Hamburg. Wie schütze ich mich? Habe ich ein Recht auf Homeoffice? Experten der Uni Hamburg und des UKE beantworten die wichtigsten Fragen.

In der Hansestadt gibt es mittlerweile 35 bestätigte Fälle von Corona – und die Sorge wächst bei vielen Menschen. Zwölf Experten – Mediziner, Chemiker, Juristen, Ökonomen und Psychologen – beantworten die wichtigsten Fragen rund um das Virus.

Der Hygiene-Experte: Was wirklich hilft

Prof. Dr. Johannes K.-M. Knobloch leitet den Arbeitsbereich Krankenhaus­hygiene am UKE.

Hamburger Abendblatt: Wie ist das Virus aufgebaut und wieso ist es so ansteckend?

Knobloch: Coronaviren gehören zu den behüllten Viren. Das heißt, dass diese Viren von einer dünnen und empfindlichen Mem­bran umgeben sind. Durch die Hülle der Viren ragen Proteine, die zum typischen Aussehen und zum Namen des Virus beigetragen haben. Diese Proteine benötigt das Virus, um in menschliche Zellen einzudringen und sich dort zu vermehren. Das neue Coronavirus vermehrt sich vor allem in der Lunge, aber auch in den oberen Atemwegen. Daher ist das Virus wie viele andere Viren, die Erkältungserkrankungen oder Lungenentzündung hervorrufen können, auch so ansteckend.

Wie wird das Virus übertragen?

Knobloch: Der Hauptübertragungsweg ist die Tröpfcheninfektion, also wenn Tröpfchen mit dem Virus an die Schleimhäute der Atemwege gelangen. Möglich ist aber auch eine indirekte Übertragung über die Hände, die mit der Mund- oder Nasenschleimhaut sowie mit der Augenbindehaut in Kontakt gebracht werden. Das Erbgut des Virus wurde auch in Stuhlproben einiger Betroffener gefunden. Bisher wurde es noch nicht erfolgreich aus Stuhlproben angezüchtet. Wir gehen deshalb davon aus, dass eine Verbreitung über den Stuhl keine große Rolle spielt.

Sollte auf Händeschütteln, Umarmungen und Wangenküsse verzichtet werden?

Knobloch: Wichtig ist allen voran eine gute Händehygiene. Hierzu kann auch der Verzicht auf das Händeschütteln gehören. Ebenso sollte man sich möglichst wenig ins Gesicht fassen, um Viren nicht über Schleimhäute von Augen, Nase oder Mund aufzunehmen.

Wie gefährlich ist Bus- und Bahnfahren?

Knobloch: Das Nutzen von öffentlichen Verkehrsmitteln selbst ist nicht gefährlich. Man kann in erster Linie selbst dafür sorgen, dass das Risiko, welches von mitfahrenden Personen ausgehen könnte, verringert wird. Bei erkrankten Personen, die husten und niesen, sollte man versuchen, Abstand zu halten oder sich zumindest mit dem Gesicht abzuwenden. Und nach der Ankunft am Zielort ist es sinnvoll, sich die Hände zu waschen. Wenn man selbst krank ist, sollten Taschentücher verwendet und die sogenannte Nies- und Hustenetikette eingehalten werden, um andere zu schützen.

Kann man sich erneut mit Corona infizieren, wenn man bereits erkrankt war?

Knobloch: Es gibt einige wenige Berichte, dass bei Patienten das Virus nach einem negativen Test nochmals nachweisbar war. Ob dies tatsächlich bedeutet, dass sich diese Personen nochmals neu angesteckt haben, kann man noch nicht mit Sicherheit sagen. Es kann viele Gründe geben, warum ein Test auch mal negativ ausfällt. Wir gehen aber davon aus, dass fast alle Patienten nach einer ausgeheilten Infektion mindestens für eine längere Zeit immun gegen eine neue Infektion sind.

Coronaviren gehören zu den behüllten Viren. Durch die Hülle der Viren ragen Proteine, die zum typischen Aussehen und zum Namen des Virus beigetragen haben.
Coronaviren gehören zu den behüllten Viren. Durch die Hülle der Viren ragen Proteine, die zum typischen Aussehen und zum Namen des Virus beigetragen haben. © picture alliance / ZUMA Press

Wie wirksam sind Masken nun wirklich?

Knobloch: Damit Masken schützen können, muss man sie richtig einsetzen. Der klassische Mund-Nasen-Schutz mit Ohrschlaufen oder zum Binden hat eine saugfähige Innenseite und ist vor allem dazu gedacht, dass keine Tröpfchen vom Träger auf andere übergehen. Selbst ist man kaum von Tröpfchen anderer geschützt. Der Mund-Nasen-Schutz kann also nur dazu beitragen, dass es etwas schwerer ist, durch die Hände etwas in Mund oder Nase zu schmieren. Es wäre viel effektiver, wenn Menschen mit Atemwegsinfektionen einen solchen Mund-Nasen-Schutz tragen, um andere zu schützen. Ein richtiger Atemschutz, die sogenannten FFP-Masken, macht nur Sinn, wenn man wirklich Kontakt zu einer Person hatte, von der man weiß, dass sie mit dem neuen Coronavirus infiziert ist.

