Hamburg. Oberverwaltungsgericht kam zu einer anderen Einschätzung als das Verwaltungsgericht. Rechtsprechung bundesweit unterschiedlich.
Die Öffnung großer Läden in Hamburg bleibt untersagt. Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) der Hansestadt am Donnerstag in einem Eilantrag entschieden (Aktenzeichen: 5 Bs 64/20). Gegen die Beschränkung der Verkaufsfläche auf maximal 800 Quadratmeter hatte der Sporthändler Sport Scheck gegen die Stadt Hamburg geklagt.
In der vergangenen Woche hatte die Kette vor dem Verwaltungsgericht Recht bekommen (Az.: 3 E 1675/20). Die Richter sahen die Berufsfreiheit des Klägers verletzt und kritisierten die 800-Quadratmeter-Regel. Die Stadt legte umgehend Beschwerde ein und beantragte eine gerichtliche Zwischenverfügung. Das OVG folgte diesem Antrag. Damit blieb die vom Hamburger Senat verhängte Coronavirus-Eindämmungsverordnung in Kraft. Sport Scheck an der Mönckebergstraße durfte – wie die meisten anderen Händler auch – nur 800 der insgesamt 4000 Quadratmeter für die Kunden öffnen.
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Oberverwaltungsgericht schätzt die Lage anders ein als Verwaltungsgericht
Im Beschwerdeverfahren stellte sich das Oberverwaltungsgericht nun auf die Seite der Stadt. Eine Beschränkung der Verkaufsfläche erweise sich als rechtmäßig, teilte die Pressestelle des Gerichts mit. In komplexen Gefahrenlagen wie der Bekämpfung der Coronapandemie stünde dem Verordnungsgeber – der Stadt Hamburg – ein weiter Entscheidungsspielraum hinsichtlich der angeordneten Maßnahmen zu.
In wesentlichen Punkten kam das OVG zu einer ganz anderen Einschätzung als das Verwaltungsgericht. So seien die Kontrolle der Hygienevorschriften auf großen Verkaufsflächen schwieriger umzusetzen als auf begrenzter Fläche. Das hatte das Verwaltungsgericht als niedrigere Instanz noch anders gesehen.
Auch könnten großflächige Verkaufsflächen eine stärkere Anziehungskraft auf die Bevölkerung ausüben, sodass mehr Menschen in die Stadt drängen. Auch das hatte das Verwaltungsgericht anders beurteilt, das für die Attraktivität in erster Line das Warenangebot verantwortlich machte. Das OVG befürchtete durch mehr Besucher ein erhöhtes Ansteckungsrisiko. „Zudem würde eine vollständige Öffnung des Einzelhandels auch stärker suggerieren, die Corona-Krise sei nun überwunden“, meinten die Richter.
Der Handelsverband Nord bedauerte die Entscheidung des OVG
Das Oberverwaltungsgericht nahm zudem das Gesamtkonzept der Pandemiebekämpfung der Stadt mit in seine Entscheidungsbegründung auf. Auch für andere Wirtschafts- und Lebensbereiche wie Kirchen-, Kita- und Schulbesuche sowie die Versammlungsfreiheit bestünden erhebliche Beschränkungen. Eine zu weitgehende Öffnung des Einzelhandels könne zu einer deutlichen Zunahme des Infektionsrisikos und der Fallzahlen führen, so das Gericht. Dies könne längere oder weitere Einschränkungen in vielen Bereichen nach sich ziehen. „Insoweit trägt die aktuelle Regelung nach Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts auch dazu bei, den gesellschaftlichen Frieden in Hamburg zu wahren“, heißt es in der Pressemitteilung.
Der Handelsverband Nord bedauerte die Entscheidung des OVG. Von Anfang an habe man sich für eine Öffnung der Geschäfte unabhängig von Größe und Branche eingesetzt, sagte die Hamburger Geschäftsführerin Brigitte Nolte dem Abendblatt: „Es kommen ja gar nicht so viele Menschen.“ Nach der Wiederöffnung des Einzelhandels vor knapp zwei Wochen zeige sich, dass deutlich weniger Kunden in der Innenstadt seien als früher. „Die hohen Hygieneanforderungen sorgen dafür, dass die Menschen nicht in die Stadt gehen. Wer kommt, kauft zielgerichtet und geht wieder raus.“ Die Hygienemaßnahmen seien auf größeren Flächen genauso gut umzusetzen wie auf kleineren Flächen. Zudem würden viele Händler den Einlass beschränken, sodass die geforderten Abstände in den Geschäften eingehalten würden.
Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts unanfechtbar
Bei der Corona-Rechtsprechung gibt es bundesweit keine einheitliche Linie. Die Oberverwaltungsgerichte von Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und dem Saarland halten beispielsweise die Begrenzung auf 800 Quadratmeter für rechtens, der bayerische Verwaltungsgerichtshof sieht das anders. Die Richter in München rügten insbesondere die Ausnahmen für Buchläden und Fahrradhändler, die mehr als 800 Quadratmeter öffnen dürfen, und nannten sie „aus infektionsschutzrechtlicher Sicht sachlich nicht gerechtfertigt“. Außer Kraft setzt das Gericht die bayerische Version der Vorschrift wegen der Pandemie-Notlage „ausnahmsweise“ aber nicht. Nahezu zeitgleich wie die Richter in Hamburg entschied das Verwaltungsgericht Berlin am Donnerstag, dass Karstadt Kaufhof in der Hauptstadt wieder auf ganzer Fläche öffnen dürfen.
Die Entscheidung des Hamburger Oberverwaltungsgericht über diesen Eilantrag ist unanfechtbar. Allerdings liegt das Hauptsacheverfahren nach wie vor beim Verwaltungsgericht.