Hamburg. Die finnische Firma Yeply will in der Hansestadt expandieren. Mit einem mobilen Fahrradservice. Service in immer mehr Stadtteilen.
Dieses Gefühl kennt wohl jeder Radfahrer. Plötzlich tauchen kleine Glasscherben auf dem Asphalt auf, die Splitter sind in Sekunden überfahren, und schon pfeift die Luft aus dem Reifen. Wer jetzt schnell genug zum nächsten Fahrradladen kommt, bevor er die Felge unter dem Sattel spürt, hat Glück gehabt. Alle anderen gehören zur Zielgruppe von Yeply.
Die Firma bietet Radreparaturen und vor allem die Wartung auf die unkomplizierte Art an. Vor Ort, nahe beim Kunden. Mit schwarzen Vans sind Mechaniker des Start-ups unterwegs in Hamburg und tauschen den schlappen Reifen aus, wenn nötig auch abends nach Büroschluss. Auch in Zeiten von Corona sind die Servicewagen der Firma unterwegs, schließlich nutzen derzeit besonders viele Menschen das Rad, um nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs sein zu müssen.
„Viele Räder werden nur deshalb nicht benutzt, weil sie kaputt sind“, sagt Antti Känsälä über seine Geschäftsidee. Der Finne ist einer der Yeply-Gründer und nennt die Hürden für die herkömmliche Fahrradreparatur: Die Leute müssten während der Öffnungszeiten von Fahrradläden arbeiten, sie seien genervt, wenn sie mit einem beschädigten Rad im Auto zum Händler fahren müssten oder einfach nur zu faul: Diese Widrigkeiten des Fahrradservices will Känsälä mit Yeply lösen.
Radservice versorgt Kunden in mehreren Hamburger Stadtteilen
Mit bald zehn Vans und 15 Fahrradmechanikern versorgt der Radservice die Kunden in mehreren Hamburger Stadtteilen. Zwei Reparatur-Arbeitsplätze sind in den Yeply-Van eingebaut, ein weiterer kann vor dem Mercedes-Sprinter aufgebaut werden. So können mehrere Räder zugleich repariert und gewartet werden. Die Ersatzteile bringt der Servicewagen stets mit, zu 95 Prozent können die Kundenwünsche auf diese Weise sofort erfüllt werden, sagte Deutschland-Chef Patrick Phillips-Laneve.
Die nächsten Termine für eine komplette Wartung bietet Yeply beispielsweise in dieser Woche vom 12. bis 15. Mai an der Osterbekstraße in Barmbek-Süd an, am Beseler Park in Othmarschen, am Twietenknick in Bergstedt, an der Rissener Landstraße und an der Oktaviostraße (Marienthal). Die Corona-Regeln werden dabei selbstverständlich eingehalten, versichert Patrick Phillips-Laneve. „Unsere Mitarbeiter tragen Handschuhe und verwenden Desinfektionsmittel. Und die Kunden müssen mindestens zwei Meter Abstand voneinander halten und am besten kontaktlos mit Karte zahlen“, beschreibt der Manager die Maßnahmen.
Die komplette Wartung kostet 85 Euro
Die Termine können Kunden auf einer Hamburg-Karte im Internet finden, auf der Seite Yeply.de. Eine Komplettwartung kostet zum „Frühbucherpreis“ 70 Euro, normal 85 Euro, sie umfasst eine Sicherheitskontrolle und den Austausch nötiger Ersatzteile, also nicht nur eine einzelne Reparatur. Die Teile wie Bremsbeläge (ab 10 Euro), Schläuche (10 Euro) oder Ketten (10 Euro) müssen zusätzlich bezahlt werden, die Arbeitszeit ist aber im Komplettpaket abgegolten.
Der Rundum-Service ist auch Kern der Businessidee von Yeply: „Wir wollen die Leute dazu bringen, ihr Fahrrad regelmäßig warten zu lassen, ähnlich der Inspektion beim Auto“, sagt Antti Känsälä. Der sportlich aussehende Finne sitzt mit Baseballcap und schwarzem Pulli auf einem Sofa im Büro von Yeply Hamburg. Fahrräder stehen an der Wand, im Flur parken auch einige Lastenanhänger, weil Yeply sich die Räume mit dem Startup Nüwiel teilt, die diese elektrischen Transportwagen für Fahrräder anbieten.