Welche wirksamen Maßnahmen gibt es, um das Virus einzudämmen?

Knobloch: Am effizientesten sind einfache Maßnahmen, wie sie gerade in Anbetracht der Grippewelle aktueller denn je sind: Halten Sie die korrekte Husten- und Nies-Etikette ein, achten Sie auf eine gute Händehygiene und halten Sie Abstand, etwa ein bis zwei Meter, von krankheitsverdächtigen Personen. Dabei reicht das richtige Händewaschen mit Seife im privaten Umfeld vollkommen aus.

Die Infektiologin: Pneumokokken-Impfung schützt nicht

Prof. Marylyn Addo vom UKE ist Deutschlands führende Infektions­forscherin.

Hamburger Abendblatt: Kann man sich durch Umarmung oder Küssen bei jemandem anstecken, der noch nicht weiß, dass er das Virus in sich hat?

Addo: Das neuartige Coronavirus wird von Mensch zu Mensch übertragen, in der Regel über Sekrete des Atmungstrakts, also zum Beispiel beim Niesen oder auch beim Küssen. Man geht davon aus, dass die meisten Übertragungen von Personen mit Krankheitssymptomen ausgehen. Es wurden jedoch auch Einzelfälle berichtet, in denen sich Personen bei Erkrankten angesteckt haben, die nur leichte oder unspezifische Krankheitszeichen gezeigt hatten.

Sind Menschen, die gegen Grippe geimpft sind, besser gegen Corona geschützt?

Addo: Nein. Auch wenn die Symptome einer Coronavirus-Infektion denen einer klassischen Grippe-Infektion sehr ähnlich sein können, bietet eine Grippe-Impfung keinen Schutz gegen das SARS-CoV-2. Eine Grippeimpfung gemäß den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission am Robert-Koch-Institut (RKI) ist dennoch zur Prävention der Influenza (Grippe) sinnvoll.

Prof. Marylyn Addo leitet die Abteilung Infektologie am UKE.
Prof. Marylyn Addo leitet die Abteilung Infektologie am UKE. © Michael Rauhe

Gibt es eine Impfung zum Schutz gegen Lungenentzündung und ist sie jetzt ratsam?

Addo: Man kann sich gegen den häufigsten Erreger einer bakteriellen Lungenentzündung im Alter, gegen Pneumokokken, impfen lassen. Eine solche Standardimpfung empfiehlt die Ständige Impfkommission allen Menschen ab dem 60. Lebensjahr. Allerdings gilt wie auch bei der Grippeimpfung: Durch eine Pneumokokken-Impfung ist man nicht vor Infektionen mit SARS-CoV-2 geschützt.

Wie wird festgestellt, dass infizierte Personen geheilt sind und aus der Quarantäne entlassen werden können?

Addo: Das Gesundheitsamt entscheidet, ob eine infizierte oder eine Kontaktperson in Quarantäne muss und ob diese Person im Krankenhaus oder zu Hause isoliert wird. Das Gesundheitsamt hebt auch die Quarantäne nach festgelegten Kriterien wieder auf. Derzeit ist eine Ent-Isolierung und Entlassung nach aktuellem Wissensstand und gemäß RKI-Emp­fehlungen frühestens zehn Tage nach Symptombeginn vertretbar, wenn seit min­destens 48 Stunden kein Fieber und seit mindestens 24 Stunden Covid-19- Symptomfreiheit­ bestehen sowie zwei negative SARS-CoV-2-PCR-Untersuchungen im Abstand von 24 Stunden aus Abstrichen von Nase- sowie Mund-in-Rachen gewonnen wurden.

Der Virologe: Große Veranstaltungen absagen

Prof. Jonas Schmidt-Chanasit leitet die Virusdiagnostik am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin.

Hamburger Abendblatt: Inwieweit ist das Virus ähnlich wie Sars?

Schmidt-Chanasit: Das neue Coronavirus, Sars-CoV-2, ist eine Subspezies des Sars-Coronavirus. Beide Viren sind sich sehr ähnlich, aber es gibt auch entscheidende Unterschiede, beispielsweise in der Fähigkeit des Virus, eine Erkrankung hervorzurufen – und seiner Übertragbarkeit. Das ist das Tückische. Anfangs haben wir gedacht, die Viren sind so eng verwandt, dass wir jetzt ein ganz ähnliches Szenario wie bei Sars erwarten können. Aber das hat sich nicht bestätigt. Das neue Coronavirus überträgt sich leichter, und die Sterblichkeit ist wesentlich niedriger.

Kann man bereits erkennen, ob sich das Virus genetisch verändert hat?

Schmidt-Chanasit: Viren verändern sich immer, das ist ganz normal. Es sind Mutationen aufgetreten, aber das bedeutet nicht, dass Sars-CoV-2 gefährlicher wird.

