Berlin/Essen. In der Corona-Krise werden mehr Pakete verschickt. DHL-Betriebschef Thomas Schneider sucht Mitarbeiter und will auch sonntags liefern.

Die Corona-Krise prägt den Alltag von rund 80.000 Brief- und 50.000 Paketzustellern in Deutschland. Viele Beschäftigte arbeiten an der Belastungsgrenze, wie Thomas Schneider, der für das Bundesgebiet zuständige Betriebschef der Deutschen Post DHL, berichtet.

Das Unternehmen habe bereits 2000 zusätzliche Mitarbeiter eingestellt und suche weitere 2000 Beschäftigte. Außerdem will die Post auch am Sonntag Pakete zustellen – und zunehmend Briefträger für das Paketgeschäft einsetzen. Eine Maskenpflicht für Zusteller sieht Post-Manager Schneider skeptisch.

Herr Schneider, in der Corona-Krise verzeichnet DHL eine Flut von Paketsendungen. Stellen Sie sich auch für die kommenden Monate auf eine ungewöhnliche Lage ein?

Thomas Schneider: Es ist derzeit sehr schwer, Prognosen über die kommenden Monate zu treffen, wir haben uns aber schon frühzeitig zu Beginn der Krise mit möglichen Szenarien beschäftigt. Im Paketgeschäft erleben wir derzeit Rekordwerte für den Frühling. Es gibt eine Flut von Aufträgen durch Versandhändler. Gleichzeitig verschicken aktuell auch ungewöhnlich viele Privatkunden Pakete. Damit sind wir momentan ähnlich stark gefordert wie sonst in der Vorweihnachtszeit. Der Unterschied ist, dass wir uns auf die aktuelle Situation nicht langfristig vorbereiten konnten, sondern schnell reagieren mussten.

Auch wenn nun das Geschäft brummt: Könnte die Corona-Pandemie mancherorts die Zustellung gefährden?

Thomas Schneider, Betriebschef für den Post- und Paketbetrieb in Deutschland.
Thomas Schneider, Betriebschef für den Post- und Paketbetrieb in Deutschland. © DHL

Schneider: Derzeit gibt es durch die Corona-Pandemie selbst keine wesentlichen Einschränkungen der Brief- und Paketversorgung in Deutschland, und wir tun alles, um unsere Mitarbeiter und Kunden zu schützen. Der Umgang mit Einschränkungen in der Zustellung ist uns in besonderen lokalen Quarantäne-Gebieten bereits vertraut, etwa in Heinsberg. Es ist selbstverständlich, dass wir uns angesichts der Covid-19-Pandemie so gut es geht auf mögliche Auswirkungen auf unseren Betrieb vorbereiten. Aber durch die extrem hohen Paketmengen und die erforderlichen Corona-Schutzmaßnahmen kann es derzeit zu Verzögerungen bei der Abholung und in der Zustellung kommen.

In der Regel tragen Ihre Brief- und Paketzusteller keinen Mundschutz. Bleibt das so?

Schneider: Wir beobachten die aktuelle Entwicklung sehr aufmerksam und arbeiten eng mit den örtlichen Gesundheitsbehörden sowie Organisationen wie dem Robert-Koch-Institut zusammen, um die Empfehlungen umzusetzen. In Deutschland sind wir einer der größten Arbeitgeber. Wir haben etwa 80.000 Brief- und 50.000 Paketzusteller. Alle Beschäftigten mit Mundschutz auszustatten, wäre eine enorme Herausforderung, der wir uns aber stellen.

So trage ich den Mundschutz richtig

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    Hätten Sie denn genug Schutzmaterialien wie etwa Mundschutz?

    Schneider: Bei einer Ausstattung aller Beschäftigten in Deutschland mit Masken rechnen wir mit einem Bedarf von einer Million Stück pro Woche. Wir sehen eine flächendeckende Ausstattung unserer Zusteller mit FFP2-Masken kritisch, da zu erwarten ist, dass diese Masken dann in Kliniken oder Pflegeeinrichtungen fehlen würden. Trotzdem sind wir darauf vorbereitet, unsere Beschäftigten kurzfristig mit Textilmasken beziehungsweise Mundschutz auszustatten. Hier beobachten wir die Empfehlungslage des Robert-Koch-Instituts sehr genau sowie die aktuelle Anweisungslage der Behörden.

