraussetzung, dass ein Unternehmen schon mehrere Jahre mit positivem Ergebnis gewirtschaftet hat“, erklärt Milde. Zudem müssen die Anteilseigner eine Bürgschaft übernehmen – und dazu sind nur wenige Risikokapitalgeber bereit.
Milde ist sich dieser Probleme durchaus bewusst. Mit den Soforthilfen verfolge man das Ziel, den Start-ups Zeit zu geben, „ihre akuten Probleme zu lösen, etwa indem sie frisches Kapital von Investoren erhalten“. Aber der Risikokapitalmarkt ist offenbar eingebrochen, denn das Geld stammt häufig von vermögenden Privatpersonen, die gerade selber empfindliche Einbußen am Aktienmarkt erlitten haben.
Bundesregierung startet Hilfsprogramm für Start-ups
„Uns sind mehrere zugesagte Investments verloren gegangen, und die meisten vielversprechenden Gespräche wurden auf Eis gelegt“, sagt Kitzing. Weil es auch anderen Gründern so geht, hat die Bundesregierung vor wenigen Tagen ein neues Hilfsprogramm mit einem Volumen von zwei Milliarden Euro speziell für Start-ups auf den Weg gebracht.
Ein Teil des Geldes soll Wagniskapital-Fonds zur Verfügung gestellt werden, damit sie die Gründer weiterfördern können. Vorgesehen sind aber auch direkte Investitionen öffentlicher Förderbanken wie der IFB in junge Unternehmen – und hier kommen wieder Milde und seine Kollegen ins Spiel.
Interaktiv – Das Coronavirus in Deutschland und weltweit:
IFB steigt mit bis zu 800.000 Euro pro Start-up ein
„Wir arbeiten mit Hochdruck daran, das umzusetzen“, sagt Milde, dessen Team um drei Personen aufgestockt wurde. Es wird einen Spagat zu bewältigen haben: „Einerseits ist eine schnelle und unbürokratische Hilfe gefordert. Andererseits muss man schon genau überlegen, an welchen Firmen wir uns mit Steuergeld beteiligen.“
Dabei kann es um bis zu 800.000 Euro gehen. Milde warnt vor der Illusion, auf die eine oder andere Weise könne mit den verschiedenen Hilfsprogrammen jeder Gründer aufgefangen werden: „Bei Start-ups ist die Ausfallquote auch ohne eine Krise hoch, 60 bis 90 Prozent der Unternehmen sind nach fünf Jahren nicht mehr am Markt.“
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Hamburger Start-up: Bis Jahresende brauchen wir frisches Geld
Sponsoo-Chef Kitzing sorgt mit Einsparungen dafür, dass seine Firma mit sieben Festangestellten und mehreren Freiberuflern über die Sport-Flaute hinwegkommt. „Wir haben sogar unsere Bürofläche bei einem Coworking-Anbieter gekündigt und arbeiten jetzt im Homeoffice“, sagt er.
Als die Pandemie begann, hatte er gerade noch eine Zwischenfinanzierung auch aus eigenen Ersparnissen organisiert. „Aber wenn wir bis Jahresende kein frisches Geld bekommen, müssten wir alles einstellen, was dem weiteren Wachstum dient, und zum Beispiel einen Großteil der Software-Entwickler entlassen. Aber dann wären wir im Prinzip kein Start-up mehr.“