Das Virus muss sich übrigens auch nicht zwingend genetisch verändert haben, als es auf den Menschen übergesprungen ist. Es kann auch sein, dass der Mensch jetzt erst so engen Kontakt mit infizierten Fledermäusen oder Zwischenwirten hat, dass ein sogenannter „Barrierebruch“ stattgefunden hat. In den letzten Jahrzehnten hat sich vieles verändert auf der Welt. Wir sind jetzt doppelt so viele Menschen wie noch vor Kurzem. Die Lebensräume sind begrenzt, abgelegene ökologische Systeme werden gestört. Wildtiere kommen vermehrt mit Nutztieren in Kontakt und diese mit dem Menschen. Das sind wichtige Aspekte bei der Frage, warum wir Menschen mit neuartigen Viren immer häufiger konfrontiert werden.

Wird das Virus schon schwächer?

Schmidt-Chanasit: Es gibt keine Hinweise, dass das Virus schwächer wird und in dieser Beziehung irgendetwas passiert, was den Verlauf der Pandemie beeinflussen würde.

Sind Großveranstaltungen wie Messen, Fußballspiele etc. noch vertretbar?

Schmidt-Chanasit: Maßnahmen, die die Infrastruktur oder die Versorgung der Menschen gefährden, sind nicht angebracht. Darunter fallen Fußballspiele oder ähnliche Sportveranstaltungen aber nicht. Da sind Menschenmassen, dicht gedrängt, grölend, Hygienemaßnahmen können nicht aufrechterhalten werden. Ebenso wenig wie bei Massenveranstaltungen in Hallen, beispielsweise Konzerte, Basketball- oder Eishockeyspiele. Solche Veranstaltungen könnte man deutlich reduzieren, ohne unsere Versorgung zu gefährden – und damit erreichen, dass sich nicht so viele Menschen so schnell anstecken. Es gibt ja auch schon die Forderung, Kitas grundsätzlich zu schließen. Das hätte massive Auswirkungen auf die Versorgung. Das wäre aus meiner Sicht deshalb unvertretbar. Viel wichtiger wäre es, Massenveranstaltungen jetzt deutlich zu reduzieren.

Sollten wir auf Reisen derzeit möglichst verzichten?

Schmidt-Chanasit: Jeder Bürger kann dazu beitragen, dass sich das Virus nicht so schnell verbreitet. Eine verminderte Reisetätigkeit kann dazu einen signifikanten Beitrag leisten.

Ist Deutschland ausreichend vorbereitet? Gibt es genug Krankenhausbetten?

Schmidt-Chanasit: Ja, Deutschland ist gut aufgestellt, und jeder Bürger kann durch einfache Hygienemaßnahmen und rationales Handeln dazu beitragen, dass es auch so bleibt.

Die Psychologin: Hamstern gibt Gefühl von Kontrolle

Prof. Dr. Tania Lincoln ist Expertin für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Uni Hamburg.

Hamburger Abendblatt: Wie entsteht die teils irrationale Angst in der Bevölkerung?

Lincoln: Wir Menschen sind nicht gut darin, Wahrscheinlichkeiten einzuschätzen. Ein typischer Fehler, den wir dabei machen, ist, dass wir die Häufigkeit einer Gefahr sehr stark überschätzen, wenn wir gerade jetzt stark mit dieser Gefahr konfrontiert werden. Wenn wir im Halbstundentakt von neuen Coranavirus-Infektionen und Todesfällen erfahren, erhöht das bei uns den Eindruck, dass das Virus allgegenwärtig ist und dass die Wahrscheinlichkeit, dass wir es bekommen oder sogar daran sterben könnten, hoch ist. Würde uns jeder Krebstod berichtet werden, würde dies die Angst vor Krebserkrankungen auch massiv an­heizen.

Ein anderer Aspekt ist, dass es sich bei dem Virus um etwas Neues handelt, wir haben also noch nicht selbst erlebt, wie stark es jemanden beeinträchtigt oder wie sich jemand davon auch wieder erholt. Das ist etwa bei der Grippe anders, obwohl diese auch gefährlich sein kann. Es gab 25.000 Grippetote in der Grippesaison 2017/2018 allein in Deutschland.

Sanitäter bringen einen Verdachtsfall in ein Krankenhaus.
Sanitäter bringen einen Verdachtsfall in ein Krankenhaus. © Michael Arning | Michael Arning

Schließlich erinnert uns das Virus und seine potenziellen Folgen daran, dass wir sterblich sind. Da wir das Thema Tod gerne verdrängen, löst es bei vielen Menschen erst einmal starkes Unbehagen aus, wenn sie damit plötzlich konfrontiert werden.

Wieso hamstern Menschen?

Lincoln: Hamstern klingt schon etwas zu stark wertend. Wenn das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe grundsätzlich empfiehlt, einen Vorrat von Lebensmitteln und Getränken für zehn Tage bereitzuhalten, ist es nicht unbedingt unvernünftig oder alarmistisch, wenn einige Menschen ihre Vorräte aufstocken. Aus psychologischer Sicht kann man mutmaßen, dass solche Einkäufe (ebenso wie das häufige Händewaschen oder Desinfizieren) uns auch ein gewisses Gefühl von Kontrolle geben, was das Gefühl von Angst und Unsicherheit zumindest etwas abmildert.

Schaukelt sich da eine Spirale auf – also wenn die anderen hamstern, tue ich es auch?