    Wie wollen Sie stattdessen den Schutz von Kunden und Mitarbeitern gewährleisten?

    Schneider: Unsere Mitarbeiter halten sich strikt an die Regel, zwei Meter Abstand zu halten. Unsere Fachkräfte für Arbeitsschutz sind rund um die Uhr in allen Betriebsstätten unterwegs, um Maßnahmen zum Schutz unserer Beschäftigten umzusetzen. Eine Unterschrift der Kunden bei der Paketzustellung ist aktuell nicht erforderlich. Regelmäßiges Händewaschen gehört für unsere Belegschaft zum Arbeitsalltag. Außerdem stellen wir zusätzlich Desinfektionsmittel sowie Wasserkanister mit Seife für die Zustellfahrzeuge bereit, um für eine gute Hygiene zu sorgen.

    Mancherorts in Deutschland kommen Sie bei der Paketzustellung an Kapazitätsgrenzen. Brauchen Sie weitere Mitarbeiter?

    Schneider: Wir stellen gerade massiv neue Leute ein. Seit Anfang April haben wir bundesweit mehr als 2000 Vollzeitstellen zusätzlich geschaffen und besetzt, allein im Ruhrgebiet sind dies 250 neue Mitarbeiter. Darüber hinaus wollen wir bundesweit weitere 2000 Arbeitsplätze in den nächsten Wochen aufbauen.

    Können Sie Beschäftigte aus Branchen einsetzen, in denen aktuell aufgrund der Corona-Krise der Betrieb stillsteht?

    Schneider: Ja, unsere neuen Mitarbeiter kommen aus ganz unterschiedlichen Bereichen und Branchen. Zurzeit arbeiten auch viele Studierende bei uns. Es ist eine große Herausforderung, die vielen neuen Kollegen einzuweisen.

    Setzen Sie auch Briefzusteller im Paketgeschäft ein?

    Schneider: Bereits heute wird mehr als jedes zweite Paket zusammen mit Briefen vom gleichen Postboten ausgeliefert. Unser Ziel ist es, die Zahl deutlich zu erhöhen. Wir streben eine engere Verzahnung der Bereiche Brief und Paket an. Während die Mengen bei den Briefen zurückgehen, arbeiten viele Paketzusteller in Corona-Zeiten an der Belastungsgrenze. Es schafft Entlastung, wenn kleinere Pakete von den Briefzustellern ausgetragen werden. Dies wollen wir insbesondere in Großstädten künftig häufiger tun. Bundesweit bringen unsere Fuß- und Fahrradzusteller bereits rund 200.000 Pakete pro Tag zu den Kunden – Tendenz stark steigend. Darüber hinaus arbeiten derzeit rund 200 Sortierkräfte aus den Briefzentren im Paketdienst.

    Sie würden angesichts der Corona-Krise in manchen Regionen gern auch am Sonntag Pakete zustellen. Bekommen Sie dafür grünes Licht der Behörden?

    Schneider: Es wäre hilfreich, wenn wir einen weiteren Tag bekommen könnten, um in der aktuellen Situation der Flut der Pakete Herr zu werden. Um Versorgungsengpässe zu vermeiden, haben wir in manchen Regionen bereits Anträge bei den zuständigen Behörden gestellt, damit wir ausnahmsweise auch am Sonntag Pakete zustellen können, so etwa in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Bislang sind wir auf Ablehnung gestoßen. Wir erwägen allerdings, Anträge in weiteren Regionen Deutschlands zu stellen, beispielsweise in Bayern im Raum München, aber auch in weiteren Bundesländern. Wir sehen in der Sonntagszustellung ein gebotenes Mittel, um in einer besonderen Situation einen Kollaps des Paketsystems zu vermeiden, und würden uns freuen, wenn die Politik uns hier mit einer temporären Erlaubnis unterstützen würde.

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