Hamburg. Jens Stacklies (Fischauktionshalle) fühlt sich im Vergleich zum Einzelhandel ungerecht behandelt und verlangt zinslose Kredite.

Jens Stacklies betreibt die Fischauktionshalle am Hafen, die Gröninger Privatbrauerei in der Altstadt und die beiden Eventlocations Schönes Leben in der Speicherstadt und Neuendeich (Kreis Pinneberg). Mit mehr als 200 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von 14,5 Millionen Euro (2019) zählt er zu den mittelständischen Gastronomen in der Stadt. Stacklies ist nicht nur als Unternehmer aktiv, sondern engagiert sich auch beim Hamburger Branchenverband Dehoga, dessen Vizepräsident er ist. Im Abendblatt spricht er offen über die schwierige Lage seines Unternehmens in Coronazeiten und stellt klare Forderungen an die Politik.

Hamburger Abendblatt: Herr Stacklies, wo erreichen wir Sie telefonisch?

Jens Stacklies: Ich bin gerade in unserer Zentrale.

Machen Sie in der aktuellen Situation gar kein Homeoffice?

Stacklies: Nein, wir müssen raus in die Zentrale und in die einzelnen Betriebe. Wir müssen ja immer wieder nach dem Rechten schauen.

Aber Ihre gastronomischen Betriebe sind für Gäste geschlossen …

Stacklies: Ja, komplett. Wir wollen nun mit dem Außer-Haus-Verkauf von Speisen in unseren beiden Schönes-Leben-Restaurants beginnen, damit wir überhaupt wieder Einnahmen haben. Aber das ist nicht mehr als der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein. Besonders hart ist die Situation für uns derzeit in der Fischauktionshalle. Denn nach der Ankündigung der Politik in der vergangenen Woche, dass es bis Ende August keine Großveranstaltungen mehr geben soll, sind weitere Stornierungen für die Halle bei uns eingegangen. Wir hatten uns auf ein so tolles Jahr 2020 gefreut, hatten einen vollen Terminkalender mit vielfältigen internationalen Veranstaltungen. Und jetzt bricht alles weg. Wenn ich morgens aufwache, dann denke ich manchmal, wir befinden uns in einem schlechten Film – und wenn ich dann auf den Straßen noch die Menschen mit den Schutzmasken vor ihren Gesichtern sehe, denke ich an Zombies und einen Horrorfilm. Das Ganze ist so unwirklich.

Können Sie schon etwas zu Ihren bisherigen Umsatzausfällen sagen?

Stacklies: Allein in der Fischauktionshalle haben wir bisher Umsatzausfälle von fünf Millionen Euro, im gesamten Unternehmen dürften es rund sechs Millionen Euro sein.

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Haben Sie Kurzarbeit für Ihre Beschäftigten angemeldet?

Stacklies: Ja, von unseren rund 215 festen Beschäftigten sind etwa 200 in Kurzarbeit. Es sind nur noch einige wichtige adminis­trative Positionen besetzt. Zudem möchten wir nun bald wieder unsere Küchenchefs in Arbeit bringen für den AußerHaus-Verkauf. Besonders hart sind aktuell unsere vielen Aushilfen betroffen. Bei einigen versuchen wir zu helfen, aber die meisten sind quasi auf sich allein gestellt. Das sind menschliche Tragödien, die sich da abspielen.

Stocken Sie das Kurzarbeitergeld auf?

Stacklies: Das können wir finanziell nicht. In Einzelfällen versuchen wir zu helfen, aber mehr ist nicht drin. Wir haben so hohe laufende Kosten, müssen Kredite weiter abbezahlen auch für umfangreiche Neuinvestitionen, die wir noch vor der Coronakrise getätigt haben. Deshalb ist unser finanzieller Spielraum mehr als knapp.

Wie beurteilen Sie den aktuellen Kurs der Politik bei den Gaststätten und Restaurants?