Lincoln: Ja, das ist sicher so. Menschen lernen sehr gut am Modell. Das kann man bei Kindern am besten beobachten, gilt aber auch für Erwachsene. Und wenn wir beobachten können, dass die meisten Menschen im Land trotz der Meldungen zur Ausbreitung von Covid-19 ruhig bleiben, werden wir es auch eher tun. Wenn wir aber Bilder von leeren Regalen präsentiert bekommen, regt auch das zur Nachahmung an und löst bei einigen sicher auch die Sorge aus, am Ende leer auszugehen. Dadurch kann sich so ein Verhalten durchaus aufschaukeln.

Der Chemiker: Desinfizieren lohnt sich nicht

Prof. Chris Meier vom Institut für organische Chemie forscht zu neuen Medikamenten und Impfungen.

Hamburger Abendblatt: Sollte man Türklinken und Ähnliches desinfizieren?

Meier: Das Desinfizieren von Türklinken etc. lohnt aus meiner Sicht nicht. In welchen Abständen sollte denn ein solches Desinfizieren stattfinden? Kurz nach der Desinfektion ist sicherlich die Tür „sauber“, aber ist dies auch nach dem zehnten Nutzen noch so? Außerdem berühren wir ständig Dinge, die nicht alle desinfiziert werden können, das ist nicht praktikabel. Ich fahre zum Beispiel selbst täglich mit Bussen und S-Bahn. Dort müsste man dann ja konsequenterweise auch ständig alles desinfizieren, was gar nicht machbar ist. Außerdem überleben viele Erreger/Viren nicht lange an der normalen Atmosphäre, sondern sterben ab.

Sollte sich jeder tatsächlich regelmäßig die Hände desinfizieren, oder ist das nur für Risikogruppen notwendig?

Meier: Ich würde schon aus den oben genannten Gründen empfehlen, sich häufig die Hände mit Seife zu waschen. Ich mache dies immer, wenn ich an der Uni ankomme (nach Bus und Bahn) und wenn ich abends nach Hause komme (nach Bus und Bahn). Zwischendrin auch immer mal wieder. Sorgfältiges Händewaschen mit Seife reicht als Schutz meiner Meinung nach völlig aus. Desinfektionsmittel sind vielleicht praktisch, aber eigentlich unnötig. Wichtig ist, sich das Selbst-ins-Gesicht-Fassen abzugewöhnen.

Warum häufen sich die Grippeerkrankungen überhaupt im Winter?

Meier: Im Winter sind Menschen empfindlicher: Weil die Sonne fehlt, ist das Immunsystem schwächer. Und trockene Heizungsluft reizt die Schleimhäute. Auch ernähren wir uns weniger vitaminreich als im Sommer. Viren hingegen mögen keine Sonne, insbesondere wegen des hohen UV-Anteils des Lichts, und auch keine Wärme. Konsequenz: Wir sind im Winter schwächer, die Viren vitaler!

Wie ist Corona im Vergleich zu Schweinegrippe und Vogelgrippe einzuschätzen?

Meier: Corona jetzt ist schlimmer als Schweine- oder Vogelgrippe, zumindest in Deutschland. Die Mortalität bei Covid-19 ist höher, wenn auch immer noch weit unter fünf Prozent.

Coronavirus: So können Sie sich vor Ansteckung schützen

  • Niesen oder husten Sie am besten in ein Einwegtaschentuch, das Sie danach wegwerfen. Ist keins griffbereit, halten Sie die Armbeuge vor Mund und Nase. Danach: Händewaschen
  • Regelmäßig und gründlich die Hände mit Seife waschen
  • Das Gesicht nicht mit den Händen berühren, weil die Erreger des Coronavirus über die Schleimhäute von Mund, Nase oder Augen in den Körper eindringen und eine Infektion auslösen können
  • Ein bis zwei Meter Abstand zu Menschen halten, die Infektionssymptome zeigen
  • Schutzmasken und Desinfektionsmittel sind überflüssig – sie können sogar umgekehrt zu Nachlässigkeit in wichtigeren Bereichen führen

Die Juristin: Es gibt kein Recht auf Homeoffice

Juristin Prof. Dr. Dagmar Felix lehrt öffentliches Recht an der Uni Hamburg.

Hamburger Abendblatt: Darf man eine Stadt einfach so absperren?

Felix: Rechtsgrundlage für die Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen ist das Infektionsschutzgesetz (IfSG), dessen Anwendungsbereich vom Bundesgesundheitsministerium durch Verordnung vom 30. Januar 2020 auf Infektionen mit dem Coronavirus ausgedehnt wurde. In Paragraf 16 IfSG ist bestimmt, dass die zuständige Behörde die notwendigen Maßnahmen zur Abwendung der dem Einzelnen oder der Allgemeinheit drohenden Gefahren durch das mögliche Auftreten einer übertragbaren Krankheit trifft. Zudem kann die jeweilige Landesregierung durch Rechtsverordnung Ge- und Verbote zur Verhütung übertragbarer Krankheiten erlassen. Ist es notwendig, eine Stadt abzusperren, wäre auch das vom Wortlaut der Regelungen prinzipiell gedeckt. Es gilt aber das Verhältnismäßigkeitsprinzip, das Eignung, Erforderlichkeit und Angemessenheit der Maßnahme voraussetzt. Also: einfach so – nein.