Die Idee zu Yeply hatte Antti Känsälä gemeinsam mit seinem Freund und Designer Tommi Särkkinen, die beide einen sportlichen Lebensstil pflegen und diese Mentalität unter die Leute bringen wollen. Sie trainierten gemeinsam für den Iron Man, fuhren Mountainbike und nutzten jede freie Minute für den Sport, als sie sich reif fühlten für die Selbstständigkeit. „Rad fahren heißt aktiv sein und Spaß haben, das wollen wir mit Yeply fördern“, sagt Antti Känsälä. Und mit einem funktionierenden Rad könnten die Leute auch in Zeiten von Corona fit und mobil bleiben.
Gründer wollen die Fahrradservice-Branche revolutionieren
Der Ingenieur hat sich nach Testphasen in Finnland für den Standort Hamburg entschieden. „Hier ist die Fahrradsaison länger als in Finnland, außerdem fördert die Stadt das Radfahren und ist Heimat vieler Menschen mit hoher Kaufkraft“, zählt der 39-Jährige die Argumente für die Hansestadt auf, wo Yeply im Sommer 2019 gestartet war, und nun, nach ersten positiven Erfahrungen, richtig loslegen möchte.
Bisher hat Yeply an Alster und Elbe schon einige Hundert Kunden versorgt, mit dem Standort in Helsinki zusammen wurden bereits 12.000 Bikes repariert. Die mit Geld von Business Angels finanzierte Firma erlöste 2019 bereits 500.000 Euro und will von Hamburg aus weiterwachsen. Die nächsten Zielmärkte, die die Finnen ins Visier nehmen, sind Düsseldorf und Amsterdam.
Die Gründer, die bereits in Städten in den USA und Japan gelebt haben, planen nicht weniger, als die Fahrradservice-Branche zu revolutionieren. Sie wollen ihre Idee irgendwann in etlichen Ländern etablieren, daher der internationale Name, der sich aus einem dem mittelalterlichen Englisch stammenden Begriff für „schnell, sofort“ ableitet. Um zu wachsen, bietet Yeply seinen Service auch Firmen an, die ihren radelnden Mitarbeitern das Pendeln per Bike erleichtern wollen. In Hamburg kooperiert Yeply bereits mit dem Forschungszentrum Desy.
Mehrere Anbieter konkurrieren in Hamburg
Es ist vielleicht kein Zufall, dass die Firma aus Finnland kommt, einer dünn besiedelten Region, wo der nächste Fahrradmechaniker schnell eine Tagesreise entfernt arbeitet. Der Markt der mobilen Hilfe ist aber auch hierzulande nicht ganz neu. Es haben sich mehrere Dienstleister etabliert, die – teilweise außer in Corona-Zeiten – ihren Service anbieten.
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In Hamburg finden Radfahrer bereits seit Jahren Unterstützung beim Repair Café einer gemeinnützigen Organisation, die Reparaturen von Bikes, aber auch etwa von Elektrogeräten und Computern, im Rahmen von Nachbarschaftshilfe anbietet. Eine Firma, die sich auf Reparaturen spezialisiert hat, ist zudem die Radambulanz Hamburg. Auf den wachsenden Markt der Radfahrer setzt seit Längerem auch Livecycle aus München, die 2016 als mobiler Bikeservice in mehreren Städten an den Start gingen.
Das Unternehmen ging im Frühjahr in ein vorläufiges Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung, als es finanzielle Schwierigkeiten gab. Für Yeply sieht Antti Känsälä dagegen eine sichere, positive Entwicklung: Das operative Geschäft sei von Anfang an profitabel gewesen, und die Kosten für die Werkstattwagen halten die Finnen auch niedrig – die schwarzen Sprinter sind bisher nur geleast.