Stacklies: Am meisten ärgert mich, dass wir als Gastronomen überhaupt keine Wertschätzung seitens der Politik bekommen. Schließlich sind wir in normalen Zeiten die Gastgeber der Nation. Jetzt finden wir für die Politik nicht statt, man lässt uns einfach links liegen. Uns wird das Licht ausgeknipst, und niemand kümmert sich. Dabei ist diese Branche so wichtig, sowohl ökonomisch als auch gesellschaftspolitisch. An unseren Betrieben hängen ja auch die vielen Zulieferer mit ihren unzähligen Beschäftigten. Die Politik hat uns quasi ein Berufsverbot erteilt und sagt uns nun nicht einmal, wann und wie es weitergehen kann. Das macht mich fassungslos. Das ist ein enteignungsgleicher Eingriff.

Fühlen Sie sich als Gastronom im Vergleich zum Einzelhändler unfair behandelt?

Stacklies: Ja, auf jeden Fall. Wir könnten doch genau die gleichen Abstands- und Hygieneregeln einführen wie in Supermärkten oder Modeläden, die seit dieser Woche auch wieder öffnen dürfen. Die Tische in den Restaurants und auf den Terrassen könnten in einem größeren Abstand zueinander aufgestellt werden, Spender mit Desinfektionsmitteln wären kein Problem. Es könnte mit Mundschutz gekocht werden. Warum wird uns das nicht erlaubt? Ich würde mir dazu einen runden Tisch mit der Stadt Hamburg wünschen, damit man wenigstens auf lokaler Ebene eine Lösung findet.

Reichen die finanziellen Hilfen des Staates für die Gastronomie aus Ihrer Sicht aus?

Stacklies: Das reicht nicht im Ansatz, mit den Hilfen kann ich nicht einmal meine aktuellen Betriebsausgaben decken. Mit Blick auf die Kosten, die auch in Coronazeiten für uns weiterlaufen, sind die Staatshilfen nicht mehr als Almosen. Zudem müssen wir für einen höheren KfW-Kredit, den wir nun aufnehmen müssen, zwischen 2,7 und 3,2 Prozent Zinsen zahlen. Diesen Kredit hätte ich in normalen Zeiten nicht benötigt und soll dafür nun auch noch Zinsen überweisen – das ist doch ein Unding. Meiner Meinung nach müssten diese Zinszahlungen in den nächsten Jahren mit den Ertragssteuern verrechnet werden, die ich bezahle. Der Kredit muss zinslos sein, sonst hilft er uns nicht weiter. Die Politik kann uns doch nicht unser Geschäft, unsere Arbeit, unsere Umsätze wegnehmen und dann sagen: Auf den Kosten bleibt ihr aber sitzen. Zudem muss der Mehrwertsteuersatz auf gastronomische Leistungen von 19 auf sieben Prozent gesenkt werden – und zwar längerfristig. Denn sollten wir irgendwann mal wieder loslegen dürfen, brauchen alle Gastronomen vernünftige Startbedingungen und eine Kompensation für die Umsatzausfälle in der Coronakrise.

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Die Block Gruppe hat bereits im Abendblatt angekündigt, dass sie eine Klage gegen die Stadt Hamburg wegen des Shutdowns in der Gastronomie vorbereitet. Was halten Sie von diesen Plänen?

Stacklies: Diesen Weg unterstütze ich voll und ganz. Auch der Dehoga in Hamburg prüft ja rechtliche Schritte. Was bleibt uns Gastronomen denn anderes übrig?

Wie lange können Sie mit Ihrem Unternehmen diesen Shutdown ökonomisch noch durchhalten?

Stacklies: Wir schaffen das vielleicht noch zwei Monate, dann ist Feierabend. Dabei hatte ich eigentlich vor, das Unternehmen meinen beiden Söhnen zu übergeben. Es wäre eine Katastrophe, wenn das nun nicht klappen sollte.

Coronavirus: Verhaltensregeln und Empfehlungen der Gesundheitsbehörde

  • Reduzieren Sie Kontakte auf ein notwendiges Minimum und halten Sie Abstand von mindestens 1,50 Metern zu anderen Personen
  • Achten Sie auf eine korrekte Hust- und Niesetikette (ins Taschentuch oder in die Armbeuge)
  • Waschen Sie sich regelmäßig die Hände gründlich mit Wasser und Seife
  • Vermeiden Sie das Berühren von Augen, Nase und Mund
  • Wenn Sie persönlichen Kontakt zu einer Person hatten, bei der das Coronavirus im Labor nachgewiesen wurde, sollten Sie sich unverzüglich und unabhängig von Symptomen an ihr zuständiges Gesundheitsamt wenden