Mache ich mich strafbar, wenn ich jemanden anstecke?

Felix: Wer eine andere Person an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bestraft (§ 223 StGB). Grundsätzlich stellt auch die Ansteckung mit einer Krankheit eine solche Körperverletzung dar. Bei der Übertragung eines simplen Erkältungsvirus durch eine für sich genommen neutrale Herbeiführung körperlicher Nähe dürfte aber eine Strafbarkeit unter dem Gesichtspunkt der Sozialadäquanz ausscheiden. Dagegen kann die Ansteckung mit schweren Infektionskrankheiten – hier wird im Strafrecht insbesondere über die Infektion mit HIV diskutiert – zur Strafbarkeit führen. Wo die Rechtsprechung zwischen diesen beiden Extremen eine Ansteckung mit dem neuen Coronavirus ansiedeln würde, bliebe abzuwarten und hängt naturgemäß auch mit dessen tatsächlichen Gefährlichkeit zusammen. Jedenfalls muss stets ein vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln (§ 229 Fahrlässige Körperverletzung) vorliegen.

Kann man jemanden zur Quarantäne verpflichten, wenn ja, auf welcher Grundlage?

Felix: Unter Quarantäne versteht § 30 IfSG die Absonderung in einem Krankenhaus; diese ist aber nur bei bestimmten Krankheiten (z. B. Lungenpest) möglich. Eine Quarantäne verstanden als das Gebot an eine Person, den Ort, an dem sie sich befindet, nicht zu verlassen, kann die zuständige Behörde auch nach § 28 IfSG verhängen, wenn jemand krank, krankheitsverdächtig oder ansteckungsverdächtig ist.

Was droht dem, der die Quarantäneauflagen ignoriert?

Felix: Das IfSG enthält Bußgeld- und Strafvorschriften. Ignoriert etwa jemand, dem gegenüber die Behörde angeordnet hat, seine Wohnung nicht zu verlassen, diese Anordnung, stellt das eine Straftat nach § 75 Abs. 1 Nr. 1 IfSG dar, die mit Freiheitsstrafe oder mit Geldstrafe bestraft wird. Wer durch seine Missachtung der Anordnung das Virus tatsächlich verbreitet, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

Ist man verpflichtet, sich bei einem Verdacht bei Ärzten/Gesundheitsbehörden zu melden?

Felix: Die zur Meldung verpflichteten Personen sind in § 8 IfSG geregelt. Zur Meldung verpflichtet sind vor allem Ärzte und medizinisches Fachpersonal, nicht aber die möglicherweise Erkrankten selbst. Man muss sich also bei einem Verdacht nicht melden, sollte das aber schon aus eigenem Interesse und zum Schutz seines sozialen Umfeldes auf den empfohlenen Wegen tun.

Hat man ein Recht auf Homeoffice?

Felix: Ein Recht auf Homeoffice besteht nicht, wenn im Betrieb keine entsprechenden Regelung dazu bestehen (Betriebsvereinbarung; Tarifvertrag). Im Zweifel sollte man immer den Kontakt mit dem Vorgesetzten suchen.

Die bloße Befürchtung einer Ansteckung reicht nicht, um die Teilnahme an Großveranstaltungen zu verweigern. Nach § 275 Abs. 3 BGB kann die Erbringung der Arbeitsleistung nur verweigert werden, wenn sie dem Arbeitnehmer auch unter Abwägung mit den Interessen des Arbeitgebers nicht zugemutet werden kann. Dafür müsste eine erhebliche objektive Gefahr bestehen oder zumindest ein ernsthaft begründeter Verdacht einer Gefährdung. Insoweit gilt es, die tatsächliche Entwicklung im Auge zu behalten.

Coronavirus: Das müssen Sie über Fachbegriffe wissen

  • Coronavirus: Eine Klasse von Viren, zu denen der neuartige Erreger gehört
  • SARS-CoV-2: Die genaue Bezeichnung des Virus, das sich von China aus verbreitet
  • Covid-19: Die Erkrankung, die das Virus auslöst

Die Sozialpsychologin: Angst vor Fremdem verstärkt sich

Sozialpsychologin Prof. Dr. Juliane Degner ist Expertin für Gefahren der Stereotypisierung.

Hamburger Abendblatt: Befördert Corona eine Abwehrhaltung gegen Asiaten, verstärkt es Stereotype?

Degner: Wir haben keine empirischen Untersuchungen dazu angestellt, können also keine verlässlichen Aussagen dazu treffen. Anekdotisch scheint es zuzutreffen, dass Personen mit ostasiatischem Aussehen vor allem zu Beginn der Berichterstattung über das Virus viele ängstliche, misstrauische, abwertende und zurückweisende Reaktionen in der Öffentlichkeit erfahren haben. Gerade in den ersten Wochen wurde das Virus als „chinesisches Problem“ wahrgenommen und mag allgemeine Ressentiments aktiviert haben. So erinnere ich mich an einen Kommentator im US-amerikanischen Fernsehen (FOX), der offen die Befürchtung äußerte, dass das Virus aus China in die „zivilisierte Welt“ verbreitet werde und alles nur, weil Chinesen gerne Fledermäuse essen würden.

