Hamburg. Der Umstieg aufs Fahrrad soll in Hamburg künftig leichter werden. Was sich hinter dem Konzept verbirgt.
Es war einer der größten Kritikpunkte an der Hamburger Radverkehrspolitik, und er soll nun korrigiert werden: Während der rot-grüne Senat Radwege an vielen Stellen durch Aufpinseln weißer Streifen auf die Fahrbahnen verlegte und sich dabei auf Experten berief, wonach diese Radfahrstreifen besonders sicher seien, fühlten sich viele Bürger auf diesen engen Streifen in unmittelbarer Nähe zu Autos und Lkw gerade unsicher. Eine zentrale Forderung der Volksinitiative „Radentscheid Hamburg“ waren daher „geschützte“, also baulich von der Straße getrennte Radwege – und die sollen nun kommen, und zwar an möglichst vielen Stellen.
Darauf haben sich die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen nach monatelangen Verhandlungen mit der Volksinitiative verständigt. Bestandteil der Vereinbarung, die am Dienstag vorgestellt wurde, sind zudem sichere Radwege für Kinder zwischen Schulen und Wohnquartieren, deutlich mehr Stellplätze im öffentlichen Raum und einiges mehr. Die Initiative hatte vergangenes Jahr mehr als 22.000 Unterschriften eingereicht. Sollte der Antrag von SPD und Grünen, in dem der neue Kurs konkretisiert wird, in zwei Wochen von der Bürgerschaft beschlossen werden, würde die Initiative auf weitere Schritte wie ein Volksbegehren verzichten.
Radfahren in Hamburg: Mehr Sicherheit, mehr Power
„Die Eckpunkte dabei sind: mehr Sicherheit, mehr Inklusion, mehr Power“, sagte Grünen-Fraktionschef Anjes Tjarks. „Wir wollen als Stadt noch stärker als bisher dafür sorgen, dass alle Radelnden in unserer Stadt optimale Bedingungen vorfinden und der Umstieg aufs Rad noch leichter fällt. Dabei sollen Kinder im Mittelpunkt stehen.“
SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf sagte: „Mit der jetzt erzielten Einigung schaffen wir verlässliche und äußerst gute Perspektiven für eine langfristig erfolgreiche Radverkehrspolitik. Sie baut auf den Erfolgen der letzten Jahre auf, verbreitert noch einmal den Fokus und stärkt durch weitere Maßnahmen auch die subjektive und objektive Sicherheit sowie insgesamt die Attraktivität des Radverkehrs – und zwar für alle Hamburgerinnen und Hamburger.“
Konkret heißt es in dem Antrag, dass „Radwege entlang von Hauptverkehrs-, aber auch an viel befahrenen Bezirksstraßen nach Möglichkeit baulich vom Gehweg und von der Fahrbahn getrennt zu führen“ seien. Dabei solle „in der Regel das Kopenhagener Modell“ angewendet werden. In der dänischen Hauptstadt, die Tjarks zu dem Zweck im Herbst besucht hatte, sind Radwege meist höhenversetzt zur Fahrbahn und zum Fußweg angelegt – so kommen sich die unterschiedlichen Verkehrsteilnehmer seltener ins Gehege. Wo es möglich ist, sollen aber auch „andere Modelle wie eine stärkere bauliche Abtrennung“ geprüft werden – in der Praxis dürfte dies vor allem eine Frage des Platzes sein. Wenn möglich, sollen die neuen Prinzipien auch für bereits geplante, aber noch nicht gebaute Radwege gelten. Tjarks sprach von einem „Paradigmenwechsel“.
Trotz Einigung: Initiative hatte sich mehr erhofft
Die Schulradwege sollen als „zentraler Punkt“ in die bezirklichen Radwegenetze integriert werden, die gerade erstellt werden. Die Schulen sollen dabei in die Planung einbezogen werden. Schulradwege sollen „ausreichend breit“ sein, getrennt vom motorisierten Verkehr oder durch verkehrsarme Zonen verlaufen. Weitere Punkte in dem Antrag sind, vermehrt Fahrradstraßen zu bauen, die geplanten Radschnellwege möglichst weit bis in die Stadt hinein zu führen und dabei, wenn nötig, auch Brücken oder Unterführungen zu errichten – auch das ist in Kopenhagen Standard. In Wohnquartieren sollen mehr Fahrradbügel und ein neuer „Fahrradhäuschen-Typ für witterungs- und diebstahlgeschütztes“ Parken entstehen – nötigenfalls müssten dafür Kfz-Parkplätze weichen.
Die Initiativen-Sprecher Dörte Determann und Günther Reimers räumten ein, dass sie sich mehr erhofft hatten. Aber alle Beteiligten wüssten, dass die Hamburger Verkehrspolitik „sehr hartbeinig“ ist, so Reimers: „Wir haben es nicht geschafft, streckenmäßige, zeitliche oder finanzielle Zusagen zu bekommen.“ Dennoch sei einiges erreicht worden. „Wir sind angetreten mit dem Ziel, Radverkehr in dieser Stadt für alle funktionieren zu lassen – für die Starken, die Schwachen, die Schnellen, die Langsamen“, sagte Determann. „Das geht nur, wenn man sehr sichere Radwege baut, die vom motorisierten Verkehr deutlich getrennt sind.“ Da sei man eingestiegen: „Wir werten das als Erfolg.“
Kritik kam von der CDU: „Es ist für die SPD und vor allem für die Grünen ein Armutszeugnis, dass es erst einer Initiative von Radfahrern braucht, um überhaupt offen zu sein für notwendige Lösungen“, sagte deren verkehrspolitischer Sprecher Richard Seelmaecker. Einen Fokus auf Kinder, Schüler und Senioren im Radverkehr zu legen sei richtig, sagte Heike Sudmann, Verkehrsexpertin der Linkspartei. „Aber konkrete Zeitpläne für die einzelnen Schritte fehlen ebenso wie klare Aussagen zu mehr Personal für Planung und Realisierung.“
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