Hamburg. Hamburger Reederei bleibt trotz Pandemie optimistisch. Aktie legt zu. Maersk zieht Prognose zurück. Negativer Effekt ab Mai erwartet.
Wie sich die Zeiten ändern: Vor einem Jahr ist Hapag-Lloyd-Vorstandschef Rolf Habben Jansen vor Beginn der Bilanzpräsentation durch den Saal in der Zentrale der Traditionsreederei am Ballindamm geschlendert und schüttelte den anwesenden Journalisten die Hand. An diesem Freitag gab es für die akkreditierten Medienvertreter auf dem Computerbildschirm ein kleines Porträtfoto des Managers und des neuen Finanzvorstands Mark Frese zu sehen. Um kurz nach 10 Uhr begann der Niederländer mit den Erläuterungen zum Geschäftsjahr 2019 auf Englisch – via Internet. Die Coronakrise verändert vieles. Und so war es dem Manager wichtig, vor der Zahlenanalyse eines klarzustellen: „Die Gesundheit unserer Mitarbeiter hat für uns oberste Priorität.“
2,5 Stunden zuvor hatte der Konzern das in diesen Tagen wohl Überraschendste mitgeteilt. Trotz Corona-Krise traut sich die Reederei eine Prognose für das laufende Geschäftsjahr zu – wenn sie auch sehr breit ausfällt. „Es gibt sicherlich wegen des Coronavirus-Ausbruchs mehr Unsicherheiten für unseren Ausblick als in normalen Situationen“, räumte Habben Jansen ein. Aber: Der Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) solle zwischen 500 Millionen und einer Milliarde Euro liegen.
Gesellschaft und Wirtschaft im Würgegriff des Coronavirus
Im Vorjahr waren es 811 Millionen Euro. Die vor einem Monat verkündeten vorläufigen Zahlen wurden bestätigt – das bedeutet (bei veränderter Rechnungslegung) ein Ergebnisplus von gut 80 Prozent zum Vorjahr. Der Umsatz stieg um 8,5 Prozent auf 12,6 Milliarden Euro. „2019 war ein gutes Jahr für Hapag-Lloyd“, lautete das Resümee von Habben Jansen – und er stellte fest, dass dies gefühlt schon sehr lange her ist.
Zu sehr haben sich die Ereignisse überschlagen. Die Gesellschaft und die Wirtschaft befinden sich im Würgegriff des Coronavirus. Einer der Hauptkonkurrenten sah sich nahezu gleichzeitig genötigt, seine Prognose für 2020 zurückzuziehen. „In der aktuellen Situation mit hohen Unsicherheiten bezüglich des globalen Containerbedarfs wegen der Corona-Pandemie und der Maßnahmen der Regierungen, um den Ausbruch einzudämmen, haben wir entschieden, unsere Prognose für das Gesamtjahr auszusetzen“, sagte Maersk-Chef Søren Skou. Zu der weltgrößten Containerreederei gehört seit einem guten Jahr auch Hamburg Süd.
Mehrere Wochen lang wurde die Produktion in China gestoppt
Die Manager am Ballindamm kamen aufgrund ihrer Erfahrungen zu einer anderen Einschätzung. Als die Krankheit in China ausbrach, verhängte die dortige Regierung drastische Maßnahmen wie Ausgangssperren. Mehrere Wochen lang wurde die Produktion gestoppt. Entsprechend weniger Güter standen zum Transport bereit. Die Branche reagierte darauf, fast jede zweite planmäßige Abfahrt von Asien nach Europa wurde gestrichen. „Nach dem anfänglichen Schock haben sich die Märkte in China und anderen asiatischen Ländern wahrscheinlich schneller erholt als von vielen befürchtet“, sagte Habben Jansen, der den Konzern seit Mitte 2014 führt. Nun seien auch andere Kontinente davon betroffen und die Auswirkungen würden erheblich sein. Eventuell müsse die Reederei das Transportangebot anpassen.
UKE-Virologin zur Corona-Krise:
Aber: Stand heute erwartet er aufs Jahr gesehen ein leichtes Plus beim Containertransport. Das erste Quartal sei stark gewesen. Der April werde ordentlich sein. Ein negativer Effekt werde ab Mai erwartet. Der Ausblick auf die Zeit danach sei allerdings nur begrenzt möglich. „Wir bereiten uns auf eine Reihe von Szenarien vor“, sagte der 53-Jährige. Im zweiten und dritten Quartal könne die Entwicklung rückläufig sein.
Schifffahrt ist den Krisenmodus gewöhnt
Die Schifffahrt ist den Krisenmodus gewöhnt. Als Folge der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09 gab es starke Verwerfungen in der Branche. Reedereien fusionierten, neue Allianzen bildeten sich. Hapag-Lloyd wies auf einen großen Unterschied zur damaligen Krise hin. Es werden derzeit nur wenig neue Frachter gebaut. In den Auftragsbüchern der Werften stehen Schiffe, die zehn Prozent der Weltflotte entsprechen. Vor gut zehn Jahren waren es rund 50 Prozent. Gleichzeitig werden Schiffe außer Dienst gestellt. Die jahrelange Schifffahrtskrise wurde vor allem durch ein Überangebot an Schiffsraum ausgelöst – die Gefahr ist momentan gering. Hapag-Lloyd erwägt zwar seit langer Zeit, neue Schiffe zu bestellen. In diesem Umfeld dürfte das nun hintenanstehen.
Die Frachtraten – das sind die Preise, die für einen transportierten Container gezahlt werden – sollen laut Prognose in diesem Jahr leicht steigen. Im vergangenen Jahr wurden 1072 Dollar pro Box gezahlt, das waren 2,7 Prozent mehr als im Vorjahr. Weil gleichzeitig Treibstoff günstiger wurde und andere Kosten gesenkt wurden, wurde unterm Strich bereits 2019 mehr verdient.
Coronavirus: So können Sie sich vor Ansteckung schützen
- Niesen oder husten Sie am besten in ein Einwegtaschentuch, das Sie danach wegwerfen. Ist keins griffbereit, halten Sie die Armbeuge vor Mund und Nase. Danach: Händewaschen
- Regelmäßig und gründlich die Hände mit Seife waschen
- Das Gesicht nicht mit den Händen berühren, weil die Erreger des Coronavirus über die Schleimhäute von Mund, Nase oder Augen in den Körper eindringen und eine Infektion auslösen können
- Ein bis zwei Meter Abstand zu Menschen halten, die Infektionssymptome zeigen
- Schutzmasken und Desinfektionsmittel sind überflüssig – sie können sogar umgekehrt zu Nachlässigkeit in wichtigeren Bereichen führen
Daran können sich auch die Aktionäre erfreuen. Der Vorstand schlägt vor, dass die Gewinnausschüttung 1,10 Euro pro Anteilsschein betragen soll. Das wäre ein deutliches Plus zum Vorjahr. Damals waren es nur 15 Cent. An der Börse kamen die Zahlen gut an. Die Aktie legte bis zum Nachmittag knapp vier Prozent auf 67,50 Euro zu. Seit Anfang 2019 hat sich der Wert der Titel in etwa verdreifacht. Hauptsächlich getrieben wurde die Entwicklung durch die beiden Hauptaktionäre Klaus-Michael Kühne und CSAV aus Chile, die ihre Anteile aufstockten. Der Streubesitz liegt nur noch bei vier Prozent. Das hält Kursausschläge in engen Grenzen – auch wenn die meisten Analysten die Aktie mittlerweile für deutlich zu teuer halten.
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