Solche Einstellungen wurden aber weniger durch das Virus oder die Berichterstattung darüber erzeugt, sondern allgemeine Abwertungen von Fremden liegen oft unter der Oberfläche und treten dann deutlicher hervor, wenn Menschen sich subjektiv bedroht fühlen. Das Stereotyp, dass Menschen in Italien sich nicht an Regeln halten könnten, gibt es schon lange – jetzt wird es als Argument gebraucht, warum sich das Virus dort ausbreiten konnte.

Steigt die Furcht vor dem Fremden?

Degner: Gerade weil sich die Berichterstattung über das Virus sehr stark auf die Zahl von Infizierten in bestimmten Ländern konzentriert, aktiviert das allgemeine Ängste vor Fremden. Und da der Ausgangspunkt in einem Land lag, dessen Kultur vielen von uns als sehr fremd erscheint, bringen wir oft beides miteinander in Verbindung. Wenn wir immer wieder hören, dass es in China, Japan oder Italien so und so viele Erkrankte gibt, dann scheint es eine einfache Reaktion zu sein, Menschen aus China, Japan oder Italien zu meiden. Das gibt uns das Gefühl von Kontrollierbarkeit und Sicherheit. Wir können also die diffuse Angst vor einer Erkrankung reduzieren, indem wir die Krankheit „Fremden“ zuschreiben und uns von Fremden fernhalten.

Wäre „Patient Zero“ eine Deutsche oder ein Deutscher gewesen, hätten wir Corona vermutlich nicht als „deutsches Virus“ wahrgenommen und wären auch nicht davon ausgegangen, dass sich dieses Virus nur wegen typisch deutscher kultureller Praktiken ausbreiten konnte.

Der Medizinhistoriker: Wie gegen Seuchen gekämpft wird

Prof. Dr. Philipp Osten ist Direktor des Instituts für Geschichte und Ethik der Medizin am UKE.

Hamburger Abendblatt: Wie ist man früher mit Seuchen umgegangen, wie heute?

Osten: Welche Bedeutung die Bekämpfung von Seuchen bereits im 17. Jahrhundert hatte, lässt sich beispielsweise anhand der Herkunft unseres Wortes „Pass“ verdeutlichen. Passa porto hieß die schriftliche Erlaubnis, den Hafen zu verlassen. Die Stadt Venedig stellte sie Reisenden in Zeiten der Pest aus. Die Bekämpfung dieser Seuche ist der Ursprung des öffentlichen Gesundheitswesens: Um sie rechtzeitig zu erkennen, wurden Ärzte erstmals dauerhaft angestellt. Seuchencordons, also die militärische Abriegelung ganzer Gebiete, sowie Quarantäne-Maßnahmen, die so hießen, weil sie pauschal auf 40 Tage terminiert waren, hatten vielfach durchaus Erfolg. 400 Jahre alt sind die Erfahrungen der italienischen Handelsstädte bei der Seuchenbekämpfung. Erste Strukturen der Armenfürsorge entstanden durch die Lepraschau. Die Betroffenen wurden abgesondert, aber ihre gute Versorgung blieb oberste Christenpflicht. Als Skandal des 18. Jahrhunderts galten die Pocken. Alle fünf Jahre zogen sie durchs Land und töteten 20 Prozent der Kinder. Nach der Entdeckung der Kuhpockenimpfung dauerte es keine zehn Jahre, bis Bayern als erster Staat der Erde eine Impfpflicht einführte – das war 1807. In Deutschland gelang es um 1830, die weit verbreitete Krätze einzudämmen, indem Polizisten an jedem Ortseingang die Hände der Passanten begutachteten. Die Krankheit wird durch Milben verursacht, die in kleinen Gängen unter der Haut nisten, vorzugsweise an den warmen Stellen zwischen den Fingergliedern.

Als die Cholera zu Beginn des 19. Jahrhunderts erstmals in Mitteleuropa grassierte, versuchten die Behörden, sie mit jenen Methoden einzudämmen, die man für die Pest entwickelt hatte. Doch Militärabsperrungen halfen wenig. Immerhin wurde noch vor dem Beginn der bakteriologischen Ära anhand von Statistiken nachgewiesen, dass die Cholera ihren Ursprung in verunreinigtem Trinkwasser hat. Unter gigantischem Aufwand machten sich die Städte daran, funktionsfähige Trink- und Abwassersysteme einzurichten. Ein Projekt, das in Europa weit über 50 Jahre in Anspruch nahm.

Wie gefährlich ist Corona im Vergleich zu früheren Epidemien wie Pest und Cholera?

Osten: An der Pest, die einen rasanten Verlauf nahm und die mit massiven, den Körper entstellenden Symptomen einherging, starb – je nachdem ob es sich um Lungen- oder Beulenpest handelte – ein Drittel der Erkrankten. Die Cholera ist eine Magen-Darm-Erkrankung. Wer an ihr stirbt, stirbt durch den Flüssigkeits- und Elektrolytverlust. Allein das Anhängen einer Infusion mit Kochsalzlösung, Zucker und Nährstoffen genügt als Therapie. Heute verbreitet sich der Cholerabazillus nach Kriegen und Naturkatas­trophen. In wohlhabenden Ländern hat er seinen Schrecken verloren.

Coronaviren gibt es bei vielen Tieren. Beim Menschen sind sie für zehn Prozent der harmlosen Erkältungen verantwortlich. Dass sie auch gefährliche Stämme ausbilden können, wissen wir seit den Sars- und Mers-Epidemien von 2002 beziehungsweise 2012. Beide Krankheiten waren weit gefährlicher als die aktuelle Pandemie, aber sie blieben regional begrenzt.

Lesen Sie auch:

Der Volkswirt: Wirtschaft erholt sich im zweiten Halbjahr

Prof. Dr. Thomas Straubhaar ist Professor für Internationale Wirtschaftsbeziehungen an der Uni Hamburg und leitete das Hamburger Weltwirtschaftsinstitut.

Hamburger Abendblatt: Welche wirtschaftlichen Auswirkungen erwarten Sie?

Straubhaar: Zwei Faktoren spielen eine entscheidende Rolle. Erstens, wie lange kommt es noch zu einer Zunahme weiterer Ansteckungen? Und zweitens, wie schwerwiegend ist eine Ansteckung für die Betroffenen? In beiden Fällen bin ich optimistisch. Ich hoffe, dass der Höhepunkt der Epidemie bald erreicht sein wird und dass für die Betroffenen die Folgen vergleichsweise geringer bleiben als bei einer „normalen“ Grippeinfektion. Trifft mein Optimismus zu, gehe ich von einem V-Verlauf aus: Nach einer möglichen kurzen Rezessionsphase in der ersten Jahreshälfte folgt im zweiten Halbjahr 2020 eine Erholung, sodass Ende 2020 in etwa wieder der makroökonomische Zustand von Anfang 2020 erreicht werden kann. Eine pessimistische Prognose würde von einem L-Verlauf ausgehen. Hier wäre die deutsche Wirtschaft bis weit in das Jahr 2021 hinein in einer Stagnation gefangen.

Welche Auswirkungen haben Einbrüche der chinesischen Wirtschaft?

Straubhaar: Die Volksrepublik China ist Deutschlands wichtigster Handelspartner. Das deutsche Handelsvolumen mit China erreichte im Jahr 2019 insgesamt 206 Milliarden Euro. Nicht nur als Absatzmarkt, sondern auch als Lieferant von Vorleistungen, Zwischenprodukten und Konsumgütern spielt China eine dominante Rolle für die deutsche Wirtschaft. Entsprechend wird ein Einbruch in der Volksrepublik auch in Deutschland tiefe Spuren hinterlassen und im schlimmsten Fall mit zu einer Rezession beitragen. Aber vielleicht eröffnet gerade diese Krise der deutschen Wirtschaft, dass sie lange schon in deutlich zu starke Abhängigkeit gegenüber China geraten ist – und dass es klug wäre, Alternativen zu suchen und zu stärken. Damit ist nicht gemeint, dass wir zu Protektionismus und Nationalismus zurückkehren sollten, sondern eine stärkere Diversifikation hin zu den übrigen Handelspartnern oder auch eine andere Gestaltung der Wertschöpfungsketten.

Wird es Engpässe im Handel geben?

Straubhaar: Auch hier gilt: Wenn der Höhepunkt bald erreicht wird, werden sich die Engpässe in Grenzen halten. Gerade hier zeigen sich die Vorteile der Globalisierung. Wenn es an einigen Stellen Lieferschwierigkeiten geben sollte, werden andere rasch einspringen und die entstehenden Lücken und Engpässe überbrücken helfen. Kritisch kann es werden, wenn aus der lokal begrenzten Epidemie eine globale Pandemie wird, die sich lange hinschleppen oder gar verschlimmern sollte. Dann dürften weltweit die Alternativen bei den Handelspartnern gering(er) werden oder komplett ausfallen.

Welche Branchen leiden am meisten?

Straubhaar: Alles, was mit Transport und Reisen zu tun hat, ist am stärksten gefährdet – also Güterhandel und damit auch die Seeschifffahrt, Tourismus und damit auch der Luftverkehr, Hotels, Restaurants und Veranstaltungen mit viel Publikum. Da wird vieles nicht so ablaufen wie geplant. Und so oder so werden die Logistik­kosten steigen, weil überall viel mehr kontrolliert und getestet wird und Wartezeiten, Umwege und erhöhte Transaktionskosten die Folge sind.

Wird es zum Einbruch der Weltwirtschaft wie bei der Finanzkrise 2008/09 kommen?

Straubhaar: Kurzfristig wird es Bremsspuren, wohl sogar Rezessionstendenzen geben – die aber auch vorher schon drohten … Im schlimmsten Fall kann das Jahr 2020 wirtschaftlich ein Jahr mit einem sinkenden Bruttoinlandsprodukt werden. Aber meine Prognose bleibt optimistisch, dass im Jahresverlauf der Tiefpunkt überschritten wird und übers ganze Jahr beim BIP etwas zwischen einer schwarzen Null und einem Minimalwachstum erreicht werden wird.

Wie viel ist Psychologie?

Straubhaar: Diese Frage gehört ins Zentrum der Analyse. Denn eigentlich ist es weniger das Coronavirus an sich, das ökonomische Probleme verursacht. Entscheidend ist die Art und Weise, wie die Menschen mit den Herausforderungen umgehen. Wenn es zu Hamsterkäufen, Panikmache und gesellschaftszersetzenden Shitstorms in den sozialen Medien kommt, entstehen genau dadurch die ökonomischen Pro­bleme, die man durch große Warnungen, Absagen von Publikumsveranstaltungen, Aufforderungen oder sogar Verbote verhindern wollte.

Der Betriebswirt: Engpässe führen zu höheren Kosten

Prof. Dr. Guido Voigt vom Institut für Logistik und Supply Chain Management kennt sich mit den Risiken für Logistik, Im- und Export aus.

Hamburger Abendblatt: Sind Lieferketten in Gefahr?

Voigt: Das ist noch schwer abschätzbar. Erste Unternehmen melden Fehlbestände, die zu Produktionsausfällen führen. Globale Lieferketten (engl. „Supply Chains“) sind komplex und kleinteilig, sodass Engpässe auf einer Wertschöpfungsstufe noch Monate nach dem eigentlichen Ereignis die Produktverfügbarkeit beeinträchtigen. Das Ausmaß der Lieferunfähigkeit hängt von der Supply-Chain-Strategie ab. Unternehmen, die strategisch auf eine Kostenführerschaft abzielen, werden es deutlich schwerer haben, auf die Lieferrisiken zu reagieren, als Unternehmen, die bewusst Flexibilität in ihre Lieferketten eingebaut haben. Längere und unsicherere Wiederbeschaffungszeiten werden zu Versorgungsproblemen bei Herstellern führen. Die Unternehmen werden die vorhandenen Lagerbestände gewinnmaximierend einsetzen, indem die rentabelsten Produkte produziert werden. Fehlbestände werden somit tendenziell bei Produkten mit niedrigen Margen zu erwarten sein. Die Wahl alternativer Lieferanten und Logistikrouten wird zu Kostensteigerungen führen. Auf der anderen Seite werden in vielen Branchen niedrigere Umsätze beobachtet, mit der Folge, dass Lieferanten und Hersteller in finanzielle Not geraten, was einen selbstverstärkenden Effekt auf die Lieferunsicherheiten hat.

Der Finanzmarkt-Ökonom: Nur nicht die Nerven verlieren

Prof. Dr. Michael Bauer ist Professor für Finanzmarktökonomie.

Hamburger Abendblatt: Müssen private Anleger und Sparer jetzt um den Wert ihres Aktien-Portfolios fürchten?

Bauer: Der Weltwirtschaft droht tatsächlich gerade eine Rezession. Weitere Kursrückgänge auf dem Aktienmarkt sind durchaus möglich. Wichtig ist, dass man als Anleger nicht emotional handelt und jetzt in Panik Aktien verkauft. Als Privatanleger hat man schlechte Karten, wenn man versucht, Marktbewegungen vorherzusagen und danach die eigenen Käufe und Verkäufe zu timen. Vielmehr ist es zu empfehlen, die eigene Anlagestrategie weiterhin stetig zu verfolgen und sich nicht von langfristigen Plänen abbringen zu lassen. Zwei Punkte sind besonders wichtig: regelmäßig sparen und diversifizieren. Für die langfristige Vorsorge sollte weiterhin gespart und regelmäßig in Aktien investiert werden. Zudem sollte man ein breit diversifiziertes Portfolio haben, mit Aktien und festverzinslichen Wertpapieren und mit Aktienfonds anstatt Einzelaktien. Mit monatlichen Fonds-Sparplänen fährt man hier in beiderlei Hinsicht gut.

Expertin für Kommunikation: Medien berichten angemessen

Katharina Kleinen-von Königslöw ist Professorin für Journalistik und Kommunikationswissenschaft.

Hamburger Abendblatt: Berichten die Medien angemessen?

Kleinen-von Königslöw: Überwiegend berichten die Medien in Deutschland angemessen, insbesondere im internationalen Vergleich. Hier zahlt es sich aus, dass wir in Deutschland (noch) relativ viele Medien haben, die sich nicht allein über Klickraten finanzieren müssen, sondern dank Abonnenten oder Rundfunkbeitrag noch die Ressourcen für gute Berichterstattung haben. Grundsätzlich stellen Themen mit Krisencharakter wie das Coronavirus für die Medien eine wertvolle Gelegenheit dar: Der Informationsbedarf in der Bevölkerung ist riesig und entsprechend auch die Nachfrage nach Medienberichterstattung. Je stärker sich Medien dabei allerdings an den Klicks auf ihren Webseiten orientieren, desto eher laufen sie Gefahr, in der Bevölkerung bestehende Ängste unnötig zu verstärken.